Frankreich brennt, im Elsass scheint die Sonne

30.05.2016, Lesezeit 3 Min.
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Unsere Autoren verbrachten den vergangenen landesweiten Streiktag am 26. Mai in Strasbourg nahe der deutsch-französischen Grenze. Ein Reisebericht.

Eine friedliche Demonstration, die mit dem Bild vergangener Tage aus Paris, Nantes oder Toulouse konstrastiert, fand am 26. Mai in Strasbourg statt. Keine Wut in den Straßen, keine Bilder wie in Paris oder Le Havre, die an die scharfe Auseindersetzung zwischen der Zentralregierung in Paris mit der Jugend und nun immer breitere Sektoren des Proletariats Frankreichs erinnern. Wird die Musik woanders als im Elsass gespielt?

Wir fahren am morgen und schnell erreichen wir die Autobahn, die Saarbrücken mit Frankreich verbindet. Sofort merken wir die absolute Abwesenheit von französischen Polizist*innen, sei es an der Grenze oder hinter den Mautanlagen. Wir fragen uns, ob diese seltsame Erfahrung ein Zufall ist, oder vielleicht doch Ausdruck der Tatsache, dass die Polizei mit repressiven Maßnahmen im Inneren beschäftigt ist. Die zweite Überraschung sollte aber noch kommen. Kaum in Strasbourg angekommen, scheint sich die Stadt zwar erstmal von ihrer gewöhnlich langweiligen Seite zu präsentieren: Tourist*innen, die umherlaufen, Leute mit Einkaufstauschen, geöffnete Geschäfte, funktionierende öffentliche Verkehrsmittel. Bürgerlicher Alltag, anscheinend gleichgültig gegenüber den Ereignissen, die ganz Frankreich aufmischen. Doch die Szene hat etwas Unwirkliches, denn der langweiligen Normalität der Einkaufsstraße stehen die zahlreichen Polizist*innen in Kampfmonturgegenüber.

Der Demozug gegen die französische Variante der Agenda 2010 startet an der Place Kléber, ihm begegnet an jeder Ecke Polizei in Kampfmontur – alle mit jenem charakteristischen grimmig-dunklen Blick, der Angst einflösen soll, jedoch angesichts der völlig friedlichen Demo etwas lächerlich wirkt. Sie wissen, dass nicht viel pasieren wird.

Die Demonstration verläuft ruhig und geordnet, doch die Anwesenheit der Polizei zieht dennoch hasserfüllte Blicke auf sich. Ein Funken des Klassenhasses, der sich in den Straßen von Paris mit der Jugend an der Spitze, bei den Hafenarbeiter*innen in Le Havre oder bei den Streiks der Lokführer*innen und vieler andere entlädt. Als der Demozug an der Grundschule Schoepflin entlang läuft, kommen Schüler*innen gerannt, klammern sich am Zaun und begrüßen herzlich die Demonstrant*innen. Ihr Gruß wird mit gehobenen Fäusten erwidert, einige Kinder strecken die ebenfalls ihre Fäuste hoch.

Der Demozug endete, wo er begonnen hatte, mit dem Appell der Rockband vom CGT, den Widerstand zu erhöhen. Die Demonstration löst sich auf, Tourist*innen und Passanten übernehmen das Bild. Die Musik wird heute woanders gespielt, 113 km südlich von Strasbourg, im französichen Peugeot/Citroen-Werk Mühlhausen, wo die Kolleg*innen durch die Werkhalllen marschieren und “Arbeiter*innen in den Streik, Bosse an die Arbeit” skandieren.

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