Durch die Brille von ‚Klasse Gegen Klasse‘: Bundesweite Konferenz

11.10.2016, Lesezeit 4 Min.
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In den letzten elf Monaten haben wir gelernt, die Welt durch die Brille einer Tageszeitung zu sehen. KGK, die inzwischen größte trotzkistische Online-Publikation in deutscher Sprache, war entsprechend Thema aller Diskussionen der Konferenz.

Rechtsentwicklung des deutschen Regimes

Wenn wir täglich durch diese Brille schauen, sehen wir immer mehr eine Welt der Polarisierung und Rechtsentwicklung. Die Infragestellung der deutschen Stabilität durch die ungelöste kapitalistische Krise drückt sich besonders durch die Krise der EU aus und dadurch, dass die Krise der Flucht auf die imperialistischen Verursacher zurückschlägt.

Die von außen her nur relative und fragile Stabilität des deutschen Regimes trifft mit einer latenten Bedrohung des Finanzmarkts mit der Deutschen Bank zusammen und wird seit 2015 erstmals in Merkels nun fast elfjähriger Amtszeit auch von innen in Frage gestellt. Dies geschieht allerdings anders als in Südeuropa oder jenseits des Atlantiks nur von rechts, durch die AfD und besonders rechte Teile innerhalb der Union. Diese Widersprüche bleiben bestehen, obwohl Merkel die Geflüchtetenfrage im Sinne der Bourgeoisie vorläufig gelöst hat, mit ihren Deals wie dem Pakt mit Erdogan und einer anfänglichen Einbindung Geflüchteter in den Niedriglohnsektor.

Wie die Union auf die Herausforderungen der AfD reagiert, wird von großer Bedeutung für die Stabilität des deutschen Regimes sein. Während die Linke sich als undynamisch und unfähig erweist, progressiv auf die Krise zu antworten – also mit der Einheit unserer Klasse im Kampf –, nimmt der Chauvinismus in der Arbeiter*innenklasse selbst weiter zu, wie gute Ergebnisse der AfD in proletarischen Bezirken Berlins zeigen. Schließlich erreichen die faschistischen Angriffe ein neues Niveau: Das Regime weigert sich sogar, sie als solche anzuerkennen, verklärt die rassistischen Attentate von München zum Amoklauf, gibt in Bautzen den Geflüchteten die Schuld.

Den Rechtsruck in Deutschland haben wir nicht nur beobachtet, sondern ihn aktiv mit einer Klassenperspektive bekämpft. Auf der Konferenz konnten wir eine positive Bilanz des Schulstreiks von Jugend gegen Rassismus in Berlin ziehen. RIO und RKJ waren in der Mobilisierung aktiv und haben den Streik gleichzeitig durch die Plattform der Online-Publikation gestärkt. In München haben wir zusammen mit „Waffen der Kritik“ eine Kampagne gegen die AfD durchgeführt, zu deren Bekämpfung sich die bürokratische Unileitung und Studierendenvertretung als unfähig erwiesen. Der vorläufige Rauswurf der AfD-Unigruppe von der LMU wurde durch Mobilisierung erreicht.

Ein Kampf für demokratische Rechte mit der Strategie der Arbeiter*innenklasse

Angriffe von rechts finden auf Migrant*innen und Geflüchtete statt, neben der AfD auch durch den Entwurf für ein Integrationsgesetz der CSU. Die Angriffe gelten aber auch Frauen und LGBTI; wir stellten uns ihnen mit tausenden anderen wieder beim Marsch für das Leben entgegen. Demokratische Rechte verteidigen wir mit der vollständigen Aufnahme aller Forderungen rassistisch, national, sexuell oder geschlechtlich Unterdrückter in unser Programm – und der strategischen Perspektive, dass die Arbeiter*innenklasse in der Anführung eines Kampfbündnisses die Unterdrückung besiegen kann. Aktuell sehen wir dazu nach Polen, wo ein Streik die reaktionäre Verschärfung des Abtreibungsrechts verhinderte.

Wir setzen in diesem Sinne der im Poststrukturalismus verbreiteten Vereinzelung und Institutionalisierung, basierend auf ein statisches Modell von Privilegien, unser Konzept der kollektiven Organisierung zur Erlangung neuer Standpunkte im Kampf entgegen. Internationale Erfahrungen unserer Strömung, der Trotzkistischen Fraktion, untermauern dieses Konzept: Bei einem Frauentreffen in Argentinien versammelten sich am Wochenende 70.000 Menschen, um gegen Gewalt an Frauen und LGBTI-Personen zu demonstrieren.

Der Marxismus, für den wir streiten, kann in Verallgemeinerung der Theorie der Permanenten Revolution alle Forderungen Unterdrückter in ein Programm der Führung unserer Klasse aufnehmen – und auch erfolgreich gegen Rechts kämpfen. Dafür suchen wir den Dialog. Und wir wollen KGK noch mehr als bisher als Plattform anbieten, für alle, die als Arbeiter*innen und gegen Unterdrückung kämpfen. Von der Brille kann unsere Zeitung somit zum Sprachrohr kommender Bewegungen werden.

Außerdem werden wir eine tiefere theoretische und strategische Diskussion zu Fragen der Frauenunterdrückung und der Demokratie führen. Kommendes Jahr erscheinen zwei Bücher, an deren Herausgabe wir arbeiten: „Brot und Rosen“ von Andrea d’Atri, eine Synthese der Erfahrungen von Frauen- und Arbeiterinnenkämpfen. Und „Die kapitalistische Demokratie bei Trotzki und Gramsci“ von Emilio Albamonte und Matías Maiello , eine notwendige Auseinandersetzung mit diesen Kategorien, um die bürgerliche Herrschaft zu schlagen.

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