Die Grünen verkaufen ihre Klimaziele

10.11.2017, Lesezeit 5 Min.
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Die Sondierungsgespräche nehmen weiter konkrete Form an. Diese Woche haben die Grünen verkündet, auf einige ihrer grundlegenden Klimaziele zu verzichten. Auch in der Geflüchtetenpolitik scheinen sich die Parteien weiter anzunähern. Die Grünen verkaufen sich immer weiter.

„Heute grün, morgen gelb und übermorgen schwarz.“ So vergleicht Marc-Uwe Kling in seinem Song „Zug der Opportunisten“ den Weg grüner „Blumenkinder“ mit dem Weg der Bananen. Der Song ist von 2008. Schon damals hatten die Grünen gemeinsam mit der SPD längst die Agenda 2010 verabschiedet und Kriegseinsätzen in Afghanistan und im Kosovo zugestimmt. Man mag darüber streiten, ob sie damals schon gelb waren. Heute sind sie definitiv endgültig verfault schwarz.

Anders kann man wohl die Zugeständnisse der Grünen in den jetzigen Sondierungsgesprächen nicht beschreiben. Vor zwei Wochen tönten Özdemir und Co. noch, dass der Ausstieg für Verbrennungsmotoren bis 2030 eine Vorraussetzung für Koalitionsverhandlungen sei. Diese Woche reicht der Parteispitze „ein klares Bekenntnis, dass wir alles dafür tun, um die Fahrzeuge der Zukunft – vernetzt, automatisiert und emissionsfrei – zu bekommen“. Letztlich eine Absichtserklärung, die politisch noch viel weniger bindend ist als es ein klares Enddatum schon wäre.

Damit geben die Grünen dem Druck von Union und FDP nach. Angela Merkel hatte noch vor den Bundestagswahlen ein klares Bekenntnis zum Verbrennungsmotor abgegeben und jeglichem Enddatum eine Absage erteilt. Tatsächlich wird der Verbrennungsmotor jährlich in Höhe von mehreren Zehn Millionen Euro gefördert. Auch die FDP ist gegen ein Ausstieg bis 2030. Das in erster Linie aufgrund der notwendigen, zusätzlichen staatlichen Subventionen, denen die FDP sowieso ablehnend gegenübersteht, da es für ihr kleinbürgerliches Klientel größere steuerliche Belastungen bedeuten könnte. Die FDP vertritt danach nur konsequenter ihr Klientel, als die Grünen ihre politischen Ziele.

Von der Umweltpartei in die Regierung

Vorneweg: Die Grünen sind schon 1998 in eine Regierung mit der SPD eingetreten und haben sieben Jahre lang unter Gerhard Schröder ihre Arbeiter*innenfeindlichkeit und ihren Militarismus unter Beweis gestellt. Dennoch kanalisierten sie über Jahrzehnte größtenteils kleinbürgerlich geprägte Proteste, insbesondere gegen den Betrieb von Kernkraftwerken. Nicht umsonst wurde unter Rot-Grün erstmalig ein Atomausstieg verhandelt. Besonders im Zuge dieser Bewegung hatten die Grünen eine Basis, die weit ins linksautonome Spektrum hineinreichte. Dieser Charakter wird bis heute von einigen Linken immer noch genutzt, um die Grünen als progressive Alternative zu bezeichnen. Und tatsächlich war ein letzter Ausdruck dessen die Wahl Winfried Kretschmanns zum Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg 2011 nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima.

Doch spätestens seit dieser Katastrophe ist der Atomausstieg in Deutschland längst Konsens unter allen etablierten Partei, die AfD mal ausgenommen.

Eine Partei für die Bourgeoisie

Die Politik der Grünen war selbst aber nie antikapitalistisch. Nicht die Enteignung von Energiekonzernen, nicht die Selbstwaltung des Übergangs zu erneuerbaren Technologien unter Arbeiter*innenkontrolle standen auf der Agenda. Ganz im Gegenteil verhandelten auch die Grünen zahlreiche Kompromisse mit den Energieriesen, damit diese ihre Profite nicht gefährdet sehen. Auch die Förderung von erneuerbaren Energien lassen sich die Energiekonzerne durch massive Subventionen versüßen. Nicht die Konzerne selbst wurden in Frage gestellt, sondern lediglich eine Technologie aufgrund des massiven Drucks in Deutschland durch die Bewegung auf den Straßen. Die Endlagerfrage in Gorleben ist bis heute nicht geklärt, radioaktive Transporte laufen weiterhin durch Deutschland.

Der jetzige Kompromiss der Grünen in der Frage des Verbrennungsmotors ist damit nur ein Ausdruck der Klassenpolitik der Grünen im Sinne eines Teils des deutschen Kapitals. Vielmehr vertreten die Grünen, im Grunde genauso wie die Union, eine Lösung auf EU-Ebene, um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen nicht zu gefährden. Der Widerstand von Union und FDP ist ein Zeichen dafür, dass das deutsche Kapital nicht gewillt ist, die Vorreiterrolle in Europa zu spielen und den Verbrennungsmotor aufzugeben. Auch waren die Grünen mit diesem Verstoß die erste Partei in den Sondierungsgesprächen, die solche Zugeständnisse gemacht hat.

Parteichef Özdemir fordert nun auch Zugeständnisse von den anderen Parteien, beispielsweise in der Geflüchtetenfrage. Doch was hier von den Grünen zu erwarten ist, lässt sich am besten durch die letzten Jahre belegen. Dutzende Asylrechtsverschärfungen und Kriegseinsätze, denen die Grünen quasi immer zugestimmt haben. Abschiebungen scheinen daher kein Problem, nur „fairer“ sollen sie laufen. Der Kurs der Grünen geht damit immer weiter in Richtung Koalitionsverhandlungen, womit hoffentlich auch die letzten linken Überbleibsel an der Parteibasis einsehen mögen, dass mit den Grünen keine Alternative zur umweltzerstörerischen und rassistischen Politik des deutschen Staates zu machen ist.

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