Was ist die Arbeiter*innenklasse?

09.02.2016, Lesezeit 4 Min.
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„Proletarier*innen aller Länder, vereinigt euch!“ heißt es im Kommunistischen Manifest. Wer ist damit gemeint?

Der Begriff Proletariat als Synonym für die Arbeiter*innenklasse bezeichnet die lohnabhängige Bevölkerung, also diejenigen, die ihr Auskommen durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft sichern müssen. Das umschließt mehr als die klassische Industriearbeiter*innenschaft: Pilot*innen. Angestellte im Büro, in der Uni, Lehrer*innen. Dienstleistungs-Arbeiter*innen bei der Post, bei Amazon. Prekär beschäftigte Kellner*innen. Auszubildende. Illegalisiert Beschäftigte. Arbeitslose. Damit sind die meisten von uns selbst in Jobs Teil der Arbeiter*innenklasse, wir werden nach unserem Studium Lohnabhängige sein oder wir bekommen zeitweilig Geld aus unseren lohnabhängigen Familien.

Alle Arbeiter*innen in diesem Sinne eint, dass sie über kein Privateigentum an Produktionsmitteln verfügen. Sie verkaufen ihre Arbeitskraft an die Kapitalist*innen. Damit haben sie untereinander mehr gemeinsam als mit ihren Bossen. Sie haben materiell nichts oder fast nichts, den Kapitalist*innen gehören fast alle Maschinen, ihnen gehört der bürgerliche Staat, der über tausende Fäden mit der bürgerlichen (d.h. kapitalistischen) Klasse verbunden ist.

Als Arbeiter*innen haben wir aber Möglichkeiten, um den gesellschaftlichen Reichtum zu kämpfen: Streiks, Besetzungen, der Aufbau von Gegenstrukturen in Form von Komitees und Räten am Arbeitsplatz. Diese Aktionen richten sich gegen das Kapital, das die Lohnarbeit ausbeutet. Unter Ausbeutung verstehen wir, Arbeitskraft zu kaufen, um Profite zu machen. Es ist also keine moralische Kategorie, sondern eine ökonomische: Jede Lohnarbeit für den Markt ist Ausbeutung.

Wir Arbeitenden haben eine Stärke: Wir sind in der Lage, die Gesellschaft nach unseren Bedürfnissen selbst zu gestalten. Wir leisten weltweit fast alles, ob in der Produktion oder in der Dienstleistung. Wer braucht schon Bosse? Sie sind vor allem dazu gut, den Reichtum einzusacken. Wir haben mit unseren migrantischen Kolleg*innen und Geflüchteten gemeinsame Interessen. Lohnabhängige Männer und Frauen haben die gleichen Interessen. Aber unsere Klasse ist gespalten durch Rassismus und Sexismus, zum Beispiel durch verschiedene Aufenthaltsrechte, rassistische Einstellungspolitik und Abschiebungen, auch durch geschlechtlich diskriminierten Lohn, Alltagssexismus und sexuelle Gewalt.

Arbeit gibt es für alle genug, die herkommen und schon hier leben – sie muss eben verkürzt werden. Die Produktivität steigt, aber bei den Produzierenden, den Arbeiter*innen, kommt davon nichts an oder wird von der Krise wieder gefressen. Mit einer Perspektive von Einheit und Unabhängigkeit der Arbeiter*innenklasse vom Kapital können wir zum Beispiel für Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich kämpfen. Gleichen Lohn für gleiche Arbeit, egal welche Geschlecht, welche Sexualität und welche Herkunft. Freien Bildungszugang für alle, unabhängig von Geldbeutel und Schulabschluss. Gegen die Prekarisierung. Für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen.

Mit Streiks können wir aber auch politische Entscheidung erzwingen: Lasst uns gemeinsam für sozialen Wohnungsbau kämpfen. Dafür, dass Betriebe, die schließen, unter Kontrolle der Arbeitenden weitergeführt werden! Dafür, dass die Bundesregierung unsere geflüchteten Kolleg*innen anerkennt sowie die Waffenexporte und Kriege stoppt, die Lohnabhängigen auf der ganzen Welt schaden.

Die Spaltung in Arbeiter*innen mit und ohne deutschen Pass kommt nur unseren Ausbeuter*innen zugute. Sie versuchen mit der zusätzlichen Konkurrenz den Druck auf unsere Löhne zu erhöhen und uns gegeneinander auszuspielen. Zum Beispiel werden bei der Post geflüchtete Praktikant*innen zu Niedriglöhnen eingestellt, wo vorher Menschen mit deutschem Pass feste Jobs hatten. So entsteht neuer Rassismus. Dagegen wehren wir uns, indem wir sagen: Keine Unterwanderung des Mindestlohn! Volle Rechte für Geflüchtete auf Arbeit, Wohnen und Aufenthalt!

Am Ende heißt es, wer soll das bezahlen? Die großen Banken und Konzerne in Deutschland haben genug Geld. Die Regierung hatte genug Geld, um ihnen in der Finanzkrise Milliarden zu schenken. Selbst für Krieg gibt es genug Geld. Die Kapitalist*innen sollen die Krise zahlen. Wir Arbeiter*innen haben kein Vaterland.

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