„Demokratie heißt für uns Vollversammlung, nicht Gremienposten!“

05.03.2021, Lesezeit 4 Min.
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Wir spiegeln die Rede von Liam aus der Veranstaltung "Die Krise und die Hochschulreform: Welche Uni für welche Gesellschaft?". Er ist aktiv im Münchner Komitee gegen die Hochschulreform.

Hier der Redebeitrag:

Kurz über das Komitee: Wie wir in unserem Positionspapier erklären, wollen wir die neoliberale Hochschulreform verhindern, sind gegen die Unterordnung der Lehre und der Wissenschaft unter die Wirtschaft. Komitee setzt sich überwiegend aus Studierenden und Beschäftigten des Mittelbaus zusammen. Bisher haben wir uns an den unterschiedlichen Kundgebungen beteiligt und wollen zu Beginn des nächsten Semesters eine Vollversammlung organisieren. Wir wollen dies aber nicht alleine tun, sondern wollen alle Kräfte die sich gegen die Reform und für eine Vollversammlung stellen, wie zB. die 13 Fachschaften die für unseren Antrag im Konvent gestimmt haben, Studierendenorganisationen und Initiativen dazu einladen, diese gemeinsam vorzubereiten. Zur VA Eine hierarchielose Versammlung aller wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Beschäftigten und Studierenden, die Bestimmungen beschließen kann und bei der alle das gleiche Stimmrecht haben.

Erstens: Wir wollen nicht, dass die Uni so bleibt, wie sie ist: Uni ist schon jetzt vor der Reform und war auch schon vor der Pandemie kein guter Ort für Studierende und Dozierende. Wenn Wissenschaftsminister Bernd Sibler sagt: „Ich will Hochschulen nicht zu DAX-Unternehmen machen.“, dann hat er recht. Diese werden bereits so geführt. Private Drittmittelfinanzierung von Großunternehmen wie die Ethikkommission von Facebook an der TUM oder Militärforschung von ökologischen Bomben an der LMU sind exemplarische Beispiele dafür. Dozierende sind einem Sonderbefristungsrecht ausgesetzt, aber auch nicht-wissenschaftlich Beschäftigte sind oft von Outsourcing betroffen. Studierende haben kaum Mitspracherechte (in Bayern keine verfasste Studierendenschaft) etc., dabei bilden wir die Mehrheit an der Uni.

In der Krise wurden Studierende vor getroffene Entscheidungen gestellt: wann und wie der Unterricht stattfindet, auf die Lehre haben wir keinen Einfluss und sind beim Lernen gewissermaßen auf uns selbst gestellt; auf Belastungen und Probleme von uns werden von der Uni-Verwaltung in dieser gesellschaftlichen Krise individualisierende Lösungen vorgeschlagen; der Online-Unterricht führt parallel zu einer noch stärkeren Atomisierung der Studierendenschaft. Die psychische Krise, von der so wenig gesprochen wird, wie über uns Studierenden selbst, wird durch die Vereinzelung schlimmer und macht die Online-Lehre zu einer qualvollen Erfahrung.

Wir möchten uns in unserem Protest nicht auf die Uni und ihre Institutionen beschränken, denn gerade das, ist was die Proteste gegen die Reform am meisten schadet: wir erleben die Auswirkungen der Krise nicht nur in unserem Uni-Alltag. Der Alltag außerhalb der Uni wird in diesem kaum berücksichtigt und in dieser Krise zeigt sich, welche Distanz zwischen Uni und dem Rest der Gesellschaft propagiert wird. Während wir unsere Mini- und Nebenjobs verlieren und die Mieten unbezahlbar werden steigen die Infektionszahlen und wir begeben uns in eine mögliche dritte Welle. Und was soll unser größter Beitrag in dieser Krise sein? Zuhause zu bleiben, stur den Lehrplan der letzten Jahre lernen und unser Maul nicht aufreißen. Besonders in einer Zeit wo politische Kritik von anti-wissenschaftlichen Ideologien angeführt wird, müssen wir die öffentlichen Sektoren wie die Uni verteidigen.

Aber um das zu tun muss es für uns darum gehen, einen Ausweg aus der Pandemie zu finden, weil sonst wir Studierende, Arbeiter:innen, Unterdrückte die Kosten der Krise zahlen werden:

Diese Reform setzt die Probleme des neoliberalen Kapitalismus wie die Privatisierung fort und spitzt sie nur zu. Die Folgen dieses Modells, welches wir in jeder Zeile des Eckpunktepapiers erkennen, lassen sich in dem Kaputtsparen des Gesundheitswesens am besten sehen. Die Hochschulreform ist Teil einer generellen Entwicklung, die sich nicht auf den Wissenschaftsbetrieb begrenzt und nicht erst mit ihr einsetzt. Die Regierung privatisiert ihre Verantwortungsbereiche, das ist überall in der öffentlichen Daseinsvorsorge der Fall wie zb. im Gesundheitswesen oder im ÖPNV. Die Leitkraft, sowie die Kosten werden kollektiv getragen, aber der „gesellschaftliche Mehrwert“ bleibt Privat. Deswegen ist es wichtig, sich mit Beschäftigten, die ähnlichen Angriffen ausgesetzt sind, über mögliche gemeinsame Protestformen und Aktionen auszutauschen. Deshalb wollen wir darüber sprechen, mit welchen gesellschaftlichen Bündnissen wir gegen die neoliberale Hochschulreform und für eine andere Gesellschaft kämpfen können, wo Demokratie nicht Gremienposten sondern Vollversammlungen sind. Und eben deswegen haben wir die heutige Veranstaltung gemacht.

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