„Ein Zeichen gegen Rassismus und Sexismus setzen“

26.04.2016, Lesezeit 7 Min.
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Am 27. April gehen in vielen Städten Schüler*innen und Studierende gegen Ausgrenzung, Abschiebung und Krieg auf die Straße. An dieser Stelle lassen wir die zahlreichen Aktivist*innen zu Wort kommen, die für diesen Tag Aktionen organisieren. Dieses Mal haben Tabea Winter (Revolutionär-kommunistische Jugend, RKJ) und Marco Blechschmidt (Waffen der Kritik, WdK) mit Theo vom Aktionskomitee Potsdam gesprochen. Das Aktionskomitee ist Teil des Bündnis „United against Racism & Sexism“, welches in Potsdam eine Demonstration für den 27. vorbereitet.

Die große Frage zuerst: Werdet ihr am 27. April einen Schul- und Unistreik auf die Beine stellen?

Bei unserem ersten Bündnistreffen haben wir gemeinsam entschieden, dass wir statt eines Schul- und Unistreiks einen Aktionstag in Potsdam auf die Beine stellen wollen. Über den Tag verteilt werden Aktionen von diversen Gruppen durchgeführt. An vielen Potsdamer Schulen wird es politische Hofpausen geben, selbstorganisierte Geflüchteten-Gruppen haben eine Pressekonferenz im freiLand geplant und werden dem Brandenburger Landtag nachmittags ein Memorandum mit ihren Forderungen, unterstützt von einer gemeinsamen Demonstration, überreichen. Während der Demonstration wird es Redebeiträge gegen Rassismus und Sexismus von Geflüchteten, lokalen antirassistischen und feministischen Gruppen geben. Nach der Abschlusskundgebung findet ein Konzert auf dem Bassinplatz mit verschiedenen Künstler*innen statt. Dort wird es auch Infomaterial für Interessierte geben. Diese Aktionsform haben wir gewählt, um möglichst viele Menschen auch außerhalb des deutschen Bildungssystems einzubeziehen. Wir wollen gemeinsam ein Zeichen gegen Rassismus und Sexismus setzen und nicht paternalistisch für andere diesen Kampf führen.

Gab es schon mal einen Schul- und Unistreik in Potsdam oder generell Erfahrungen mit aktiven Schüler*innen und Studierenden?

Natürlich gibt es Erfahrungen aus früheren Bildungsstreiks in Potsdam. Heute beteiligen sich ebenfalls Schüler*innen und Studierende am Bündnis. Da wir uns aber außerhalb eines reinen Schul- und Unistreiks organisieren, sind diese Erfahrungen aber weniger relevant.

Potsdam beteiligt sich nicht an „Jugend gegen Rassismus“. Könnt ihr uns kurz erklären, warum ihr euch dagegen entschieden habt?

Die große Mehrheit hatte Probleme sich mit der inhaltlichen Ausrichtung von „Jugend gegen Rassismus“ zu identifizieren. Im Forderungskatalog werden zu vielen Themen kontroverse Standpunkte eingenommen, die von vielen so nicht geteilt wurden. Unter anderem störte viele Teilnehmer*innen die personifizierende Schuldzuweisung wie „Banken und Konzerne“ unter Negierung eines breiteren Kontextes und der absolute Wahrheitsanspruch den das Bündnis erhebt. Unserer Meinung nach verhindern diese beiden Punkte eine pluralistische Ausrichtung unseres Bündnisses, was uns wiederum in unserem Aktivismus im direktem Umfeld einschränken würde. Des Weiteren gab es inhaltliche Probleme in unserer Gruppe mit der Einschränkung der Fluchtgründe auf Krieg als Ursache der derzeitigen humanitären Krise. Zudem befürchten wir, dass sich junge Menschen, durch imperative Forderungen auf schwierige Probleme, gehemmt fühlen, sich eine eigene Meinung zu bilden oder dadurch von politischer Arbeit im Allgemeinen abgeschreckt werden. Unserem Bündnis war weiterhin wichtig, dass wir zusätzliche Schwerpunkte, wie Feminismus und die Zerschlagung von Querfrontbewegungen, mit in unsere politische Arbeit einfließen lassen. Wir haben uns ansonsten dazu entschieden, keine Forderungen zu stellen. Dabei ist das Problem nicht der Mangel an Forderungen, sondern die Politik der Forderungen an sich. Wir wollen eine solidarische und freie Gesellschaft für alle und sollten dabei nicht bei dem Spiel der Mächtigen, bspw. innerhalb des parlamentarischen Weges, mitmachen. Deshalb haben wir uns als Bündnis Oberziele gesetzt, die wir gemeinsam erreichen wollen, weil Forderungen zu stellen uns automatisch in die schwächere Verhandlungsposition bringt. Diese Ziele werden wir nicht direkt veröffentlichen, aber sie bilden einen Leitfaden für unsere Bündnisarbeit und spiegeln sich in all unseren Aktionen wieder. Zudem haben die Refugee-Gruppen in unserem Bündnis, auf eigenen Wunsch hin, ein Memorandum mit ihren eigenen Forderungen an den Landtag verfasst, die wir als Gruppe unterstützen.

Welche Gruppen und Organisationen beteiligen sich am Bündnis in Potsdam?

Im Bündnis sind verschiedene selbstorganisierte Refugee-Gruppen, wie Refugees Emancipation und Mosaikstein, vertreten. Das Bündnis ist insgesamt ein Zusammenschluss verschiedener Einzelpersonen, die auch anderweitig in zahlreichen Strukturen organisiert sind. Allerdings üben diese Gruppierungen keinen direkten Einfluss auf unsere gemeinsame Arbeit aus.

Profitiert ihr davon, dass es das bundesweite Bündnis „Jugend gegen Rassismus“ gibt?

Wir finden es gut, dass sich viele Menschen am 27. April in zahlreichen Städten gegen Rassismus engagieren. Jedoch haben wir eigene Strukturen und zahlreiche lokale Gruppen, auf die wir uns stützen. Natürlich ist die Aufmerksamkeit durch eine bundesweite Aktion immer höher und wir hoffen insgesamt auf eine hohe Resonanz.

In einigen Städten entstehen gerade Streikkomitees an Unis und Schulen, in anderen gibt es diese bereits. Was sind eure Erfahrungen mit der Mobilisierung? Gibt es besondere Schwierigkeiten?

Besondere Schwierigkeiten sehen wir darin, geflüchtete Menschen für unseren Aktionstag zu mobilisieren, da diese teilweise Angst vor Repression haben, nicht genügend Informationen bekommen oder noch nicht politisch organisiert sind. Um diesem Problem begegnen zu können, sind Geflüchtete aus unserem Bündnis mit mehrsprachigen Flyern in verschiedene Heime in ganz Brandenburg gefahren und haben dort mit den Bewohner*innen persönlich gesprochen. Weiterhin wird für diesen Tag ein Ermittlungsausschuss zur Verfügung stehen, der alle Teilnehmer*innen bei Repression unterstützt.

Die letzten Wahlen haben einen Beweis geliefert für den anhaltenden Rechtsruck. Aus eurer Sicht, wieso scheiterte die Strategie „geht demokratisch wählen!“ und welche Rolle kann eine große Mobilisierung von Jugendlichen für eine erfolgreiche Strategie gegen Rechts spielen?

Wir bevorzugen die direkte Kommunikation und Selbstorganisation als Mittel, um eine politische Entwicklung zu starten bzw. zu stoppen. Daher ist der Ansatz, gemeinsam und selbstorganisiert Aktionen durchzuführen auch die Essenz unseres Bündnisses. Wir organisieren uns dabei mit Menschen die ähnlich denken und versuchen mit ihnen unsere Ideen und Ansichten öffentlich darzustellen und Menschen anzuregen, ihr Verhalten zu reflektieren und über die von uns angesprochenen Themen nachzudenken. Denn wenn wir die politische Entwicklung der letzten Jahre oder auch Jahrzehnte betrachten, dann kann mensch erkennen, dass politische Parteien wie die AfD eben nicht notwendig sind, um Abschiebungen durchzusetzen oder die Asylgesetze zu verschärfen. Wählen gehen als Lösung dieser Problematik ist in diesem Fall nicht wirklich zielführend. Außerdem würde mensch sich damit auch wieder auf den parlamentarischen Weg und den Staat als Lösung verlassen und somit seine Eigenverantwortung an dieser gesellschaftlichen Entwicklung abgeben. Da sehen wir eine bessere Perspektive in der direkten Aktion, in welcher wir eigenverantwortlich selbst aktiv werden können.

Wenn das jetzt Menschen aus Potsdam lesen, die sich gerne beteiligen wollen, wie können sie euch erreichen?

Wir haben als Bündnis offene Plena und Aktionsgruppen zu denen wir interessierte Menschen einladen. Weiterhin kann mensch mit uns via Facebook oder auch persönlich kommunizieren. Da die meisten Menschen eben auch in anderen Strukturen aktiv sind, zusätzlich zur Schule, der Uni oder den Jobs, gibt es dort zahlreiche Möglichkeiten in Kontakt zu treten. Am Aktionstag selbst werden wir Menschen dazu einladen mit uns gemeinsam aktiv zu werden und alle Teilnehmer*innen sind herzlich eingeladen, Vertreter*innen des Bündnisses darauf anzusprechen.

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