Eskalation im Nahen Osten: Israel und die imperialistischen Mächte sind die Hauptverantwortlichen

14.04.2024, Lesezeit 5 Min.
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Am Samstagabend schickte der Iran mehrere hundert Drohnen und Raketen gegen Israel. Dies war eine Reaktion auf den israelischen Angriff auf Damaskus, bei dem mehrere iranische Kommandanten getötet worden waren. Eine Eskalation, für die in erster Linie Israel und seine Unterstützer verantwortlich sind.

Am Samstagabend startete der Iran einen beispiellosen Gegenschlag gegen Israel und feuerte über 300 Geschosse ab, darunter 170 Drohnen, 30 Marschflugkörper und 120 ballistische Raketen. Auch aus dem Libanon, dem Irak und dem Jemen wurden Raketen, Drohnen und Flugkörper abgefeuert. Nach dem Angriff auf ein iranisches Diplomatengebäude in Damaskus und dem Tod mehrerer Kommandeure der Revolutionsgarden stand das Regime vor einem Dilemma: Es musste reagieren, und das wahrscheinlich mit einer bisher nicht gekannten Intensität, aber zugleich die Gefahr eines totalen Krieges, der für das Land verheerend wäre, eindämmen.

In diesem Zusammenhang entschied sich das iranische Regime, wie viele Expert:innen betonten, für einen abgestuften Gegenschlag und führte einen – gemessen an der Zahl der abgefeuerten Raketen und Drohnen – großen, aber aus strategischer Sicht begrenzten Angriff durch. Mit seiner Entscheidung, seine Verteidigung nicht wie in der Vergangenheit an seine libanesischen, jemenitischen oder irakischen Stellvertreter zu delegieren, bricht der Iran mit seiner historischen Politik der „Abschreckung“. Indem die Islamische Republik ihren Angriff von ihrem Boden aus startete und nicht von Positionen, die näher an Israel liegen, stellte sie jedoch sicher, dass die Geschosse mehrere Stunden brauchen würden, bevor sie ihr Ziel erreichten, was der israelischen Armee und ihren imperialistischen Verbündeten Zeit verschaffte, um eine Verteidigung vorzubereiten.

Nach ersten israelischen Berichten wurden mit Unterstützung Frankreichs, der USA und Großbritanniens, aber auch Syriens und Jordaniens fast alle Raketen und Drohnen abgefangen, wobei das israelische Luftabwehrsystem „Iron Dome“ nicht überlastet wurde. Ein Mädchen und ein Junge wurden israelischen Quellen zufolge durch Schrapnells von einer Rakete oder einem Abfangjäger schwer verletzt, während auf einem Militärstützpunkt, von dem aus der Angriff auf das iranische Konsulat vermutlich gestartet worden war, nur geringe Schäden festgestellt wurden.

Trotz ihres begrentzen Charakters rückt die iranische Offensive die Angst vor einem regionalen Flächenbrand im Nahen Osten wieder in den Vordergrund. Da die israelische Regierung ihren Genozid in Gaza fortsetzt und dabei nicht davor zurückschreckt, an der Seite ihrer imperialistischen Verbündeten auch ihre Nachbarn anzugreifen, wird die israelische Reaktion entscheidend sein. In den kommenden Tagen wird die Situation an der libanesischen Grenze, die Israel seit dem 7. Oktober ununterbrochen bedrängt, mit größter Aufmerksamkeit verfolgt werden müssen. Diese „Aufmerksamkeit“ ist umso entscheidender, als die israelische Armee die iranische Offensive nutzen könnte, um den Plan einer Invasion des Libanon umzusetzen, über den sich die US-Geheimdienste Sorgen machen, aber auch um ihr Engagement im Irak, im Jemen und bis in den Iran hinein zu intensivieren.

In diesem Kontext  zeigten die westlichen Mächte eine deutliche Unterstützung für Israel, die an die Unterstützung des Genozid in Gaza anknüpft. Sie verurteilten den iranischen Angriff und verschwiegen die vorherige israelische Offensive, auf die er reagierte. Ein Diskurs, der ihre eigene Verantwortung und die Israels für die laufende Eskalation zu verschleiern sucht. Neben der Zerstörung der iranischen Botschaft in Damaskus gab es in den letzten Monaten zahlreiche US-amerikanische Luftangriffe im Jemen, in Syrien und im Irak, aber auch gezielte israelische Tötungen im Libanon und natürlich Zehntausende Tote im Gazastreifen.

Seit gestern Abend versuchen die USA, aber auch Frankreich, Vergeltungsschläge zu vermeiden, die einen regionalen Flächenbrand auslösen könnten. Biden soll Netanjahu gesagt haben, dass die USA sich weigern würden, sich an offensiven Operationen gegen den Iran zu beteiligen und solche Operationen nicht unterstützen würden. Da am Sonntag ein Treffen der G7-Staats- und Regierungschefs stattfindet, um „eine vereinte diplomatische Antwort auf den Iran zu koordinieren“, scheint das Ziel, eine weitere Eskalation zu verhindern, trotz ihrer bedingungslosen Unterstützung für Israel im Mittelpunkt der Sorgen des imperialistischen Lagers zu stehen.

Während der Samstagabend die Risiken eines Sprungs der Eskalation im Nahen Osten in den Vordergrund gerückt hat, kann es keine Gewissheit darüber geben, wie der Konflikt weitergehen wird. Netanjahu steht vor einer enormen innenpolitischen Krise, in der sein politisches Überleben von der Fortsetzung des genozidalen Krieges in Gaza und der Erfüllung der Forderungen seiner rechtsextremen Regierungspartner abhängen wird. In diesem Rahmen kann nur der Kampf der Arbeiter:innen und der Völker der Region in Unabhängigkeit vom Imperialismus, aber auch vom theokratischen und reaktionären iranischen Regime und der so genannten „Achse des Widerstands“ den Krieg verhindern und den Kampf für die Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes voranbringen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Französisch bei Révolution Permanente.

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