[Video] Die Jugend mobilisiert gegen die SiKo

16.02.2016, Lesezeit 8 Min.
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Am vergangenen Wochenende fand die 52. Münchner Sicherheitskonferenz (SiKo) statt. Ihre Ergebnisse waren nicht überraschend. Die Gegenproteste waren aber ein erster Praxistest für Unterstützer*innen des bundesweiten „Jugend gegen Rassismus“-Bündnisses. Zeit für eine Diskussion, wie über abstrakte Appelle hinaus eine anti-imperialistische und anti-rassistische Jugendbewegung aufgebaut werden kann.

Wie jedes Jahr fand die Sicherheitskonferenz im Hotel Bayerischer Hof statt. Auf dem Tablett der Großmächte standen diesmal vor allem: Syrien, der Islamische Staat (IS), Ukraine und die Geflüchtetenfrage. Der Ukrainekrieg ist eingefroren, aber ungelöst. An die „Syrien-Kontaktgruppe“ für eine Feuerpause glaubte niemand: In Syrien wird es keinen Frieden geben, die Bedingungen divergierender Interessen und der IS machen das unmöglich. Der IS kann indes militärisch nicht besiegt werden, da er selbst Produkt imperialistischer Intervention im Nahen Osten ist. Zudem wird sein Unterstützer Recep Tayyip Erdogan für die Abwehr von Geflüchteten von Kanzlerin Merkel nun gut bezahlt.

Am stärksten waren die Spannungen zwischen den USA und Russland sichtbar, die in Syrien einen Stellvertreter*innenkrieg führen. Doch auch die innerwestlichen, inter-imperialistischen Spannungen treten in der aktuellen Phase der Krise deutlicher hervor: Es gibt in der NATO keine Einigkeit über eine Syrienstrategie. Die Geflüchtetenfrage wird sich mit dem Syrienkrieg weiter verschärfen, das innereuropäisch umkämpfte Grenzregime zeigt die reaktionäre Utopie eines „einigen“ Europas unter kapitalistischem Vorzeichen auf. Frankreich und andere Staaten widersprechen der deutschen Lösung. Merkel ist international zunehmend isoliert.

Während die Imperialismen und Russland ihre Perspektiven öffentlich machten, nämlich weiteren Krieg und Staatsterror, flankiert mit Abschiebungen, protestierten draußen auf der Straße bis zu 4.000 Menschen gegen „Krieg, Flucht, Armut“. An der Demonstration gegen die „NATO-Kriegstagung“ nahmen bis zu 3.000 Teilnehmer*innen teil, eine deutlich kleinere Menschenkette führte durch die Innenstadt.

Antirassistische Jugend zusammen mit kämpfenden Geflüchteten

Angesichts der aktuellen Verschärfungen imperialistischer Angriffe und besonders der deutschen Kriegsbeteiligung in Syrien sowie der Geflüchtetenfrage hatte die Demo mit der stark verkürzten Route eine insgesamt viel zu niedrige Teilnehmer*innenzahl. Sie war aber gleichzeitig auch eine Bühne für kommende Kämpfe: So liefen 100 Menschen im „Jugend gegen Krieg und Rassismus“-Block gegen imperialistische Kriegseinsätze und für das Bleiberecht aller Geflüchteten. Dabei waren Sympathisierende der Solidarity Party Afghanistan und geflüchtete Genoss*innen von The Voice. Aus Deutschland und Österreich mobilisierten RIO und die Gruppe Arbeitermacht (GAM) sowie die Revolutionär-kommunistische Jugend (RKJ) und Revolution in den Block. Aus München waren Waffen der Kritik (Unabhängige und RIO) sowie die Alternative Liste (ALi) der Hochschule für Politik am Start.

Jugend gegen Krieg, Rassismus und Ausbeutung auf der Siko!

Gegen Krieg, Rassismus und Ausbeutung gingen wir am Wochenende in München auf die Straße. Wir demonstrierten gegen die Kriegstreiber*innen der Sicherheitskonferenz und mobilisierten für Jugend gegen Rassismus. Mit Waffen der Kritik München, Revolutionär-kommunistische Jugend – RKJ, Revolution – internationale kommunistische Jugendorganisation, Gruppe Arbeitermacht, sympathisierende Sektion der Solidarity Party Afghanistan, The Voice Refugee Forum, ALi – Alternative Liste an der HfP

Posted byKlasse Gegen Klasseon Monday, February 15, 2016

Inhaltliches Ziel des Blocks war es, eine anti-imperialistische Politik gegen die Kriegseinsätze mit einem antirassistischen Jugendkampf für das Bleiberecht aller Geflüchteten zu verbinden. Bereits am Vortag fand im Münchner Kurt-Eisner-Verein eine inhaltliche Veranstaltung unter dem Titel „Gegen den Krieg heißt für Geflüchtete“ statt. Dort wurden in Workshops die aktuellen Antifa-Kämpfe gegen Pegida und ihre Strategie, die Kurdistan-Solidarität und das neue bundesweite Bündnis „Jugend gegen Rassismus“ für einen Schul- und Unistreik im April diskutiert, an das sich der SiKo-Block namentlich anlehnte.

„Jugend gegen Krieg und Rassismus“ lief als Teil des Internationalistischen Blocks (mit dem Antikapitalistischen Block verschmolzen) mit insgesamt etwa 350 Genoss*innen. Angriffe der Polizei auf den Internationalistischen Block konnten dank fester Reihen sehr gut abgewehrt werden. Dennoch zeigte die bayrische Polizei wieder ihre Härte: Es gab zwei Ingewahrsamnahmen von Genoss*innen aus der Gruppe Revolution wegen angeblicher „Vermummung“. Andere Demoteilnehmer*innen wurden durch die erneute Klassifizierung von Fahnen als „Knüppelfahnen“ kriminalisiert. Gegen diese billigen Vorwände zur Schikane erklären wir uns unbedingt solidarisch.

Mit einer inhaltlichen Linie gegen den deutschen Imperialismus, für die Kämpfe der Arbeiter*innenklasse und der Unterdrückten sowie mit seinem organisierten, kämpferischen Auftritt setzte der ganze Block einen Kontrapunkt zur routinistischen, konservativen Führung der SiKo-Demo.

Konservatismus der Linken

Das andere Gesicht der SiKo-Proteste sind nationalistische Antworten auf Krieg und Krise: Einmal die Rechtsaußen-Frontfrau Kathrin Oertel, früher Pegida und jetzt Endgame, die mitsamt ihren braunen Begleiter*innen vom Internationalistisch-Antikapitalistischen Block abgedrängt wurde. Daneben tummeln sich auf den Kundgebungen aber noch kleinbürgerliche Verschwörungstheoretiker*innen, Putin- und Assad-Supporter*innen, vermengt mit einer chauvinistischen Suppe aus Montagsmahnwächter*innen und Friedenswinter*innen. Es waren noch mehr dieser Gestalten als in den Vorjahren.

Schuld daran ist zuerst die fehlende linke Antwort auf die europaweite Krise, die auch Pegida hervorbrachte – linker Souveränismus statt Klassenkampf. Schuld ist speziell in München die ex-stalinistische Führung des SiKo-Bündnisses: Sie verweigert seit Jahren eine Klassenlinie und setzt stattdessen auf Diplomatie mit bürgerlich-pazifistischen, nationalistischen, anti-US-amerikanischen und kirchlichen Teilen. So sprach der bürgerliche Pazifist Reiner Braun auf der Auftaktkundgebung den Putin-Freund*innen der Reformlinken aus der Seele: „Freundschaft mit Russland ist die Voraussetzung für Frieden in Europa und kooperative Beziehungen in der Welt!“

Anders als Putin spielen kämpfende Geflüchtete und Arbeiter*innen im Bündnis um Claus Schreer keine besondere Rolle, die Rhetorik bleibt appellativ ans Regime und klassenversöhnend, die imperialistischen Raubtiere mögen sich doch bitte mäßigen. Über die Wortklauberei, bei der „Sicherheitskonferenz“ gehe es ja gar nicht um „Sicherheit“, sondern um Krieg, die jedes Jahr vorgetragen wird, kommt die offizielle Bündnisposition wieder nicht hinaus.

Dabei geht es sehr wohl um Sicherheit: Es geht um die Sicherheiten widerstreitender Kapitalblöcke wie in Syrien. Es geht um die Sicherheiten der Kapitalist*innen in Europa angesichts der Geflüchtetenfrage und der von ihnen bestochenen chauvinistischen Bürokratien der Gewerkschaften, die eine Massenmobilisierung gegen Prekarisierung und Abschiebung verweigern. Es geht letztlich um ihre Sicherheit vor uns – vor der Arbeiter*innenklasse und den Unterdrückten. Uns muss es in der Jugend um eine Verbindung mit den Geflüchteten-Kämpfen gehen und um eine Unterstützung der Streik-Bewegung wie bei Amazon.

Der SDAJ-geführte „Jugendblock“ mobilisierte mit etwa 300 Teilnehmer*innen quantitativ solide, sein „Antikapitalismus“ bleibt jedoch im Abstrakten stecken: Was soll die Jugend machen, wenn sie gegen Kapitalismus ist? Ihre einzige Antwort ist in der Praxis bisher: sich in bürokratische Apparate einnisten und dort auf bessere Zeiten warten. Die reaktionäre Welle, die mit Abschiebegesetzen und rechtem Terror über Deutschland hineingebrochen ist, erlaubt aber keine solchen konservativen Antworten. Wir hoffen deshalb, dass nun Gruppen wie die SDAJ und linke Teile der Gewerkschaftsjugenden bundesweit an einer Jugend-Mobilisierung gegen Krieg und Rassismus in Schulen und Unis mitmachen und ihre zahlreichen Gewerkschaftsposten für eine Mobilisierung der Arbeiter*innenklasse einsetzen.

Kampfperspektive Schul- und Unistreik im April

Zur Abschlusskundgebung am Marienplatz riefen wir zur Teilnahme am bundesweiten Bündnis „Jugend gegen Rassismus“ für einen Schul- und Unistreik am 28. April auf. Mit folgenden Forderungen ruft das Bündnis zur bundesweiten Aktionskonferenz in Berlin am 20./21. Februar auf:

  • Ermöglichung gesellschaftlicher Teilhabe, volle Staatsbürger*innenrechte für Alle.
  • Nein zur Festung Europa! Nein zu Grenzkontrollen, Residenzpflicht, Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen. Volle Bewegungsfreiheit für alle!
  • Für das Recht auf Arbeit und die gewerkschaftliche Organisierung aller Geflüchteten, keine Kompromisse bei Mindestlohn und Sozialleistungen!
  • Für freie Bildung, Anerkennung aller akademischen Qualifikationen und den vollwertigen Zugang zu Unis und FHs, Schulen und Ausbildungsbetrieben. Für kostenfreie Deutschkurse und weitere Bildungsangebote für Geflüchtete.
  • Nein zu dem menschenunwürdigen Lagersystem! Enteignung leerstehenden Wohnraums und Nutzbarmachung öffentlicher Immobilien zur dezentralen und selbstverwalteten Unterbringung von Geflüchteten und für massiven Ausbau des sozialen Wohnungsbaus statt Privatisierung!
  • Sofortige Beendigung aller Kriegseinsätze wie in Mali, Syrien, Afghanistan, Irak, Kosovo, dem Mittelmeer und vor dem Horn von Afrika! Schluss mit den deutschen Rüstungsexporten und der deutschen Aufrüstung!
  • Gegen Polizeigewalt, rassistische und faschistische Angriffe! Organisieren wir eine Selbstverteidigung und zeigen wir Solidarität mit Betroffenen!
  • Gegen das Morden im Mittelmeer und die Abschottungspolitik der EU!

Wir unterstützen diese Forderungen und werden in Berlin und München unsere Kräfte einsetzen, um sie in Schul- und Unistrukturen zu tragen.

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