Ein Kommunist hat sich das Interview von Bushido mit Storch angeschaut – damit ihr es nicht müsst

15.09.2017, Lesezeit 5 Min.
1
Bushido & Storch

Bushido hat sich mit Beatrix von Storch von der AfD und Niko vom Backspin-Magazin zusammengesetzt und eine Diskussion geführt. Was dabei passiert ist und wieso alle Bushido unterschätzt haben, könnt ihr hier lesen.

Wenn man Bushidos Musik hört, merkt man sicher schnell, dass er ein reaktionäres Arschloch ist. Seine Texte sind homophob, frauenverachtend und verherrlichen kleinbürgerliche Gewalt.

Nun hat sich Bushido mit Beatrix von Storch, eine der reaktionärsten Vertreter*innen der AfD, zusammengesetzt und eine politische Diskussion geführt. Dabei haben viele Bushido unterschätzt.

Als ich angefangen habe das Interview zu schauen, dachte ich mir, ich werde mich recht schnell fremdschämen. Doch dem war nicht so. Bushido hat sich erstaunlich geschickt angestellt und war dabei sogar in Teilen besser als die Interviewer*innen der bürgerlichen Presse. Er hat seine Stärken wie Schlagfertigkeit gut genutzt und eine Spitzenpolitikerin der AfD mehrmals richtig ins Schwimmen gebracht.

Er hat sich offensichtlich Notizen gemacht, führte das Interview recht frei und würdigte von Storch mit keinem Blick. Er war voll auf sich fokussiert und brachte von Storch durch sein ganzes Auftreten dazu, sehr unsicher zu sein und sich rechtfertigen zu müssen. Doch auch inhaltlich hat er überrascht.

Rassistischer Feminismus

Erstmal wird diskutiert, was Deutsch-Sein eigentlich bedeutet, und dabei kommt nicht viel raus. Dann spricht Bushido den Islam an. Beatrix von Storch argumentiert, dass der Islam eine besonders reaktionäre Ideologie ist und leugnet, dass es liberale Auslegungen der Religion gibt. Sie fordert eine Reformation des Islam. Bushido antwortet geschickt mit einem Interview-Zitat aus der Jungen Freiheit, einer rechtsradikalen Zeitung, in dem von Storch gesagt hat, dass es „mit dem Islam […] keine Kompromisse geben“ darf.

Beatrix von Storch bringt vor allem den juristischen Anspruch des Islams als vermeintliches Argument, dass er nicht zu deutschen „Werten“ passen würde. Bushido fragt, was sie mit den Werten meint und sie zählt unter anderem die Gleichberechtigung der Frauen und Toleranz für Homosexuelle auf.

Bushido fragt von Storch dann, ob sie nicht auch etwas gegen die Gleichstellung der Geschlechter habe. Meint sie damit die Gleichstellung von nur Frau und Mann oder auch von Mann und Mann? Beatrix von Storch kommt richtig ins Schwimmen, stottert rum und will wieder auf den Islam lenken. Sie führt an, dass er Islam dazu führt, dass die Essenskultur sich ändern würde und gerät auf den Konter, dass das ja auch für Veganer*innen, Vegetarier*innen und Jüd*innen gilt, wieder ins Schwimmen. Man kann Bushido sicher vorwerfen, dass er selbst homophob ist und das auch verteidigt – aber er hat es wirklich gut geschafft, den rassistischen Pseudofeminismus der AfD zu entlarven.

1

„Wir Deutsche?“

Zu einem späteren Zeitpunkt kam die Frage der Integration auf. Die AfD-Politikerin ist der Meinung, dass Integration etwas ist, das Menschen, die hier herkommen, leisten müssten. Sie sollten sich an „uns Deutsche“ anpassen. Bushido hält dagegen:

Wir Deutsche? Das Einzige, was wir Deutsche gemeinsam haben, ist unsere Staatsbürgerschaft und den Ort, wo wir leben. Soziale Unterschiede führen dazu, dass es kein „wir“ gibt. Wollen Sie mir sagen, dass der Millionär dort hinten in Grunewald irgendwas mit einem Hartz4-Empfänger in Lichtenberg gemeinsam hat? Denken sie da gibt es ein „Wir“-Gefühl?

Beatrix von Storch führt dann an, dass alle Deutschen die gleiche Geschichte hätten. Bushido fragt: „Wo haben die die gleiche Geschichte?“ Natürlich haben Bonzen und Proletarier*innen nichts gemeinsam. Auch wenn Bushido sicher kein tiefgreifendes Klassenverständnis hat, hat er dennoch die Ideologie des Nationalismus gut durchschaut.

Den Ursprung des aktuell aufkommenden Rassismus und des Rechtsruckes erkennt er auch gut. Gegen die geheuchelte Argumentationslinie von von Storch, die den Islam für Terror verantwortlich macht, kontert Bushido, dass Terror nicht nur beim Islam vorkommt. Doch niemand fordert Christ*innen auf, sich von christlichen Terrorist*innen zu distanzieren.

Was uns das Interview über bürgerlichen Journalismus sagt?

Wenn man darüber nachdenkt, dass Bushido Rapper ist, dann kann man feststellen, dass er recht ähnlich agiert hat wie bei einem Disstrack. Er hat sich über von Storch informiert, hat ihre Schwachstellen ausfindig gemacht und Finger in die Wunde gedrückt. Dabei hat er es besser als viele bürgerliche Journalist*innen und Moderator*innen geschafft, den rassistischen Pseudofeminismus und die Deutschtümelei der AfD zu zerlegen.

Doch da kommt die Frage auf: Wenn selbst ein Reaktionär wie Bushido es schafft, die AfD fertig zu machen, warum schafft es dann keiner der bürgerlichen Zeitungen und Talkshows? Schlicht und einfach, weil sie noch weniger Antworten auf die AfD haben als Bushido. Sie sind unfähig, ihren Charakter zu erkennen und sie dafür anzugreifen. Doch um es nicht einem Bushido zu überlassen, die AfD anzugreifen, braucht es unabhängige Zeitungen der revolutionären Linken.

Mehr zum Thema