Die Spannungen zwischen den USA und Deutschland nehmen zu

23.09.2016, Lesezeit 6 Min.
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Der wirtschaftliche und finanzielle Krieg zwischen den USA und Deutschland wird immer intensiver. Anders als die sichtbareren Auseinandersetzungen wird dieser aber häufig ignoriert. Steht der Todesstoß für die schwächelnde internationale Zusammenarbeit in der Krise bevor?

Der bedeutendsten Bank der deutschen Finanzwelt, der Deutsche Bank, droht eine brutale Strafe der US-amerikanischen Justiz. Am vergangenen Freitag veröffentlichte das Wall Street Journal die astronomische Summe von 14 Milliarden Dollar, zu der das Justizministerium die Frankfurter Bank verurteilen will, die sich selbst als „eine der größten Universalbanken der Welt“ bezeichnet.

Ihr wird unterstellt, ihre Investor*innen vor der Krise bei strukturierten Produkten, die durch Hypotheken abgesichert wurden, betrogen zu haben. Ihr wird also vorgeworfen, sich „veramerikanisiert“ zu haben, da alle ihre nordamerikanischen Kolleg*innen eben diese Praxis vor der berühmten „Subprime“-Krise pflegten.

Die Deutsche Bank hatte damals riesige Gewinne durch die Spekulation und andere zweifelhafte Praktiken am US-amerikanischen Immobilienmarkt erzielt. JP Morgan Chase einigte sich auf eine Strafzahlung von 13 Milliarden Dollar, um dem Rechtsstreit zu entgehen, die Citigroup zahlte sieben Milliarden Dollar in einem ähnlichen Fall und die Bank of America musst die Rekordsumme von 16,65 Milliarden Dollar zahlen.

Doch im Gegensatz zu diesen Fällen hat es die US-amerikanische Justiz jetzt auf eine europäische Bank abgesehen. Schon gegenüber einem anderen deutschen Konzern hatten die USA hohe Strafforderungen erhoben. Volkswagen wurde zu einer Strafzahlung von 15 Milliarden US-Dollar im „Dieselgate“ verurteilt. Doch die Rechnung für die schon wirtschaftlich angeschlagene Deutsche Bank könnte sich noch erhöhen, da sie auch in andere Strafverfahren verwickelt ist (wie der Fall der Geldwäsche in Russland, der ebenfalls von der US-Justiz verfolgt wird).

Es überrascht deshalb nicht, dass der IWF in seiner Sitzung vom 30. Juni die Deutsche Bank als gefährlichste Systembank der Welt bezeichnete. Damit liege sie noch vor der HSBC und Credit Suisse, weil sie sehr von anderen Unternehmen abhängt und nach zehn Jahren an der Börse starken Schwankungen unterliegt.

„Corporate America“ unterstützt vereint Apple gegen die Europäische Kommission

Die Europäische Kommission löste in diesem Monat einen transatlantischen Konflikt aus, indem sie Dublin dazu aufforderte, 13 Milliarden Euro entgangener Steuern von Apple einzutreiben. Diese Summe war im Zeitraum von 2003 bis 2014 durch illegale staatliche Hilfen und von Irland gewährte Steuervorteile verloren gegangen. Die mächtigsten CEOs US-amerikanischer Unternehmen haben sich nun im Steuerstreit mit der Europäischen Union hinter Apple gestellt. Eine Gruppe von 185 Firmenchefs fordert von den Regierungen der 28 EU-Mitgliedsstaaten, die Kommission aufzuhalten.

Der Aufruf an die Landesregierungen zur Intervention, wie er im Brief des Business Roundtable ausgedrückt wird, ist ein Höhepunkt der Angriffe der USA auf die Europäische Kommission. Deren Entscheidung hatte Apple-Chef Tim Cook als „politischen Müll“ bezeichnet.

Unter „besonderen Umständen“ haben die Mitgliedsstaaten der EU die Möglichkeit, Entscheidungen der Kommission über illegale staatliche Hilfen zu annullieren. Bisher wurde dieses Recht noch nie angewandt. Im Fall Apple ist es sehr unwahrscheinlich, dass es dazu kommt, weil dazu die Einstimmigkeit der 28 Mitgliedsstaaten benötigt wird. Doch viele Länder der EU unterstützen die Entscheidung: Der französische Finanzminister Michel Sapin bezeichnete sie als „vollkommen gerechtfertigt“.

Das vergiftete politische Klima verschärft den transatlantischen Konflikt

Schon in der Ukraine-Krise war eine Verschlechterung der politischen und geopolitischen Grundlagen der sogenannten Globalisierung zu beobachten. Diese Tendenz beeinträchtigt das wirtschaftliche Klima und wird im Falle eines erneuten Ausbruchs der weltweiten Krise, welcher eher früher als später wahrscheinlich ist, möglicherweise einen geringen Spielraum zur internationalen Koordinierung lassen.

Besonders das ungewisse Szenario der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen besorgt die Geschäftswelt auf beiden Seiten des Atlantiks. Es ist wahrscheinlich, dass das US-Justizministerium nicht auf die volle Summe der Strafzahlung gegenüber der Deutschen Bank abzielt. Doch die Verhandlungen kommen zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Beide Kandidat*innen, besonders die Demokratin Hillary Clinton, werden einer zu engen Verbindung mit der Wall Street beschuldigt, was den Vorfall auf die politische Ebene heben könnte. Die Deutsche Bank ist eine der größten Spekulantinnen des Hypothekenmarktes der USA, deren Zusammenbruch Millionen US-Amerikaner*innen auf die Straße gesetzt hat.

In diesem komplexen Kontext schlug die Brutalität der nordamerikanischen Justiz nicht nur auf wirtschaftlicher sondern auch auf politischer Ebene in Europa hohe Wellen. Während die US-Behörden hart gegen die Banken vorgehen, die zur Immobilienkrise beitrugen, hat die Europäische Kommission weder die Mittel noch die Rechte für eine solche Untersuchung über die europäische Schuldenkrise, in der US-amerikanische Investmentbanken wie Goldman Sachs eine bevorzugte Rolle spielten.

Wirtschaftlich betrachtet ist die Situation der europäischen Banken, besonders der Deutschen Bank, kritisch. Im Rahmen einer Krise ihres wirtschaftlichen Modells, die sich in der Veränderung der Finanzmärkte wie im Falle der Negativzinsen ausdrückt, befinden sich die europäischen Banken in einer schwierigen Übergangsphase. Deren jüngster Schlag waren die panischen Aktienverkäufe der französischen Bank BNP Paribas, der Deutschen Bank und anderer Banken, wie der SchweizerUBS Anfang des Jahres.

Besonders die Deutsche Bank hat in der Vergangenheit Risiken übernommen, die kein Vertrauen erzeugen. Alle zwei Monate gehen Gerüchte um, dass die Bank zusammenbreche. Ein Finanzanalyst drückte sich so aus: „Das Gespenst ‚Deutsche Bank‘ geht um. Sie ist das beliebteste Opfer, das die Finanzmärkte als ein riesiges Kartenhaus betrachten… wenn sich die Strafe von 14 Milliarden Dollar bestätigt, was ich nicht glaube, würde das eine enorme Instabilität an den Märkten zur Folge haben, bis die Deutsche Bank einen Weg findet, um ihre Finanzierung zu gewährleisten“.

Die US-Behörden ignorieren all diese Tatsachen nicht. Auch wenn wir nicht an Verschwörungstheorien glauben, denen bestimmte Gruppen der souveränistischen Linken oder der extremen Rechten des Alten Kontinents anhängen, ist es offensichtlich, dass die Härte der US-Justiz nach nur zwei Wochen die direkte Antwort auf den Apple-Fall ist. Das „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ auf beiden Seiten des Kontinents ist Ausdruck des Sprungs im wirtschaftlichen und finanziellen Kriegs zwischen den USA und Deutschland. Das verspricht nichts Gutes für die internationalen Bourgeoisien, die angesichts der möglichen Verschärfung der weltweiten Krise eine Koordinierung benötigen, nachdem der G-20-Gipfel in China ohne Ergebnisse endete. Es beginnen definitiv wirtschaftlich, politisch und geopolitisch neue turbulente Zeiten, die Raum für den Klassenkampf eröffnen werden.

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