Die FAZ hetzt gegen Lohngleichheit

12.10.2016, Lesezeit 3 Min.
1

Ganz ihrer Ausrichtung als Sprachrohr des konservativen Großkapitals gemäß hetzt die FAZ gegen Lohngleichheit. Das von der Großen Koalition beschlossene Gesetz sei ein Angriff auf die „Freiheit der Bürger“.

Man könnte Reinhard Müller seine Ehrlichkeit zugute halten. Schließlich gehört es zum guten Ton des bürgerlichen Journalismus, die Wahrheit auf den Kopf zu stellen. Denn sein kürzlich erschienener Leitartikel „Die Freiheit der Bürger“ reiht sich ganz offen in diese journalistische Tradition ein. Das Ziel: Die Verteidigung der Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen im Interesse der Kapitalist*innen

So beginnt der Artikel mit einer glatten Lüge: „Schon jetzt werden Männer und Frauen weitgehend gleich bezahlt. Ungleichheit hat verschiedene Gründe. Doch das interessiert die alles plattmachende Koalitionswalze nicht.“ Tatsächlich muss Müller gleich im darauffolgenden Absatz zugeben, dass Frauen in Deutschland im Durchschnitt 22 Prozent weniger verdienen als Männer – nach Estland und Österreich europäischer Höchstwert!

Diese Differenz entsteht nicht nur durch direkte Diskriminierung der Kapitalseite. Tatsächlich macht diese Familienministerin Manuela Schwesig zufolge „nur“ sieben Prozent aus. Die restlichen 15 Prozent jedoch werden durch die patriarchale Struktur des kapitalistischen Arbeitsmarktes bestimmt: geringere Aufstiegschancen für Frauen, schlechtere Bezahlung vornehmend „weiblicher“ Berufe wie im Reinigungs- oder Erziehungsdienst, häufigere Teilzeitarbeit und Mini-Jobs aufgrund der Doppelbelastung durch Lohn- und unbezahlter Reproduktionsarbeit.

Für Müller ist jedoch nicht die Unterdrückung der Frauen schuld an den geringeren Löhnen – sondern die „grundgesetzlich geschützte[…] Vertragsfreiheit“. Diese sei die Grundlage dafür, „dass man die eine besser bezahlt als den anderen.“ Schließlich haben Kapitalist*innen das Recht, ihre Lohnsklav*innen so zu bezahlen, wie es ihnen beliebt. Deshalb gilt: „Doch soweit die Bezahlung individuell ausgehandelt wird und da selbst nach Ansicht der Regierung die bereinigte „Lücke“ im Lohn klein ist, ist eine umfassende Gleichmacherei freiheitsfeindlich.“ Alles andere würde nicht nur den Unternehmer*innen, sondern auch den Arbeiter*innen die „Freiheit“ nehmen, sich zu einem niedrigeren Lohn ausbeuten zu lassen.

Tatsächlich wäre eine vollständige Gleichstellung der Löhne von Männern und Frauen, genauso wie von Menschen mit deutschem Pass und Migrant*innen oder Geflüchteten, ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit – und das wäre auch gut so. Das von der Regierung beschlossene Gesetz verpflichtet jedoch lediglich alle Unternehmen mit über 200 Mitarbeiter*innen dazu, auf Anfrage die Gehälter offenzulegen. Größere Unternehmen müssen zusätzliche auch Maßnahmen zur Gleichstellung ergreifen. Mechanismen, die bei Nichteinhaltung greifen, werden jedoch über ein individualisiertes Klagerecht hinaus nicht vorgesehen.

Zur wirklichen Lohngleichheit wird das Gesetz durch den individualistischen Grundansatz deshalb nicht beitragen, auch wenn jedes „Schrittchen“ in diese Richtung die Wut der Schreiberlinge des Kapitals, wie in diesem Falle von Reinhard Müller, auf sich zieht. Um das Prinzip „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ durchzusetzen, können wir uns nicht auf die Almosen der Regierung verlassen, sondern müssen uns wie die Kolleg*innen vom Botanischen Garten gegen die „unternehmerische Freiheit“ der ungleichen Bezahlung organisieren. Ein solcher Kampf würde die FAZ noch mehr erzürnen.

Mehr zum Thema