Die Streiks zusammenführen!

03.04.2015, Lesezeit 5 Min.
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In diesen Tagen finden ungewöhnlich viele Streiks statt – zumindest für deutsche Verhältnisse. Manche Streiks sind Tarifrunden mit folkloristischen Ritualen, bürokratischem Ablauf und vorhersehbarem Ergebnis; mit anderen Streiks versuchen Sektoren der ArbeiterInnenklasse, die zunehmende Prekarisierung der Arbeitsbedingungen zurückzuschlagen.

Viele Streiks gleichzeitig

Der März war geprägt vom Arbeitskampf im Öffentlichen Dienst der Länder: Bis zu 100.000 Menschen haben sich an Warnstreiks beteiligt. In ihrer Tarifrunde forderten sie 5,5 Prozent mehr Lohn, aber mindestens 175 Euro mehr pro Monat – heraus kam leider weniger als die Hälfte.

Zum Öffentlichen Dienst gehören auch die angestellten LehrerInnen, die keine tarifliche Entgeltordnung haben, d.h. die Länder können sie nach Belieben von einer Entgeltgruppe in eine andere schieben und damit ihre Bezahlung einseitig diktieren. Diese Forderung wurde von den Ländern abgeschmettert. Damit schwebt die Forderung nach „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“ – d.h. die Gleichstellung angestellter LehrerInnen mit ihren verbeamteten KollegInnen – weiter in der Luft. Manche kämpferischen LehrerInnen an der Basis wollen deshalb weiter streiken.

Zudem beginnen auch bundesweit die Streiks der ErzieherInnen, die bis zu 10 Prozent mehr Lohn für diesen „typisch weiblichen“ – und miserabel bezahlten – Beruf fordern. Zehntausende Beschäftigte sind bereits auf die Straße gegangen – eine harte Auseinandersetzung zeichnet sich ab.

Beim Onlinehändler Amazon gehen die Streiks ins dritte Jahr. Trotz schwieriger Bedingungen wird hier der dynamischste Arbeitskampf im heutigen Deutschland geführt. Gleichzeitig zeichnen sich Streiks bei der Post ab: Der ehemalige Staatskonzern muss immer mehr Pakete liefern und setzt dazu auf Niedriglöhne, Ausgliederung von Unternehmensteilen und die Aushöhlung des Tarifvertrags.

Ein massiver Angriff

Parallel finden auch Streiks bei der Deutschen Bahn und bei der Lufthansa statt. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) fordert einen Tarifvertrag fürs gesamte Bordpersonal, Lohnerhöhungen und eine Begrenzung der Überstunden. Die Vereinigung Cockpit (VC) wehrt sich gegen Kürzungen der Frührente.

Gegen diese beiden Streiks von Spartengewerkschaften wird eine massive mediale Hetze aufgebaut. Die Große Koalition nutzt diese Streiks als Vorwand, um das – ohnehin stark eingeschränkte – Streikrecht in Deutschland anzugreifen. Das würde jedoch nicht nur Spartengewerkschaften treffen, sondern alle ArbeiterInnen, die sich gegen ihre Ausbeutung zu Wehr setzen wollen. Deswegen muss sich die gesamte ArbeiterInnenbewegung gegen dieses Gesetz zur „Tarifeinheit“ wehren.

Denn dieser Angriff ist Teil der Strategie des deutschen Kapitals, um ein „ruhiges Hinterland“ zu behalten, während es seinen Einfluss im Ausland ausdehnt.

Zusammen streiken!

Die meisten aktuellen Kämpfe sind defensiver Natur, aber alle beinhalten Möglichkeiten des Übergangs zur Offensive. Wie können die Streikenden der verschiedenen Sektoren ihre Forderungen durchsetzen? Die verschiedenen Kämpfe – die ohnehin gleichzeitig stattfinden – können zusammen geführt werden. Um nur ein paar Beispiele zu nennen:

• Die Amazon-KollegInnen können ihre Streiktage so legen, dass sie gemeinsam mit den ErzieherInnen auf die Straße gehen. Denn Kinderbetreuung mit ausreichendem und gut bezahltem Personal ist eine Frage für alle ArbeiterInnen.

• Die nächste Tarifrunde im Einzelhandel, die in der zweiten Jahreshälfte losgehen soll, kann zusammen mit den Streiks bei Amazon geführt werden. Denn auch bei Amazon geht es um den Tarifvertrag des Einzel- und Versandhandels.

• Die angestellten LehrerInnen können gemeinsam mit den ErzieherInnen streiken, im Sinne eines tatsächlichen Streiks durch das gesamte Bildungssystem. Und dazu kann man auch auf die solidarische Mobilisierung der SchülerInnen setzen.

In einem gemeinsamen Streik kommt es schnell zu Austausch, zu Diskussionen, zu Ansätzen von Selbstorganisierung. Wenn ArbeiterInnen an der Basis merken, dass sie gemeinsam mit Tausenden streiken, sind sie weniger bereit, faule Kompromisse zu akzeptieren. Und wenn sie Erfahrungen damit machen, ihre Kämpfe selbst zu organisieren, fragen sie sich, warum sie den Anweisungen der selbsternannten und gutbezahlten „ExpertInnen“ der Gewerkschaftsbürokratie folgen sollten.

Diese Bürokratie setzt eher auf Zugeständnisse an das Kapital, um ihre eigenen Privilegien als „VermittlerInnen“ zwischen Kapital und Arbeit zu behalten. Deswegen brauchen wir eine klassenkämpferische Bewegung an der Basis der Gewerkschaften, die von der Bürokratie unabhängig bleibt.

Was tun?

KollegInnen aus den verschiedenen Sektoren können sich vernetzen und austauschen. Sie können ihre Gewerkschaften auffordern, die Streiks zusammenzuführen. Wir von RIO versuchen, erste Erfahrungen in diese Richtung zu begleiten. Wir sind der Meinung, dass wir perspektivisch ein großes Treffen von allen kämpferischen ArbeiterInnen brauchen, um zu diskutieren, wie wir der Prekarisierung ein Ende setzen können.

Dafür brauchen wir eine große Front der ArbeiterInnenklasse gegen das Kapital. Denn „Klasse Gegen Klasse“ bedeutet, so hat Leo Trotzki es schon mal erklärt: „alle Organisationen des Proletariats müssen ihren Platz in der Einheitsfront gegen die Bourgeoisie einnehmen.“

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