Damit „die Uni kein DAX-Konzern“ wird: Studis suchen Verbindung zu Arbeitskämpfen

07.03.2021, Lesezeit 5 Min.
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Münchner Studierende planen Proteste gegen die Hochschulreform. Auf ihrer Veranstaltung am 4. März diskutierten sie über die Einberufung einer Vollversammlung und gemeinsame Kämpfe mit streikenden Arbeiter:innen in der Industrie und im Nahverkehr.

Während der Diskussionsveranstaltung Die Krise und die Hochschulreform – Welche Uni für welche Gesellschaft? am Donnerstag fanden Redner:innen und Diskutant:innen eine überraschende Verbindung untereinander: den Kinofilm Pride aus dem Jahr 2014. Der Film basiert auf der Geschichte einer Gruppe namens Lesbians and Gays Support the Miners, die 1984 Geld für die streikenden Bergarbeiter:innen in den britischen Kohlegebieten sammelte. Zwei scheinbar unterschiedliche Welten fanden zusammen und unterstützten sich gegenseitig im Kampf gegen das neoliberale Thatcher-Regime. Eine inspirierende Geschichte, die den Ton der Diskussion perfekt traf.

Eingeladen zu dem Online-Event mit über 90 Teilnehmer:innen hatte das Münchner Komitee gegen die Hochschulreform. Hochschulreform bezieht sich auf das Hochschulinnovationsgesetz, das die bayerische Staatsregierung im Rahmen ihrer Hightech-Agenda und im Schatten der Coronapandemie durchsetzen möchte. Ziel des Gesetzes ist es, die Unis „wettbewerbsfähiger“ zu machen, indem diese um private Fördergelder konkurrieren. Thomas Lechner, ehrenamtlicher Stadtrat in München für die Fraktion Die Linke / Die PARTEI, beschrieb die Problematik des Gesetzes:

Natürlich hat es einen Effekt auf die Forschung, wenn Facebook, E.ON oder die Deutsche Bank Auftraggeber von Studien sind und Geld für bestimmte Forschungsfragen, Fächer und Institute geben.

Die aktuellen Pläne der Landesregierung kommen laut Liam Figuera, Redner für das Hochschulkomitee, nicht zufällig gerade in der Corona-Pandemie. Da alle vereinzelt zuhause vor ihren Bildschirmen sitzen, sei es besonders schwer, wirkmächtigen Protest aufzubauen. Viele Studierende plagen gerade psychische Probleme. Aber auch finanziell werde es schwieriger. „Mini- und Nebenjobs sind verloren gegangen, die Mieten sind unbezahlbar geworden“, so Figuera.

Er wies darauf hin, dass es bereits jetzt kaum demokratische Mitbestimmung der Studierenden gibt und stattdessen Bundeswehr und Konzerne über Forschungsschwerpunkte in der Uni entscheiden. „Es gibt bereits private Drittmittelfinanzierung von Großunternehmen wie die Ethikkommission von Facebook an der TU München oder Militärforschung für die ‚grüne‘ Bombe an der LMU.“ Die Beschäftigten seien zudem durch zeitlich befristete Verträge und Outsourcing von prekären Bedingungen betroffen.

Ein Umstand, auf den auch Doktor Eduard Meusel hinwies. Als Vertreter der Initiative Geistes- und Sozialwissenschaften bemängelte er, dass „diejenigen, die an der Macht sind noch mächtiger werden.“ Das neue Gesetz mache eine kritische Wissenschaft unmöglich. Er plädierte dafür, dass „die Beschäftigungsbereiche geschlossen zusammenstehen und Kämpfe miteinander verbunden werden.“

Eine gesamtgesellschaftliche Krise

Die Probleme seien nahezu allumfassend, meinte Charlotte Ruga, Hebamme an den München Kliniken und Mitglied von Klasse Gegen Klasse und der Arbeiter:innengruppe AKUT:

„Die Krise ist gesundheitlich, wirtschaftlich, aber auch sozial und für viele psychisch. Zudem ist es für alle, die Kinder oder Angehörige betreuen, eine Betreuungskrise.“

Thomas Lechner beschrieb anhand der Impfstofffrage, wie die Wissenschaft heute schon auf die Konzerne ausgelegt ist. Der Hersteller Biontech habe zunächst massiv von der staatlich finanzierten universitären Grundlagenforschung profitiert, anschließend den Auftrag und den Zuschlag für die Impfstoffe in Milliardenhöhe bekommen – alles finanziert aus Steuermitteln – während die Patente und Gewinne beim Konzern bleiben.

Chartlotte Ruga machte deutlich, was sie davon hielt: Die Patente auf Impfstoffe müssten abgeschafft und die Pharmaindustrie verstaatlicht werden, unter Kontrolle der Beschäftigten des Gesundheitssystem. Mit dieser Perspektive warf sie die Frage auf, wer für die Krise bezahlen soll. Selbstorganisierte Komitees von Studierenden und Beschäftigten seien eine Alternative zur Politik für die Konzerne.

Zudem verwies sie auf die aktuellen Tarifrunden in der Metall- und Elektroindustrie, sowie die demnächst anstehenden Arbeitskämpfe im bayerischen Nahverkehr, bei der Deutschen Bahn und dem Einzelhandel. Daran schloss auch Liam Figuera an, der die Notwendigkeit betonte, sektorübergreifend gegen die Angriffe zu mobilisieren. Nur in einem Bündnis mit den Arbeiter:innen sei es möglich, die Hochschulreform zurückzuschlagen und die Probleme der Krise insgesamt anzugehen.

Zu diesem Zweck streben die Studierenden des Hochschulkomitees, eine Vollversammlung an der Uni an, die sowohl Studis, als auch wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Beschäftigte umfasst. Zudem äußerten mehrere Teilnehmende der Veranstaltung den Wunsch, die anstehenden Streiks zu unterstützen. Seit 40 Jahren kämpft die Arbeiter:innenklasse gegen den Neoliberalismus. Dieser hat die Beschäftigten immer weiter gespalten und entmachtet. Die Interessen der Klasse können jedoch nicht indidviduell oder von kleinen Gruppen durchgesetzt werden. Ähnlich wie im Film Pride können wir auch heute unsere Ziele gegen einen gemeinsam Gegner nur erreichen, wenn wir solidarisch zusammenkämpfen.

Am nächsten Mittwoch, 10. März, wird um 19 Uhr ein Online-Treffen stattfinden, auf dem Solidarität mit den Streiks organisiert wird. Aufgerufen dazu hat die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VGK) in München.

Kontakt zum Hochschulkomitee kann über Facebook oder Instagram aufgenommen werden.

Video der gesamten Veranstaltung:

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