„Die Einmalzahlung von 10.000 Euro war eine Niederlage“ – Interview mit Salim Bellachia

13.10.2016, Lesezeit 5 Min.
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Beschäftigte bei einer Tochterfirma des Berliner Technikmuseums fordern "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit". Dafür traten sie zweimal in einen Warnstreik. Ihre Forderungen wurden nicht erfüllt – dafür bekamen sie 10.000 Euro. Ein Interview mit Salim Bellachia, Betriebsratsvorsitzender bei der "T&M", einer 100prozentigen Tochterfirma des Technikmuseums in Berlin.

Die halbe Belegschaft des Technikmuseums ist über eine Tochterfirma angestellt und verdient deutlich weniger Geld. Wie habt ihr angefangen, euch dagegen zu wehren?

Bis Ende 2007 waren wir weder gewerkschaftlich noch innerbetrieblich organisiert. Ende 2007 teilte die Geschäftsleitung den ersten Mitarbeiter*innen mit, dass ihre Verträge nicht verlängert werden. Bis dahin hatte es nur die mündliche Zusage gegeben, dass die Verträge verlängert beziehungsweise entfristet werden. Die Grundlage war das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Viele Mitarbeiter*innen wehrten sich dagegen mit rechtlichen Mitteln.

Hier gab es erste Kontakte zur Gewerkschaft ver.di, die uns kulant unterstützte. Kolleg*innen, die ver.di-Mitglied wurden, bekamen sofort Rechtsschutz im Streit um die Entfristung. Zeitgleich organisierten die damaligen Mitarbeiter*innen eine Betriebsratswahl, die von der Geschäftsleitung und der Direktion der Stiftung auch mit rechtlichen Mitteln bekämpft wurde. Anfang 2008 wurde dann gegen alle Widerstände der Betriebsrat gegründet.

Über den Sommer hattet ihr einen Arbeitskampf mit zwei Warnstreiks, die jeweils zwei Stunden dauerten. An beiden lag die Streikbeteiligung praktisch bei 100 Prozent. Wie habt ihr das hingekriegt?

Wir sind untereinander gut vernetzt. Wir haben ein eigenes „Infobrett“ im Internet und eine Facebook-Gruppe. Das hilft auch, viele Kolleg*innen zu erreichen und zu den gewerkschaftlichen Aktionen zu motivieren. Zudem sind wir als Tarifkommission und ver.di-Betriebsgruppe schon vor dem ersten Warnstreik immer wieder zu den Kolleg*innen gegangen und haben umfassend informiert, Ängste genommen und Fragen beantwortet.  Eine SMS kurz vor dem Streik sollte letztlich auch Ängste nehmen und Informationen liefern. Eine gewisse Gruppendynamik spielt natürlich auch eine Rolle. Aber viele Kolleg*innen haben praktisch auf den ersten Streik gewartet.

Als Ergebnis der Warnstreiks habt ihr eine Einmalzahlung von 10.000 Euro bekommen. Wie fühlt sich das an? Wie bewertest du das Ergebnis?

Ehrlich gesagt war es eine Niederlage. Sicherlich wirkt eine solche Summe sehr verlockend – gerade im Niedriglohnsektor. Aber wir wollten die Angleichung an den Tarifvertrag der Länder (TV-L), der für andere Beschäftigte des Museums gilt.

Jetzt bekommen wir 10.000 Euro und das Geld können wir sicherlich gut gebrauchen. Jedoch sind wir Anfang 2018 immer noch so weit vom Entgelt des TV-L entfernt wie 2012. Denn wir haben nur eine minimale Lohnerhöhung bekommen. Wir verdienen immer noch ein Drittel weniger als unsere Kolleg*innen, die direkt beim Museum eingestellt sind.

Es ist frustrierend zu sehen, mit welcher Vehemenz der von der SPD geführte Senat sich gegen das Prinzip „Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit“ wehrt. Jetzt müssen wir jetzt nach vorne schauen und versuchen bei den Haushaltsverhandlungen für 2018/19 im nächsten Frühjahr etwas erreichen zu können.

Der Stiftungsrat des Technikmuseums steht unter dem Vorsitz vom regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD). Dieser hat sich knallhart gegen die Übernahme des TV-L in der Tochterfirma gestellt. Woran liegt das?

Die Gründe sind vielfältig: Angefangen von den hohen Kosten bei einer Übernahme des TV-L bis zum Unwillen der Stiftung, Geld in höhere Löhne zu stecken. Securitas wäre da irgendwann billiger, so die Äußerungen. Ein sehr gewichtiger Grund ist möglicherweise auch die Signalwirkung bei einem musealen Flagschiff wie dem Technikmuseum. Dann würde der TV-L dann noch stärker auch bei anderen landeseigenen Töchterunternehmen (wie zum Beispiel in den Krankenhäusern) gefordert.

Parallel zu euren Verhandlungen haben die Beschäftigten des Botanischen Gartens in Berlin – die in einer ganz ähnlichen Situation stecken – die Übernahme des TV-Ls erstreiten können. Was war da der Unterschied?

Auch das ist differenziert zu betrachten. Einerseits gab es eine wesentlich besser aufgestellte und von ver.di intensiver unterstützte Tarifkommission. Andererseits gab es auch kein Geldkofferangebot beim Botanischen Garten. Der Etat der FU, der der Garten gehört, beträgt circa 450 Millionen Euro. Der Etat der Stiftung des Technikmuseums dagegen beträgt lediglich 21 Millionen Euro. An der FU sind also eine Million dauerhafte Mehrausgaben in Form von höheren Löhnen auch mal „Peanuts“. Vermutlich gibt es noch viele weitere Gründe.

Letztlich hat das Angebot von 10.000 Euro jede weitere Entwicklung bei uns beendet. Den Mitarbeiter*innen ist bei diesen Summen und der Einkommenssituation aber kein Vorwurf zu machen. So dürfen keine Tarifverhandlungen geführt werden. Ver.di hätte an diesem Punkt die Verhandlungen übernehmen müssen und der Gegenseite ein klares „Nein“ signalisieren müssen.

Wie geht es für euch weiter? Seid ihr mit anderen Belegschaften vernetzt?

Wir sind im Gewerkschaftlichen Aktionsausschuss für prekäre Arbeit und können uns hier mit vielen anderen Kollegen in ähnlichen Situationen über die aktuellen Entwicklungen austauschen und Aktionen planen.

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