Die Komische Oper wurde nicht für Sie gebaut, Herr Steinmeier!

25.12.2022, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Mo Photography Berlin / shutterstock.com

75 Jahre Komische Oper Berlin. Ein Musiktheater, errichtet aus den Trümmern des Kriegs, von Ausgebombten, Vertriebenen und Geflüchteten.

Nur knapp 2 Jahre nach Kriegsende eröffnete die Komische Oper inmitten der Trümmer Berlins. Aufgebaut von zumeist Freiwilligen, in einer völlig zerbombten Stadt. Auf Druck des Sowjetischen Kultusministeriums wurde schnell ein Ort geschaffen, an dem Kriegsflüchtlinge, Vertriebene, Ausgebombten und Arbeiter:innen  zusammenfinden konnten. Ein gemeinsamer Ort für Musik, Komik, Leichtigkeit und Kultur, den sie für sich selbst errichteten.

Dies fand auch Erwähnung bei der Rede des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD), der bei der Jubiläumsgala in der Oper sprach. Besonders zynisch, da er eine Regierung vertritt, die Geflüchteten im Mittelmeer elendig ertrinken lässt, die keinen Platz für Vertriebene bietet und den höchsten Militäretat seit dem Zweiten Weltkrieg beschlossen hat.

Anscheinend völlig vertretbar, solange die Bomben nicht hier fallen.

75 Jahre Komische Oper – Gebaut von uns

Inmitten des zerstörten Berlins stand 1945 nur noch der Zuschauerraum des Metropol-Theaters. Die weltberühmte Bühne von unter anderem Fritzi Massary und die umliegenden Häuser lagen fast komplett im Ruin. Inmitten der Zerstörung schufteten Tausende in den Trümmern der Stadt, die durch den Zweiten Weltkrieg weitestgehend zerbombt wurde. Sie bauten Häuser wieder auf, befreiten Straßen von Schutt und legten den Grundstein des modernen Berlins.

Am 23. Dezember 1947, also nur zwei Jahre nach Kriegsende, öffnete die Komische Oper mit der Operette “Die Fledermaus” ihre Pforten. Unter der Leitung Walter Felsensteins, der die Oper unter dem Motto “Kunst ohne Konvention, Vorurteile und Künstlereitelkeiten” leitete. Zum Beispiel wurden, sehr untypisch für die damalige Zeit, alle Stücke in deutscher Sprache aufgeführt und es gab allgemein Anstrengungen, um Kunst für die breite Masse statt für Eliten zu schaffen.

Die Verbindung von Theater und Oper schuf das nahbare Musiktheater, das sich immer wieder durch den Bruch gängiger Konventionen mit Witz, Leichtigkeit und Weltoffenheit auszeichnete. Bis heute spiegelt sich diese Tradition auch im sehr gemischten Publikum wider, das ohne „Dresscode“ und in stark gemischten Alter in die Oper strömt.

Gala als Bühne der Regierung

Auch bei der Gala zum 75. Geburtstag der Komischen Oper, war diese Vielfalt auf der Bühne und im Publikum zu erkennen. Zum Glück nahm die Prominenz auf der Bühne aber deutlich mehr vom Abend ein, als die drumherum. Vom Orchester begleitet, spielten die Stars der heutigen Komischen Oper Szenen aus alten und neuen Stücken nach. Auch der Kinderchor sowie die einzigartigen Chor-Solisten leisten einen großen Teil des Abends. Im gezeigten Film, der zwischen den Auftritten historischen Kontext zur Komischen Oper gegeben hat, wurde die historische Rolle der Oper immer wieder klargemacht. Auch die Arbeitenden hinter den Kulissen wurden mehrfach hervorgehoben und fanden ihren Platz in den zahlreichen Interviews des Films.

Doch der Abend hatte auch einen fahlen Beigeschmack. Neben der bereits erwähnten Auftaktrede von Steinmeier kam bei der Feier danach auch Klaus Lederer (DIE LINKE) zu Wort. Beide hoben das weltoffene Publikum der Oper immer wieder positiv hervor, dass zum Beispiel durch Spenden nach jeder Vorstellung, große Summen für Organisationen für Geflüchtete gesammelt hat. Spenden für Aufgaben und Hilfen, die allerdings von der Regierung und nicht von uns übernommen werden müssten. In einem humanen System, das nicht auf Ausbeutung und Unterdrückung basiert, bräuchte es keine NGO`s, weil dies eine zentrale Aufgabe des Staates wäre. Doch die Regierung bedankt sich natürlich fleißig bei uns, da sie selbst viel lieber Finanzierungen in die Unternehmen und Kriegsindustrie pumpt, wie das dieses Jahr verabschiedete Sondervermögen.

Wie zynisch ist es nun, auf der Gala von der traurigen Entstehungsgeschichte der Oper zu erzählen, wenn man selbst in einer Partei ist, die auf Bundesebene eine ungeheure Summe in die Kriegsindustrie pumpt? Eine Kriegsindustrie, die auf der Welt nur neue Trümmerstädte erschaffen wird. Wie zynisch zu erwähnen, dass die Oper ein Ort für Geflüchtete war und ist, wenn man gleichzeitig die Festung Europa am Leben erhält?

Auch Klaus Lederer und die Berliner Landesregierung sollten uns keine Märchen erzählen. Wenn man von Berlin als die weltoffene Stadt spricht, die zugleich eines der Bundesländer mit der höchsten Abschiebequote ist. Berlin, das bis heute nicht genug Schulplätze für Geflüchtete zur Verfügung stellt, weshalb unter anderem die Berliner Lehrer:innen zusammen mit der GEW immer wieder streiken.

Von der allgemeinen Wohnungssituation und dem Verrat der RRG-Regierung an Deutsche Wohnen und Co. Enteignen ganz zu schweigen.

Das ist unser Haus!

Nicht nur die Oper bereitet sich durch ihre Renovierung nächstes Jahr auf einen Umbruch vor. Die Partei die LINKE steht mit der Wahlwiederholung in Berlin mitten im Wahlkampf. Auch die Bundesregierung unterzieht die BRD einer Zeitenwende, mit noch weniger Kampf gegen den Klimawandel, aber dafür umso mehr Kampfgerät für die Bundeswehr.

Frank Walter Steinmeier scherzte während der Gala, dass er wohl die neu renovierte Oper nicht mehr selbst miterleben würde. Ich wünsche mir auch nicht, dass er in die Oper zurückkehrt. Aber ich wünsche mir ganz innig, dass er selbst noch seine eigene Absetzung, die Übernahme der Regierung durch die Arbeiter:innen und die sozialistische Weltrevolution miterlebt. Mal sehen, was er dann für Reden hält.

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