Dafür wurde nicht gestreikt!

09.07.2015, Lesezeit 4 Min.
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// DEUTSCHE POST: Vier Wochen Ausstand bei der Post AG wurden von der Gewerkschaftsführung schlicht abgesägt. Das Ergebnis war katastrophal. Doch die Wut über den Ausverkauf des Streiks unter den KollegInnen ist groß. //

Über 30.000 Beschäftigte der Post AG beteiligten sich in den letzten vier Wochen am Vollstreik. Allein in Berlin und Brandenburg waren es rund 2.500 ZustellerInnen. Die zentralen Forderungen von ver.di waren 5,5 Prozent mehr Lohn, eine Arbeitszeitsverkürzung, sowie die Wiedereingliederung der DHL Delivery GmbHs in den Haustarifvertrag des Mutterkonzerns.

Davon ist allerdings nach dem Abschluss der Verhandlungen nicht mehr viel zu sehen. Keine Arbeitszeitverkürzung, die Ausgliederung der Subunternehmen bleibt bestehen und die Reallöhne steigen durch die „Lohnerhöhungen“ faktisch nicht an.

Ihre Interessen und unsere

Die Verhandlungsführerin von ver.di, Andrea Koscis, zeigt sich zufrieden mit diesem Ausgang. Schon während des Streiks offenbarte die Führung, dass sie nicht den Willen hatte, alle Forderungen durchzusetzen. So wurde der Streik hier in vielen Teilen des Landes, darunter Berlin, unheimlich passiv geführt. Gerade einmal zwei Demonstrationen in vier Wochen und eine einzige, kurze „Streikversammlung“ pro Woche, auf der sich die KollegInnen von den BürokratInnen berieseln lassen mussten. Selbst das Wort ergreifen durften sie nicht.

Dabei hatte ver.di immer wieder die Bedeutung dieses Ausstands betont. Besonders die Ausgliederung von 6.500 KollegInnen in die Subunternehmen, in denen lediglich der schlechtere Tarifvertrag der Logistikbranche gilt, wurde immer wieder skandalisiert, praktisch aber nicht angegriffen. Auch der Einsatz von BeamtInnen und LeiharbeiterInnen als StreikbrecherInnen durch die Post AG blieb von ver.di unbeantwortet. Nur auf Initiative von aktiven Basismitgliedern gab es Streikposten, die hätten versuchen können, die StreikbrecherInnen zumindest kurzzeitig am Betreten des Arbeitsplatzes zu hindern. Die Zusammenführung des Poststreiks mit dem aktuellen Streik bei Amazon – einem der größten Kunden der Post – wurde trotz der Forderung von BasisaktivistInnen über symbolische Aktionen in Bad Hersfeld hinaus nicht vorangetrieben.

Das alles waren allerdings keine Fehler der Bürokratie, sondern politisches Kalkül. Durch den Tarifabschluss wurde die Spaltung der Belegschaft keineswegs beendet, sondern die Post kann weiter nach eigenem Ermessen befristete KollegInnen entfristen oder eben auch nicht. Viele KollegInnen drohen nach diesem Ergebnis mit dem Austritt aus der Gewerkschaft. Doch das scheint ver.di wenig zu interessieren. Sie opfern lieber die Interessen der KollegInnen aus den Subunternehmen für ihre sozialpartnerschaftliche Politik mit der Post AG, die Voraussetzung für die Wahrung ihrer eigenen Privilegien als FunktionärInnen ist. Der neue Tarifvertrag hat eine Laufzeit von 32 Monaten, d.h. in dieser Zeit darf nicht gestreikt werden. Diese sogenannte Friedenspflicht verkommt aber schon jetzt zur Farce. Angriffe auf die PostlerInnen in Berlin und Brandenburg gehen bereits kurz nach Ende des Streiks unvermittelt weiter. In einigen Verteilzentren müssen Beschäftigte diese Woche nun Überstunden schieben, um die angestaute Arbeit durchzuführen.

Für den Aufbau klassenkämpferischer, antibürokratischer Basisgruppen

Doch viele KollegInnen wollen sich das nicht mehr gefallen lassen. An vielen Orten gab es inoffizielle Abstimmungen über den Ausgang dieses Streiks. Eine überwältigende Mehrheit der Beschäftigten sprach sich dabei gegen dieses Ergebnis aus. Da dieser Streik jedoch noch nicht von Beschäftigten demokratisch durch Abstimmung begonnen worden ist, brauchte es auch keine Abstimmung über das Ende dieses Streiks. Die ver.di-Bürokratie ignoriert einfach die Meinung ihrer Mitglieder. Dennoch sind sie Ausdruck der Wut der KollegInnen auf die Post AG und die eigene Gewerkschaftsführung.

Im Internet zirkuliert deshalb auch eine von Beschäftigten initiierte Petition, die in kürzester Zeit mehrere hundert Unterschriften sammeln konnte und die unter anderem eine sofortige Urabstimmung über den Tarifabschluss sowie den Rücktritt der Verhandlungsdelegation und der Tarifkommission fordert. Darüber hinaus wäre es notwendig, Konferenzen durchzusetzen, in denen die Streikenden über das Ergebnis abstimmen und Delegierte zu einer bundesweiten Streikkonferenz wählen können, die demokratisch über die Weiterführung des Streiks entscheidet. Ginge es nach den KollegInnen, ist klar: Es muss weiter gestreikt werden, um die Zersplitterung der Post und die zunehmende Prekarisierung zurückzuschlagen. Deshalb ist es notwendig mit diesen KollegInnen weiter zu kämpfen und klassenkämpferische, antibürokratische Basisgruppen aufzubauen.

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