Die AfD-isierung der deutschen Politik

14.09.2016, Lesezeit 4 Min.
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Die krachende Wahlniederlage der CDU in Mecklenburg-Vorpommern hat ein politisches Erdbeben ausgelöst. Die etablierten Parteien nehmen den Sieg der AfD zum Anlass, weitere Angriffe auf demokratische Rechte vorzunehmen.

Der Sieger der Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern war klar: der Rechtsruck. Die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) konnte erneut ein herausragendes Ergebnis (20,9 Prozent) erreichen und auf Anhieb als zweitstärkste Fraktion in den Schweriner Landtag einziehen. Somit werden sie von nun an ständig mit ihren rassistischen, fremden- und frauenfeindlichen Positionen gegen jede noch so kleine demokratische Errungenschaft hetzen.

Zudem erstarkten aus allen drei Regierungsparteien erneut die Stimmen, die für einen „Kurswechsel“ in der Migrationspolitik der Regierung eintreten, also einer weiteren Verschärfung gegenüber Geflüchteten.

Am lautesten schallte es aus Bayern. Die CSU forderte auf einer Klausurtagung erneut eine Obergrenze von 200.000 Geflüchteten, ein vollständiges Burkaverbot, vermehrte Abschiebungen durch ein „Rückführungskonzept“ und ein „Einwanderungsbegrenzungsgesetz“.

Doch auch aus der SPD wurde die aktuelle Migrationspolitik von rechts kritisiert. So Sigmar Gabriel: „Die Union hat die Herausforderungen unterschätzt, und wir haben immer gesagt, es ist undenkbar, dass wir in Deutschland jedes Jahr eine Million Menschen aufnehmen“. Noch im vergangenen Herbst war die SPD die einzige Stütze für Merkel, während sie von rechts angegriffen wurde. Jetzt schlägt auch die Sozialdemokratie in diese Kerbe.

Und auch in der CDU gewinnt der rechte Flügel an Oberwind. Schon in der „Berliner Erklärung“ sind die CDU-Innenminister der Länder, darunter auch der Spitzenkandidat für die Berliner Chrstdemokrat*innen Frank Henkel, für ein teilweises Burka-Verbot und die Ausweitung des Überwachungs- und Repressionsapparats eingetreten. Jetzt werden die Stimmen lauter, die eine noch restriktivere Politik fordern, obwohl Merkel in den vergangenen Tagen mit Aussagen wie „Deutschland wird Deutschland bleiben“ auf Kuschelkurs mit der Parteirechten gegangen ist.

Im Angesicht des Aufstiegs der AfD ist die „Entzauberungsformel“ der Regierungsparteien… die Übernahme der fremdenfeindlichen Forderungen des Rechtspopulismus. Was als „Verständnis“ für die „Sorgen der Bürger“*innen verkauft wird, schürt in Wirklichkeit chauvinistische Ressentiments und trägt selbst zur weiteren Stärkung der AfD bei.

Doch schon seit fast einem Jahr ist es die bevorzugte Antwort der Regierung auf den Aufstieg der AfD und die rassistischen Mobilisierungen, die das politische Klima präg(t)en. Asylpakete I und II, Syrien-Einsatz „Integrationsgesetz“, massive Abschiebungen durch Abkommen und neue „sichere Herkunftsstaaten“, blutiger EU-Türkei-Deal, etc. pp.

Der Verdruss mit der „Berliner Politik“, also dem politischen Establishment der BRD, wird aktuell ausschließlich von der AfD kanalisiert. Sie nutzt nach Jahren der Wirtschaftskrise und Sparpolitik die Verzweiflung des Kleinbürger*innentums und eines Teils der Arbeiter*innenklasse, die sich von ihren historischen Vertretungen abwenden und nach neuen „Denkweisen“ suchen, für ihr rassistisches Projekt.

Damit hat sie die Krise der klassischen Parteien des Regimes verschärft und einen Erdrutsch in der politischen Landschaft ausgelöst. Während die SPD schon im März in Sachsen-Anhalt nur drittstärkste Kraft wurde, erlitt die CDU nun in Merkels Heimat dasselbe Schicksal. Auch bei den Berliner Wahlen werden für beide Parteien Ergebnisse um die 20 Prozent erwartet, eine Fortführung ihrer Großen Koalition – unmöglich.

Doch das Merkelsche „Wir schaffen das“ – die Verwandlung hunderttausender Geflüchteter in Billigarbeitskräfte, die repressive „Integration“ in die deutsche Leitkultur und die massive Abschiebung der übrig Gebliebenen bei Militarisierung im In- und Ausland – und die Große Koalition bleiben die bevorzugte Variante für die deutsche Bourgeoisie, deren Großmachtambitionen mit jeder ökonomischen Rekordmeldung weiter steigen.

Deshalb ist die „Einheit aller Demokrat*innen gegen die AfD“, wie sie selbst von Merkel im Bundestag vorgetragen wird, eine falsche Strategie, um den Rechtsruck zu bekämpfen. Stattdessen brauchen wir eine unabhängige Position an der Wahlurne und auf der Straße.

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