Der Streikkurier von TV-Stud: zweite Ausgabe erschienen

23.01.2018, Lesezeit 6 Min.
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Die streikenden Studentischen Beschäftigten gehen in die zweite Woche des Streiks. Pünktlich dazu erheben sie auch mit der zweiten Ausgabe ihres „Streikkuriers“ ihre Stimme.

Der Streikkurier der studentischen Beschäftigten ist ein voller Erfolg. Pünktlich zur zweiten Streikwoche erschien die zweite Ausgabe mit 16 Seiten. Die Themen reichen von den historischen Erfahrungen Frauen in Streiks bis zu konkreten Meldungen zum Verlauf des Streiks. Die gesamte Zeitung kann auf der Seite der TV-Stud-Kampagne heruntergeladen werden.

Im folgenden veröffentlichen wir die Artikel, die von Autor*innen von Klasse Gegen Klasse geschrieben wurden.

Von Petrograd bis Panrico – Frauen in Streiks


Von Tabea Winter (ASH)

Seit über 100 Jahren stehen Frauen in den ersten Reihe von bedeutenden Streiks und Arbeitskämpfen. Seit der Industrialisierung, die dazu führte, dass mehr Frauen in den Betrieben und Fabriken arbeiten und dabei noch schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen, kämpfen die arbeitenden Frauen auch für ihre Rechte – als Frauen und als Arbeiterinnen. Der Textilarbeiterinnenstreik in New York im Jahr 1857 an den am internationalen Frauen*kampftag erinnert wird, wurde von Frauen angeführt. Die Arbeiterinnen wehrten sich gegen ihre miserablen Arbeitsbedingungen, den 12-Stunden-Tag und die Angriffe der Polizei. Am 8. März 1917 streikten Textilarbeiterinnen in Petrograd gegen den Krieg und die Erhöhung der Brotpreise und änderten damit den Lauf der Geschichte. Beim Streik der Panrico-Arbeiter*innen in Barcelona 2014 waren Frauen von Anfang an beteiligt – doch in den Streikversammlungen und in öffentlichen Auftritten dominierten anfangs die Männer.

Die Arbeiterinnen akzeptieren das nicht, forderten Diskussionen über Sexismus, Streikdemokratie und konkrete Fragen: wer organisiert die Kinderbetreuung während des Streiks? Wer kümmert sich um die Verpflegung der Streikenden? Sie wurden zu Anführerinnen des Streiks, verteidigten aber auch Frauenrechte, wie das Recht auf Abtreibung.

Sowohl die Arbeiterinnen aus Petrograd als auch von Panrico können uns als Vorbilder dienen: Frauen verdienen im gleichen Job nach wie vor durchschnittlich 7% weniger als ihre männlichen Kollegen. Sie arbeiten besonders viel in Teilzeit und prekären Arbeitsverhältnissen. Lasst uns den Streik in unsere Hände nehmen! Lasst uns auf Streikversammlungen mitdiskutieren und unsere
Forderungen benennen! Für einen Tarifvertrag, in dem alle gleich viel verdienen!

SHK, Barista, Deliveroo-Kurier – Generation Prekär

Von Stefan Schneider (FU Streikgruppe)

Die Arbeitsbedingungen von Studentischen Hilfskräften an den Berliner Unis sind katastrophal: Lohnstillstand seit 17 Jahren, kein Weihnachtsgeld, weniger Urlaub als Festangestellte, Kurzzeitbefristungen usw.. Dagegen lohnt es sich zu streiken. Nicht nur für die Verbesserung der eigenen Bedingungen, sondern als Signal für viele andere junge (und auch nicht mehr so junge) Menschen.

Denn seit den vor mehr als 15 Jahren entworfenen „Hartz“-Gesetzen wurden die Aussichten auf
feste Jobs, mit denen man seinen Lebensunterhalt verdienen kann, für eine ganze Generation vernichtet. Die allermeisten Jugendlichen in Deutschland müssen sich mit der Realität befristeter Verträge, Minijobs, Mehrfachjobs, unbezahlten Praktika und ultraflexibler Arbeitszeiten herumplagen. Und das alles bei steigenden Mieten und erhöhter Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt.

Gegenüber einer Schicht als Aushilfskraft im Café oder als Deliveroo-Kurier wirken SHK-Jobs manchmal wie ein Paradies. Schließlich gibt es ja wenigstens einen Tarifvertrag. Doch wenn Tarifverträge zu lange nicht erneuert werden, werden aus ihnen Fesseln statt Werkzeuge
zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen. 17 Jahre ohne Lohnerhöhung bedeutet 17 Jahre Reallohnverlust und für immer mehr Kolleg*innen die Notwendigkeit, neben dem Studium noch einen zweiten Job anzunehmen.

Als SHKs sind wir aber in gewisser Weise tatsächlich in einer besseren Situation als so viele andere prekäre Kolleg*innen: Wir sind aktuell immer besser gewerkschaftlich organisiert, und wir werden immer mehr. Wir befinden uns in einem Arbeitskampf, an dessen Ende eine massive Lohnsteigerung stehen kann, die ein Vorbild für viele weitere Kämpfe sein kann. Wenn wir trotz unserer prekären Lage 30 Prozent Lohnerhöhung durchsetzen können, dann können das andere
auch. Dazu braucht es nur Mut und Entschlossenheit. Lasst uns dazu beitragen, diesen Mut zu erschaffen.

Wir wissen, wo der Schuh drückt

Von Stefan Schneider

Der TVStud betrifft 8.000 Studentische Beschäftigte in Berlin. Viele haben sich in den letzten Monaten mobilisiert, beim ersten Streik studentischer Beschäftigter seit 32 Jahren am letzten Dienstag waren wir bis zu 1500 Personen. Das sind viele, doch wir brauchen noch viel mehr. Viele Bereiche werden noch nicht erreicht, viele trauen sich nicht rauszugehen. Wir sind zersplittert, in verschiedene Unis, Hochschulen und Institute, in verschiedene Arbeitsbereiche und auf unterschiedlichsten Campi. Der Aktivenkreis der Kampagne ist sehr aktiv, doch seine
Kapazitäten sind begrenzt. Wenn wir alle erreichen wollen, müssen wir jede*n einzelne*n Kolleg*in einbinden, mit ihren*seinen Vorschlägen, Sorgen, kreativen Ideen.

Das wichtigste Mittel dafür sind tägliche Streikversammlungen. Dezentral an den einzelnen Unis, und wenn möglich auch zentral mit allen Streikenden. Das ist einerseits eine demokratische Frage – sie sind oft der einzige Ort, wo sich Streikende, die oft selbst nur sehr begrenzte Ressourcen haben, direkt einbringen können –, aber vor allem ist es eine Frage von Sieg oder Niederlage des Streiks.

Denn wir haben ein großes Problem: Die Unileitungen haben kein Interesse an einem neuen Tarifvertrag, und wenn wir sie wirklich zum Einlenken bringen wollen, müssen wir mit so vielen SHKs und solidarischen Unterstützer*innen wie möglich das Kräfteverhältnis zu unseren Gunsten verändern. Und das heißt vor allem: die Schwachpunkte der Unileitungen ausnutzen. An welchen Orten ist der Streik am effektivsten? Auf welchen Wegen können wir Druck aufbauen? Wie können wir schwankende Beschäftigte vom Streik überzeugen? Wie Solidarität organisieren?

Die Unileitungen werden nicht von allein einknicken. Dafür brauchen wir die Kreativität aller Streikenden. Denn wir, die wir jeden Tag in den Bibliotheken und Instituten arbeiten, Tutorien geben oder im Infoservice am Schalter stehen, wissen am besten, wo der Schuh drückt, wo die
Knackpunkte des Streiks sind. Wann wir wie viele Streiktage brauchen, ob wir zentrale Orte der Universität blockieren müssen oder welches Angebot der Unileitungen wir für ausreichend halten. Diese Dinge wollen und können wir jeden Tag diskutieren.

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