Derek Chauvin für schuldig befunden – 700.000 Polizist:innen fehlen noch

21.04.2021, Lesezeit 5 Min.
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Quelle: CHOONGKY / Shutterstock.com

Derek Chauvin ist des Mordes an George Floyd für schuldig befunden worden. Aber das ist keine Gerechtigkeit. Alle Polizist:innen sind schuldig!

Eine Jury in Minneapolis hat vor wenigen Stunden im Prozess gegen Derek Chauvin – der Polizist, der George Floyd im vergangenen Mai ermordet hat – in allen drei Anklagepunkten ein Schuldurteil gefällt. Er wurde nicht nur des Totschlags für schuldig befunden; die Jury befand ihn des Mordes für schuldig. Das ist ein seltener, historischer Moment, nachdem sich die ganze Welt in der Folge des Mordes in Wut erhob. Menschen gehen auf die Straße, während ihr diesen Artikel lest. Die Welt hat Chauvin verurteilt, bevor überhaupt eine Jury einberufen wurde.

Die Kapitalist:inenklasse, ihre Politiker:innen und die Polizeibehörden, die nach ihrer Pfeife tanzen, hoffen, dass damit der Aufstand verstummen wird, der letztes Jahr ausbrach und mit der Ermordung von Daunte Wright und Adam Toledo neu entfacht wurde. Aber sie haben sich schon auf mehr vorbereitet, haben die Nationalgarde in zahlreichen Städten mobilisiert und den Polizist:innen gesagt, dass es vorerst keine freien Tage gibt.

Es liegt an uns, deutlich zu machen, dass es sich hier nicht um die Verurteilung eines Einzelfalls handelt, sondern um die Verurteilung der gesamten Polizei der Vereinigten Staaten – und dass die Bewegung nicht ruhen wird, bis es keine Polizist:innen mehr gibt und wir in einer Gesellschaft leben, in der Schwarze Leben zählen. Das gesamte „Justiz“-System ist schuldig – und die Tatsache, dass Chauvin verurteilt wurde, macht es in keiner Weise „fair“ für die überwältigende Mehrheit der Menschen, die ihm unterworfen sind, oder i irgendeiner Weise „unparteiisch“.

Alle kennen die Geschichte. Jede:r hat gesehen, wie Chauvin George Floyd ermordet hat. Es war eine Tatsache, die von einem mutigen Zuschauer auf Video aufgenommen wurde, als die kleine Gruppe, die sich versammelt hatte, von Chauvins Cop-Kompliz:innen bedroht wurde.

Der repressive Staat sah es auch und wusste, dass jede:r es gesehen hatte. Dass es Mord war, war unbestreitbar. Und dann brach die Welt in Protest aus – vielleicht die größte Protestbewegung der Geschichte. Die Staatsanwaltschaft reihte Polizist:innen als Zeugen auf, nachdem sie sich einig waren: Chauvin musste vor den sprichwörtlichen Bus geworfen werden. Noch nie in der Geschichte der Prozesse gegen Polizist:innen wegen ihrer Tötungen hat ein Polizeichef gegen jemanden aus seiner eigenen Abteilung ausgesagt. Aber das ist dieses Mal passiert.

Es kann nicht überbewertet werden: Die massive Bewegung, die nach dem Mord an George Floyd ausbrach, hat dieses Urteil errungen, nicht „gute“ Polizist:innen, die gegen einen „schlechten“ in einem Prozess aussagen, der von „besorgten“ Staatsanwält:innen organisiert wurde. Und ungeachtet dessen, was einer dieser Staatsanwält:innen in seinem Schlussplädoyer sagte, war dies ein Prozess gegen die Polizei, nicht nur ein Prozess gegen Chauvin.

George Floyds Leben wurde brutal genommen: nicht von einem einzelnen Polizisten, sondern von einem rassistischen, repressiven kapitalistischen System, das „besondere Formationen bewaffneter Menschen“ benutzt – wie Lenin die Polizei vor mehr als 100 Jahren beschrieb –, um sein Eigentum und seine Interessen zu schützen, die Arbeiter:innenklasse zu spalten und Menschen zu terrorisieren, besonders Schwarze. George Floyd ist nur einer von zahllosen Schwarzen, die durch die Hand dieser „besonderen Formationen“ ermordet wurden – schließlich liegt der Ursprung der US-Polizeibehörden in der Bürgerwehr, die von Plantagenbesitzer:innen entfesselt wurde, um entlaufene Sklav:innenen in der Zeit vor dem US-Bürger:innenkrieg zu jagen.

Selbst während des Prozesses häuften sich weitere Tötungen durch die Polizei. Wie die New York Times vor ein paar Tagen berichtete: „Seit Beginn der Zeugenaussagen am 29. März sind landesweit mindestens 64 Menschen durch die Hände der Strafverfolgungsbehörden gestorben, wobei Schwarze und Latinos mehr als die Hälfte der Toten ausmachten. Bis Samstag waren es im Durchschnitt mehr als drei Morde pro Tag.“

Einige Leute werden auf diese Gerichtsentscheidung schauen und sagen: „So sieht Gerechtigkeit aus.“ Die Ironie, das zu sagen, während Polizist:innen drei Menschen pro Tag ermorden, und während Minneapolis, Philadelphia und andere Städte vor Nationalgarde und schwer bewaffneter Polizei wimmeln, sollte uns nicht entgehen. Das ist nicht, wie Gerechtigkeit aussieht. Ein System, das auf Ungerechtigkeit basiert, kann niemals für Gerechtigkeit sorgen. George Floyd wurde vom Staat ermordet, und nichts, was dieser Staat tut, kann Gerechtigkeit bringen.

Daunte Wright. Adam Toledo. George Floyd. Breonna Taylor. Wir müssen uns an ihre Namen erinnern, und an die Namen so vieler anderer, deren Leben von den Cops ausgelöscht wurde. Der Kapitalismus ist eine Tötungsmaschine, und der Rassismus ist in seine DNA eingeschrieben. Lasst die Verurteilung von Derek Chauvin der Beginn einer Bewegung zur Abschaffung der Polizei und zum Sturz dieses rassistischen, repressiven kapitalistischen Systems sein. Es wird keine echte Gerechtigkeit für eines dieser Opfer geben, bis wir uns gemeinsam erheben und genau das tun.

#AllCopsAreDerekChauvin

Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch bei unserer Schwesterseite Left Voice.

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