#CoronaRealität: “Ich frage mich, wie ich die nächsten Wochen über die Runde komme”

15.03.2020, Lesezeit 6 Min.
Gastbeitrag

Arbeitslosigkeit, Überlastung, Gefährdung der Patient*innen und Beschäftigten in Krankenhäusern... Wir haben gefragt, welche Auswirkungen der #Coronavirus auf den Alltag und die Arbeitsbedingungen von arbeitenden Menschen hat. Wir haben einige erste Antworten bekommen. Postet unter #CoronaRealität oder in Kommentaren eure eigene Erfahrungen aus dem Alltags- und Arbeitsleben. Lasst uns unsere Stimmen stärken, damit nicht die Arbeiter*innen für diese Krise bezahlen.

1

Schreib deine eigene Erfahrungen gerne in die Kommentarspalte.

„Hey! Ich schicke diese Message wegen eurem letzten Post. Ich bin eine Dichterin aus Brasilien, die ihr Leben in Berlin als Baby-Sitter, Aktmodell und Kellnerin verdient. Seit einer Woche bekomme ich keine Jobs, und die kulturellen Veranstaltungen, die ich in den nächsten Wochen machen sollte, wurden abgesagt. Also bekomme ich kein Geld – weder von schlechten Jobs, noch von den Jobs in meinem Bereich. Dazu habe ich Asthma, gehöre also zu der sogenannten Risikogruppe und muss so viel wie möglich zu Hause bleiben. Ich bin in Berlin ganz alleine ohne Familie und frage mich, wie ich die nächsten Wochen über die Runde komme. Ich weiß, dass ganz viele Leute im Kulturbereich gerade das gleiche Problem haben.“
– Adelaide Ivánova

„Die angeordnete Schließung aller Schulen in Bayern betrifft nun auch die Berufsfachschule für Gesundheitsberufe, in der ich mit wenigen weiteren eine Ausbildung zur Anästhesietechnischen bzw. Operationstechnischen Assistenz absolviere. Zur eigentlichen Eindämmung der Corona-Infektionen sollen vorerst auch unsere Unterrichte entfallen. Allerdings werden wir, anders als in anderen Schulen, nicht zum Selbststudium nach Hause, sondern zur Arbeit in die Kliniken geschickt. Der Hauptgrund der Schließung, also die Infektionsprävention, wird somit untergraben. Das Gesetz sieht vor, dass wir als Auszubildende keine ausgebildeten Fachkräfte ersetzen, sondern zusätzlich zum Stammpersonal eingeteilt werden müssen. Doch während Arbeiter*innen der Zeitarbeitsfirmen abgemeldet werden, arbeiten wir als Auszubildende überwiegend alleine, da es einfach zu wenig Personal gibt, um eine praktische Ausbildung zu gewährleisten.
Die Verschiebung nicht zwingend notwendiger Operationen, sollte ursprünglich u.a. dem Zweck dienen, mehr Personal bereitstellen zu können. In der Praxis wurde die eh schon angespannte Personalsituation durch die Kürzungen jedoch weiter reduziert. Auch ohne Pandemie ist es keine Ausnahme, dass wir als Auszubildende mit dem ärztlichen Personal alleine für unsere Patient*innen zuständig sind. Es ist ebenso nicht ungewöhnlich, dass eine Pflegekraft über mehrere OP-Säle springen muss (vorgesehen wäre eine 1:1-Betreuung) und Pausen aufgrund des Personalmangels nicht regelrecht stattfinden können.“
– S., Auszubildende an einem Münchener Klinikum

„Hey! ich habe euren Post gesehen und wollte euch mitteilen, was ich gestern erlebt habe. Ich war in der Uni, wo ich studiere (UdK) und am Ende des Tages habe ich eine E-Mail bekommen, dass ab Mittwoch die Türen für Studierende und Gäste zu machen. Dann kam ich zum Pförtner und er war ziemlich aufgeregt, hat mich gefragt, ob ich diese E-Mail bekommen habe und was genau das heißt. Ich meinte, ich wüsste auch nicht, aber dass vielleicht dann nur Professoren und Mitarbeiter reinkommen dürften. Er sagte: „Dann bin ich arbeitslos, weil alle diese Leute einen Schlüssel haben.“ Ich habe ihn gefragt, ob er nicht angestellt war, und nein… ich wusste es nicht, aber die Pförtner sind ausgelagerte Arbeiter :/“
– Alice, Studentin

„In den Semesterferien hatte ich einen kleinen, aber gut bezahlten, Honorarjob in Aussicht, der glücklicherweise auch noch genau in dem Fach war, welches ich studiere. Wie so oft bei Honorarjobs im künstlerischen Bereich werden die Verträge nicht Wochen vor Arbeitsbeginn verschickt und unterzeichnet, sondern meist während oder nach der Tätigkeit, so auch bei mir. Ich hatte bereits begonnen, zwei Tage vor Ort und einen Tag im Homeoffice für das Festival zu arbeiten, welches mir die Entwicklung eines Workshops und die Durchführung dessen bezahlen wollte. Am Tag bevor der Workshop hätte stattfinden sollen, musste dieses Festival, welches aus Fördergeldern des Senates finanziert wird, abgesagt werden. Da mir mein Arbeitsvertrag erst zwei Tage vor meinem Workshop nach Hause geschickt wurde, hatte ich noch nicht die Möglichkeit, diesen Vertrag mit allen gewünschten Unterlagen an die zuständige Person vom Festival zurück zu senden. Nun habe ich mir mehrere Tage Arbeit für einen Workshop, der im Endeffekt nicht stattfinden wird, gemacht. Jetzt befinde ich mich gerade in der Schwebe, da immer noch nicht klar ist, ob ich das Geld für den Workshop bekomme oder nur für die bereits erbrachte Leistung, die bei selbständiger Entwicklung im Homeoffice aber vermutlich schlecht gegenüber meinem Arbeitgeber zu argumentieren ist.“
– Student aus Berlin

„Es ist eine Ausnahmesituation…keine Frage. Wir haben bewusst den Job in einem Klinikunternehmen angetreten. Da gibt es ebenfalls keine Frage.
Was mich absolut zur Weißglut bringt, ist die Gefährdung unserer Mitarbeiter*innen und Patient*innen.
Es werden dem Covid-19-Virus sämtliche andere Hygienemaßnahmen untergeordnet.
Bei allem, was nicht Corona heißt, werden gerade ehemalige Hygienebestimmungen runtergefahren.
Der ohnehin schon seit Jahren existierende Personaldruck auf unsere Mitarbeiter*innen wird verschärft und nun werden sie wieder moralisch erpresst. Während Altmaier schon vor Wochen nach Steuererleichterungen für die Wirtschaft rief, bleibt die Finanzierung des Gesundheitssystems unterirdisch.
Wie willst du dann Zeit gewinnen, bis ein Impfstoff gefunden ist?“
– Mario, Krankenhausbeschäftigter

„Seit Januar warten wir auf den Virus und sind in den Kliniken weiter Volllast gefahren. Muss sich ja rechnen. Sie können Geräte zur Beatmung kaufen, aber wer bedient die Teile?
Es war alles auf wirtschaftliche Effizienz getrimmt. So konnte und wollte man sich auch keine Lagerhaltung für Kittel, Masken und Co. leisten.
Flächendeckend musste reduziert werden, Häuser und Notaufnahmen schließen. Usw.
Wer Gesundheitseinrichtungen betreibt wie Autofabriken, riskiert das Leben vieler.
Und ich denke, es tragen auch die Chefetagen der Kliniken ihren Teil. Sie haben die Vorgaben super umgesetzt. Ob Kaufmann, Chefarzt oder Pflegechefin.“
– Anonym, Pflegekraft im Krankenhaus

„Ich möchte als Pflegekraft arbeiten, werde aber nicht genommen, weil mein Führungszeugnis schlecht ist. Die Eintragungen darin haben nichts mit Umgang mit Menschen zu tun. Die beklagen sich über Personalmangel, aber lehnen Bewerber ab, die da sogar Bock darauf hätten. Fehler im System.“
– sophie

„Bibliotheken geschlossen? Was ist mit der Bachelorarbeit?“
– luyissa

Auch auf Facebook werden in diesen Tagen viele Erfahrungsberichte gepostet. Exemplarisch teilen wir hier einen Bericht einer Einzelhandels-Beschäftigten.

Mehr zum Thema