Europäischer Gerichtshof entscheidet sich für Kopftuchverbot am Arbeitsplatz

16.07.2021, Lesezeit 3 Min.
1
Bild von John Gomez / shutterstock.com

Der antimuslimische Rassismus in Europa kocht in den letzten Jahren hoch. Jetzt erlaubt der Europäische Gerichtshof Tragen von Kopftuch am Arbeitsplatz zu verbieten, was den Rassismus im Gesetz weiter ausbaut.

Heutzutage ist es zwar politisch nicht haltbar, ein Gesetz zu beschließen, dass es einfach verbietet Muslim:a in der Öffentlichkeit zu sein, aber man findet Wege, es schwer zu machen. Während man im öffentlichen Sektor das Tragen eines Kopftuchs auf Basis der staatlichen Neutralität verbieten kann, wie es in Frankreich und einigen deutschen Bundesländern schon der Fall ist – gleichzeitig darf man in Deutschland öffentliche Gebäude natürlich mit Kreuzen zukleistern – dürfen Bosse, nach einer Entscheidung des europäische Gerichtshofs (EuGH), nun auch im privaten Sektor ein Kopftuchverbot auferlegen.

Zum Verfahren am EuGH kam es, da in einer “überkonfessionellen” Kita und einem Müller Drogeriemarkt in Deutschland Konflikte mit zwei Arbeiterinnen über bereits bestehende Verbote gegeben hatte und diese geklagt hatten. Der EuGH hat diese Regelungen der Unternehmen nun legitimiert. Davon leiten sich zwei Erkenntnisse ab: Erstens, der Klassencharakter des EuGH. Die Interessen von Arbeiter:innen werden den Interessen von Bossen untergeordnet. Zweitens, der systemische Charakter des anti-muslimischen Rassismus. Die westliche kapitalistische Demokratie setzt demokratische Rechte niemals für alle Arbeiter:innen unterschiedlicher Ethnizität, Religionszugehörigkeit usw. vollständig durch. Die bestehende Ordnung baut darauf auf, solche Arbeiter:innen systematisch zu benachteiligen.

Man spricht bei diesem Thema oft von Neutralität, aber ist denn irgendjemand naiv genug Neutralität von bspw. christdemokraten zu erwarten? Niemand ist neutral und der bürgerliche Staat hat bürgerliche Interessen. Die “neutralen” Öffentlich-Rechtlichen, finanziert durch den bürgerlichen Staat, haben selbstverständlich keine politische Position, wenn sie schreiben: “Hohe Hürden für Kopftuchverbot im Job” und diese hohe Hürde eine “sachlicher” Grund wie eine “mögliche Störung des Betriebsfriedens” ist. Der EuGH beschließt, dass die Religionsfreiheit auch eine Rolle spielen darf, wenn das die einzelnen Länder das so wünschen. Aber jeder weiß, wer dann am Ende frei ist seine Religion in der Öffentlichkeit auszuüben und wer nicht.

Solche Entscheidungen sind ein Ausdruck des bürgerlichen Konsens über Rassismus, ein Fremdenhass, der Mal als “Terrorismusbekämpfung”, Integrationsproblem, importierter Antisemitismus oder eben “Neutralität im öffentlichen Raum” verkauft wird. Man braucht keinen Doktortitel, um über den Euphemismus der Stunde hinwegzusehen und Muster zu erkennen. Historische Analyse, die wir als Marxist:innen betreiben, und zu denen wir andere Anregen wollen, bedeutet einfach, sich zu erinnern und Konsequenzen daraus zu ziehen. Wenn schwangere Frauen mit Kopftuch in den Bauch geschlagen werden, steht das nicht außerhalb des Kontextes der Politik der bürgerlichen Parteien und Justiz, die die Spaltung der Arbeiter:innenklasse nach Religion, Geschlecht und Nationalität nötig haben, um an der Macht zu bleiben. Diese unschmenschlichsten Auswüchse der bürgerlichen Gesellschaft zeigen uns immer wieder, wie nötig es ist, uns zu vereinen, damit diejenige Mehrheit, die durch Produktion die Gesellschaft am Laufen hält, die Führung einer sozialistischen Gesellschaft beanspruchen und all diese verächtlichen, unterdrückerischen Zustände beenden kann.

Mehr zum Thema