„Du und dein Chef ham nix gemein, bis auf das Deutschlandtrikot“

17.06.2016, Lesezeit 3 Min.
1

Beim Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft der Männer wurde immer wieder von der nationale Einheit gesprochen. Warum investiert die Bourgeoisie überhaupt so viel Geld in ein sportliches Großereignis?

Zehn Milliarden Euro soll die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer in Brasilien 2014 gekostet haben. Ein Großteil davon landete auf den Konten von Bauunternehmer*innen. Auch die Fifa-Bosse kamen nicht zu kurz. Ganze 1,6 Milliarden Euro machte der Weltfußball-Verband FIFA Gewinn. Mehrere Tausend Familien in Rio de Janeiro wurden vertrieben, um Platz zu schaffen für große Stadien.

Die WM fand statt, obwohl Hunderttausende Jugendliche und Arbeiter*innen im Vorfeld auf die Straße gingen. Diese Proteste drohten den nationalen Frieden zu gefährden. Dennoch ließ sich die herrschende Klasse auf das Abenteuer ein. Natürlich ging es den Kapitalist*innen um hohe Profite – aber nicht nur.

In Frankreich findet die Europameisterschaft trotz einer massiven Streikbewegung statt. Dreitausend Tonnen Müll auf den Straßen von Paris, beständiger Treibstoffmangel an Tankstellen und blockierte Atomkraftwerke – das alles konnte das Spektakel nicht verhindern.

In Deutschland geht es aktuell nur um die Spiele, nicht um Streiks. Überall schießen Fanmeilen wie Pilze aus dem Boden. Deutschlandfahnen werden einem*r fast hinterher geschmissen. Auf Bierdosen und Verpackungen von Grillwürstchen prangen die deutschen Nationalfarben. Die Supermärkte sind voll mit nationalistischer Dekoration – wenig davon wird verkauft. Doch die EM ist im Einzelhandel spürbarer als im Straßenverkehr. Wozu das alles? Reichen die Profite aus, um den nationalistischen Wahn zu erklären? Mitnichten!

Wozu das Ganze?

Die Fabrikant*innen der Bierdosen und Grillwurstverpackungen sind nicht allesamt brennende Patriot*innen. Ansonsten würden ständig die Nationalfarben ihre Produkte prägen. Auch machen sie nicht weniger Gewinn, wären ihre Verpackungen während der Europa- und Weltmeisterschaften nicht schwarz-rot-gelb angemalt. Ihre Kund*innen wählen ja nicht die Waren aus aufgrund der Gestaltung der Verpackung.

Die Kapitalist*innen wittern eine ganz andere Gelegenheit. In all der Feierlaune, im partynationalistischen Freudentaumel verschwimmen die Widersprüche zwischen Bourgeoisie und Proletariat. Im Biergarten wird gemeinsam gefiebert. Endlich können die Chefs gemeinsam mit ihren Arbeiter*innen über die spieltaktischen Entscheidungen des Bundestrainers debattieren, statt über die letzte Gehaltskürzung. Da lässt der Chef schonmal einen Kasten Bier springen, natürlich mit schwarz-rot-gelben Design.

In einem Lied von KIZ heißt es: „Du und Dein Chef ham nix gemein, bis auf das Deutschlandtrikot“. Mit dem Gedanken im Hinterkopf erscheint es wie Hohn, wenn in der ARD darüber spekuliert wird, ob die EM einer multikulturelle Gesellschaft dabei helfen würde, eine nationale Einheit zu erlangen. Angeblich sei ein solches Ereignis eine große Party, bei der alle eingeladen wären. Dabei profitieren davon nicht Migrant*innen, sondern lediglich die Abteilungsleiter*innen und Konzernchefs.

Mehr zum Thema