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Frankreich: Gegen die Polizeigewalt, für eine Front zur Verteidigung der demokratischen Rechte

26.09.2016, Lesezeit 4 Min.
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Der Bericht eines jungen Dozenten der Sorbonne-Universität in Paris, der von der Polizei angegriffen und bedroht wurde, erzeugte eine Welle der Empörung und verbreitete sich in den sozialen Netzwerken. Die polizeiliche Straffreiheit im „Ausnahmezustand“ wird erneut deutlich.

Am vergangenen Freitag veröffentlichte die französische Nachrichtenseite Revolution Permanente den Bericht eines jungen Universitätsdozenten, der von der Polizei angegriffen wurde. Dies fand am Donnerstag Abend während einer gewaltvollen Festnahme in einem Bahnhof in einem Pariser Vorort statt. Der Artikel wurde Tausende Male auf Facebook geteilt und kommentiert. Außerdem wurde er von den Nachrichtenseiten Mediapart und Libération verbreitet. Alle Leser*innen reagierten auf den Bericht mit Empörung. Zahlreiche Personen berichteten unter dem Artikel von eigenen Repressionsfällen, die in der Normalisierung des Ausnahmezustandes und der Polizeigewalt verschwinden. Diese Reaktionen machen deutlich, dass eine breite Kampffront gegen die Regierung, ihren Ausnahmezustand und in Verteidigung unserer demokratischer Rechte aufgebaut werden muss.

Hinter den Beleidigungen und der Belästigung steht ein Krieg gegen die breiten Massen und die demokratischen Rechte

Der Artikel hat große Wellen geschlagen und wurde nicht nur in den sozialen Netzwerken, sondern auch von Seiten wie Libération und Mediapart geteilt. Das liegt daran, dass er Ausdruck einer allgemeinen Stimmung ist, die nach den Attentaten von Charlie Hebdo aufgebaut wurde und sich danach weiter verschärfte, bis die Repression bei den Protesten gegen die Arbeitsmarktreform im Frühling dieses Jahres zum Höhepunkt kam.

In dieser Stimmung versucht die delegitimierte Regierung ihre Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, indem sie auf das breite Arsenal juristischer und polizeilicher Maßnahmen zurückgreift, über das der französische Staat verfügt. Wir „befinden uns im Krieg“: Ausnahmezustand, zunehmender Waffenbesitz, „radikalisierte Elemente“ in den Schulen werden angezeigt, Securitypersonal tritt in den Schulen und Bahnhöfen auf, etc.. Im Sommer verschärfte sich dieses Klima nach den Attentaten in Nizza und der rassistischen und sexistischen Offensive gegen den sogenannten „Burkini“ weiter.

Im Frankreich des Jahres 2016 wird die Angst vor Attentaten dafür instrumentalisiert, einen „internen Feind“ zu schaffen: Der*die Musilm*a, der*die „Unruhestiftende“, der*die kämpferische gewerkschaftliche Aktivist*in oder der*die Jugendliche aus dem Vorort.

In diesem Kontext ist es nicht verwunderlich, dass es sich die Polist*innen erlauben, Leute zu beleidigen, Mord- oder Vergewaltigungsdrohungen auszusprechen oder die Bewohner*innen der Pariser Vororte, die sich gegen eine gewalttätige Festnahme stellen, mit den Mördern des Islamischen Staats vergleichen, wie es in dem Bericht zu lesen ist. Niemand kann dieses Verhalten der Polizist*innen mehr erklären. Der wahre Grund ist die Staatsräson, ein echter Krieg (wie es selbst die Polizist*innen an diesem Abend sagten) gegen die arbeitende Bevölkerung und die protestierenden Jugendlichen.

Gegen den Ausnahmezustand, gegen die Straffreiheit der Polizei – eine einheitliche Kampffront

Wir haben die Situation in Frankreich in vorherigen Artikeln als dramatisch, aber gleichzeitig vielversprechend analysiert. Es ist nicht nötig, das Dramatische der Situation zu erklären. In diesem Herbst wird die Arbeitsmarktreform eingeführt, die Prekarisierung und die Polizeimorde wie an Adam Traoré nehmen zu. Doch die vier Monate der Mobilisierung gegen die Arbeitsmarktreform, vier lange Monate der Repression gegen die Jugend und die Arbeiter*innenbewegung, zeigen auch das vielversprechende Element der Situation.

Der Repression steht eine Avantgarde gegenüber, die gegen den Ausnahmezustand und die Einschränkung demokratischer Freiheiten gekämpft hat. Doch nachdem sie kämpfende Studierende prügelten, unsere Demonstrationen einkesselten und straffrei morden konnten, fühlt sich die Polizei so stark wie noch nie.

Doch der Skandal, der durch den Bericht des jungen Dozenten der Sorbonne entstand, ist ein erneuter Beweis für die Empörung, die der autoritäre und freiheitsfeindliche Kurs der Regierung hervorruft. Die Solidarität kommt von allen Seiten: von Studierenden und Professor*innen, Aktivist*innen von überall her bis hin zu anonymen Berichten eigener Erfahrungen mit Polizeirepression.

Doch die Empörung darf sich nicht auf diesen Fall beschränken, sie muss sich ausweiten auf alle Jugendlichen, Arbeiter*innen, Professor*innen der Sorbonne und überall, Jugendliche aus den Vororten, Gewerkschaftsaktivist*innen und Verteidiger*innen der demokratischen Freiheiten. Wir alle gemeinsam müssen eine Front gegen diesen Polizeistaat bilden, der unsere Freund*innen einsperrt und unsere Klassengeschwister umbringt. Wir brauchen eine einheitliche und breite Kampffront zur Verteidigung unserer demokratischen Rechte, um ein Ende des Ausnahmezustands durchzusetzen. Damit wir unser Demonstrationsrecht ausüben können, ohne eingekesselt zu werden, um die polizeiliche Straffreiheit und die Verfolgung von gewerkschaftlichen Aktivist*innen zu beenden: damit die Angst die Seite wechselt.

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