CFM: Protest bei Michael Müllers Märchenstunde

06.05.2019, Lesezeit 6 Min.
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Am Rande einer Feierstunde vor dem 1. Mai ließ sich der regierende Bürgermeister Michael Müller zu einer unerwartet klaren Aussage gegenüber den Beschäftigten der ausgelagerten Charité Facility Management GmbH (CFM) hinreißen: Die Wiedereingliederung sei bereits beschlossene Sache . Doch die Kolleg*innen trauen ihm nicht über den Weg.

Jedes Jahr am Vorabend des 1. Mai lädt der Berliner Bürgermeister zum „Arbeitnehmerempfang“ ins Rote Rathaus. Dort präsentiert er sich zwischen Stehtischen, Häppchen und Bowle zusammen mit dem Berliner DGB-Chef als Verbündeter der Arbeiter*innen. Die offiziellen Einladungen gehen jedoch vor allem an gutbezahlte Hauptamtliche und Amtsträger*innen innerhalb des gewerkschaftlichen Apparats. So besteht das Publikum hauptsächlich aus Menschen, die auch dann noch applaudieren, wenn Müller die unsoziale Politik der SPD im Senat verteidigt und von sich behauptet, er würde er an der Seite der Gewerkschaften für Verbesserungen kämpfen. Ganz so, als wäre seine Partei nicht für hohe Mieten und niedrige Löhne mitverantwortlich.

Die Zusammensetzung des Publikums macht es schon deutlich: Müller und seine Partei sind vor allem die Verbündeten der Gewerkschaftsbürokratie – also jener Funktionär*innen, die aufgebrachte Arbeiter*innen für die SPD mobilisieren, wenn es beispielsweise gegen eine CDU-Regierung geht und die andererseits der SPD diese Arbeiter*innen vom Leib halten, solange sie an der Regierung ist.

Ein gutes Beispiel für dieses Verhältnis zwischen reformistischen Politiker*innen und der Gewerkschaftsführung bot die Rede des Berliner DGB Vorsitzenden Christian Hoßbach: Er prangerte die Steuertricks und erpresserischen Methoden von Amazon an, ebenso wie den hohen Arbeitsdruck, niedrige Löhne und die ständige Überwachung der Arbeiter*innen des Konzerns. Dazu holte er sich gewerkschaftliche Aktivist*innen und Arbeiter*innen von Amazon vor die Bühne, die gerade anlässlich eines internationalen Vernetzungstreffens in Berlin waren. Hoßbach beglückwünschte sie zu ihrem Engagement und erklärte, dass so eine Veranstaltung „zu Berlin passt“. Was er dabei unterschlug: Lohndumping und Arbeitsdruck passen ebenfalls sehr gut zu Berlin. Doch das nächstgelegene Amazon-Werk liegt in Brandenburg und überhaupt geht es ja um einen transnationalen Konzern. Da kann sich der Berliner Senat leicht aus der Verantwortung ziehen und sich problemlos als Gastgeber für kämpferische Gewerkschafter*innen inszenieren.

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CFM-Beschäftigte durchbrechen das Protokoll

Überdeutlich wird die Verantwortung des Senats und der SPD jedoch bei einem Blick auf die öffentlichen Einrichtungen wie Unis, Flughäfen und Krankenhäuser: Viele Dutzend Tochterunternehmen dienen dort zur Tarifflucht aus dem TVöD. Bereits vor 13 Jahren wurde die CFM von SPD und Linkspartei aus der Charité ausgelagert. Da Niedriglöhne und ungleiche Bezahlung dort immer noch der Normalzustand sind, nutzten einige der Kolleg*innen die Gelegenheit der Feierstunde, um Müllers Selbstinszenierung etwas zu stören: Sie entrollten inmitten der Gäste ihr Transparent, hielten Schilder mit der Aufschrift „Charité ist unteilbar!“ und skandierten „Tarifvertrag jetzt!“. Damit unterbrachen sie die durchgeplante Feierstunde zumindest für einen Moment und erinnerten daran, dass Müllers SPD keinesfalls eine Politik im Sinne der Arbeiter*innen macht, sondern Angriffe auf deren Lebensbedingungen immer wieder selbst durchsetzt. In seiner Rede hatte er noch behauptet, die Forderung nach „Gleichem Geld für gleiche Arbeit“ zu unterstützen – doch für ausgelagerte Beschäftigte im öffentlichen Dienst ist das blanker Hohn. Sie erleben seit Jahren, dass sich die Regierung unter Müller nur dann rührt, wenn sie starken Druck durch Streiks und schlechte Presse bekommt.

Im Anschluss besuchten die Kolleg*innen Müller persönlich, um zu erfahren, wie er seine Anbiederung an die Gewerkschaften mit einer Politik der Niedriglöhne in Einklang bringt. Im Gegensatz zu früheren Gelegenheiten, gab es diesmal eine überraschend klare Antwort: Laut Bürgermeister Müller sei die Wiedereingliederung der CFM bereits „Beschlusslage im Aufsichtsrat der Charité“.

Sollte sich diese Ankündigung bewahrheiten, wäre das ein Sieg vieler Kolleg*innen: Nicht nur von der CFM, die zuletzt 2017 eine Lohnerhöhung erkämpft hatten aber damals noch nicht die Wiedereingliederung durchsetzen konnten. Es wäre auch ein Sieg all der anderen Streiks an Berliner Tochterunternehmen. Zuletzt hatten die Physiotherapeut*innen des CPPZ mit mehrwöchigen Streiks ihre Wiedereingliederung erkämpft und damit einen Präzedenzfall für die Rückführung von Krankenhaus-Töchtern geschaffen.

Doch solange es sich nur um eine Behauptung Müllers handelt und der Beschluss nicht öffentlich vorliegt, kann nichts als sicher angesehen werden. Ganz im Gegenteil: Die Aussage diente offensichtlich dazu, die Beschäftigten zu beschwichtigten. Einerseits, um ihren bohrenden Fragen beim Empfang ein Ende zu setzen. Andererseits, um sie von einem Streik zur Angleichung ihrer Löhne und für die Rückführung abzuhalten. Denn genau so ein Streik ist bald zu erwarten: Am 1. Juli endet die Friedenspflicht, die nach dem letzten Tarifkampf an der CFM gilt. Dementsprechend lautete die erste Reaktion der CFM-Kolleg*innen: „Das war doch Müllers Märchenstunde. Wir glauben dem kein Wort.“

Und Vorsicht ist auch geboten. Die Arbeiter*innen des CPPZ lehnen sich nach ihrem erfolgreichen Streik ebenfalls noch nicht zurück, denn bisher ist nicht geklärt, wie die Details der Wiedereingliederung aussehen und ob sie am Ende wirklich gleiches Geld für gleiche Arbeit bekommen. Ebenso ist vielen Beschäftigten der CFM klar: Ohne weiteren Druck wird es keine Zugeständnisse geben.

Außerdem haben sie viel von der Vernetzung und Solidarität mit anderen ausgelagerten Belegschaften profitiert. Das gemeinsame Ziel ist nicht nur, einzelne Rückführungen zu erwirken, sondern alle ausgelagerten Betriebe wieder in die Mutterunternehmen zu holen. In diesem Sinne waren einige der Beschäftigten von CFM und CPPZ unter den Ersten, die kürzlich den Aufruf für gemeinsame Streiks der Töchter gegen Outsourcing unterschrieben haben.

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