Der Protest hat gerade erst begonnen!

16.02.2014, Lesezeit 5 Min.
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// 2.500 beim Schul- und Unistreik für die Rechte der Geflüchteten in Berlin //

An Berliner Schulen war der letzte Donnerstag kein Tag wie jeder andere. 2.500 SchülerInnen und Studierende haben ihre Klassenzimmer und Hörsäle verlassen, um für die Rechte der Geflüchteten am Oranienplatz und überall auf die Straße zu gehen.

In den letzten Wochen hatte ein breites Bündnis von linken Gruppen mit unabhängigen SchülerInnen und Studierenden den Streik vorbereitet. Auch die linke SchülerInnengruppe Red Brain und die marxistische Unigruppierung Waffen der Kritik, die aus Unabhängigen und AktivistInnen von RIO besteht, waren von Anfang an dabei. Im Laufe des Monates wurden zehntausende Flyer vor Schulen verteilt, Streikkomitees aufgebaut, Infostände aufgestellt und Vollversammlungen und Infoveranstaltungen mit Geflüchteten organisiert, um auf die Aktion aufmerksam zu machen.

Im Hamburg hatten am 12. Dezember rund 5.000 SchülerInnen für die Lampedusa-Flüchtlinge gestreikt. Diese Aktion und die anhaltende Gefahr einer Räumung des Protestcamps am Oranienplatz waren der Anstoss für den Schul- und Unistreik in Berlin. Die innenpolitische Situation war in den letzten Wochen von einer zunehmenden rassistischen Hetze gegen ArbeitsmigrantInnen und Geflüchtete geprägt: In Berlin machte Innensenator Frank Henkel (CDU) für eine Räumung Stimmung und andere PolitikerInnen aus seiner Partei warnten vor einer „Seuchengefahr“ am Protestcamp. Nachdem ab dem 1. Januar 2014 auch Menschen aus Rumänien und Bulgarien in Deutschland arbeiten dürfen – ein Recht, dass der deutsche Staat sieben Jahre lang blockiert hat – griff die CSU diese mit purer Demagogie an und bereitete damit den Boden für rechtsextreme Kräfte, die immer wieder Anschläge auf Unterkünfte der Geflüchteten begehen. Die drei in einem AsylbewerberInnenheim in Hamburg ermordeten Geflüchteten sind ein weiteres Opfer dieser Politik.

In diesem Rahmen fand die bunte und lebhafte Demonstration statt, die ein klares Zeichen gesetzt hat, dass sich SchülerInnen und Studierende für die Rechte der Geflüchteten einsetzen. Der Startpunkt der Demonstration war vor dem Roten Rathaus, wo sich im Laufe des Morgens immer mehr SchülerInnen und Studierende versammelten. Von Anfang an vertrat die Polizei eine harte Linie: Manche SchülerInnen wurden nicht auf die angemeldete Demonstration gelassen und Beamte haben immer wieder in die Demonstration eingegriffen. Insgesamt wurden sieben SchülerInnen im Rahmen des Streiks festgenommen. Auch auf einer spontanen Solidaritätsdemonstration auf dem Potsdamer Platz gab es weitere Festnahmen. Bis 19 Uhr harrte eine Gruppe von 50 Menschen vor der Gefangenensammelstelle (Gesa) aus, um auf die Freilassung ihrer MitschülerInnen zu warten. Es ist nicht das erste Mal, dass die Polizei sich gegen die Bewegung der Geflüchteten stellt und zu harter Repression greift.

SchülerInnen kamen aus den Grundschulen genauso wie aus Oberstufenzentren und Gesamtschulen. AktivistInnen aus den Streikkomitees, z.B. an der Ernst-Reuther-Schule, dem Bettina-von-Arnim-Gymnasium, dem John-Lennon-Gymnasium oder der Sophie-Scholl-Oberschule, berichteten von der Mobilisierung im Vorfeld. Eine breite Kampagne, die von unabhängigen SchülerInnen getragen wurden, machte diesen Erfolg möglich: an mehreren Schulen fanden Vollversammlungen mit Geflüchteten statt, auf denen über die Hintergründe der Migration und die Proteste der Geflüchteten berichtet wurde. Am John-Lennon-Gymnasium fand vor dem Streiktag ein Theaterstück vor mehr als 100 ZuschauerInnen statt, bei dem Streikkomitee-Mitglieder die Arbeit von Frontex und die Situation der Geflüchteten nachzuspielen versuchten. An der Freien Universität hatte das Streikkomitee ein Teach-in mit mehr als 100 Studierenden organisiert und an der Humboldt-Universität hörten 20 Studierende die Berichte von langjährigen Refugee-AktivistInnen, darunter von Arash Dosthossein und Turgay Ulu. Es gab Zubringerdemonstrationen von der Sophie-Scholl-Oberschule, aus Weißensee und von der Ernst-Reuther-Oberschule zum Streik.

Dies war möglich durch die intensive Vorbereitung. Insgesamt waren weniger Schulen als bei vorherigen Schulstreiks betroffen, doch die Schulen, die da waren, waren massiver vertreten, weshalb der Unterricht auch stärker gestört wurde. Deshalb müssen die Streikkomitees bestehen bleiben und Kampagnen für die Rechte der Geflüchteten fortsetzen. Es ist von zentraler Notwendigkeit, dass die Geflüchteten mit ihrem Kampf nicht isoliert bleiben und sich weitere Sektoren in einer breiten demokratischen Bewegung für sie einsetzen. Dass ist die Bedeutung des Refugee Schul- und Unistreikes. Deshalb forderten wir innerhalb des Bündnisses auch immer wieder, dass auch die Linkspartei und die Gewerkschaften dazu aufgerufen werden, den Streik für die Geflüchteten nicht nur in Worten, sondern in Taten zu unterstützen.

Die GEW Berlin und Jugendorganisationen wie die DGB-Jugend Berlin-Brandenburg und die Junge GEW Berlin veröffentlichen Aufrufe mit Forderungen und unterstützen die Mobilisierung. Darüber hinaus startete das Bündnis eine Unterschriftenkampagne und lud gewerkschaftliche AktivistInnen und Betriebsräte dazu ein, die Gewerkschaftsführungen darauf zu drängen, die Geflüchteten in die Gewerkschaften aufzunehmen. Denn nur wenn der Kampf sich von den Straßen und Plätzen, über Klassenräume und Vorlesungssäle auch auf die Betriebe und Fabriken ausweitet, kann die deutsche Regierung unter Druck gesetzt werden und eine kollektive Lösung für alle Geflüchteten gefunden werden. Die Residenzpflicht kann nicht abgeschafft, der freie Hochschulzugang nicht ermöglicht werden, solange sich der Kampf nicht gegen die deutschen Konzerne richtet, die mit der Ausplünderung der halbkolonialen Ländern ihre Profite machen.

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