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C.L.R. James und Leo Trotzki: Selbstbestimmung für die amerikanischen Schwarzen

03.09.2020, Lesezeit 20 Min.
Übersetzung:
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Leo Trotzki und C.L.R. James (Abbildung: Sou Mi)

Am 4. April 1939 führte C.L.R. James das erste von drei Gesprächen mit Leo Trotzki im mexikanischen Coyoacán. Die zentrale Frage: Sollten Revolutionär*innen die Selbstbestimmung der Schwarzen in den Vereinigten Staaten fordern? Dies ist Teil unserer Sammlung über Marxismus und den Schwarzen Kampf.

Trotzki1: Genosse James schlägt vor, die Frage der Schwarzen in drei Teilen zu diskutieren, wobei der erste Teil der programmatischen Frage der Selbstbestimmung der Schwarzen gewidmet sein sollte.

James: (Es wurde einiges statistisches Material eingeführt, das nicht in den Bericht aufgenommen wurde.) Die grundlegenden Vorschläge für die Schwarze Frage sind bereits verteilt worden und hier ist es nur notwendig, sich mit der Frage der Selbstbestimmung zu befassen. Niemand spricht den Schwarzen das Recht auf Selbstbestimmung ab. Die Frage ist, ob wir dafür eintreten sollten. In Afrika und auf den Westindischen Inseln2 treten wir für die Selbstbestimmung ein, weil eine große Mehrheit der Menschen sie will. In Afrika betrachten die großen Volksmassen die Selbstbestimmung als eine Wiederherstellung ihrer Unabhängigkeit. Auf den Westindischen Inseln, wo wir eine Bevölkerung haben, die in ihrer Herkunft den Schwarzen in Amerika ähnelt, hat sich ein Nationalgefühl entwickelt. Die Schwarzen bilden die Mehrheit. Schon jetzt hören wir unter den Fortgeschritteneren Ideen von einer westindischen Nation, und es ist sehr wahrscheinlich, dass, selbst wenn wir annehmen, dass den Schwarzen volle und freie Rechte als Bürger des Britischen Empire angeboten würden, sie sich wahrscheinlich dagegen stellen würden und absolut frei und unabhängig sein wollen … Es ist fortschrittlich. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir schwächen den Feind. Es versetzt die Arbeiter in die Lage, große Fortschritte auf dem Weg zum Sozialismus zu machen.

In Amerika ist die Situation anders. Ein Schwarzer will verzweifelt ein amerikanischer Bürger sein. Er sagt: „Ich bin von Anfang an hier gewesen; ich habe hier in den ersten Tagen die ganze Arbeit geleistet. Juden, Polen, Italiener, Schweden und andere kommen hierher und haben alle Privilegien. Sie sagen, dass einige der Deutschen Spione sind. Ich werde niemals spionieren. Ich habe niemanden, für den ich spionieren kann. Und doch schließen Sie mich aus der Armee und von den Bürgerrechten aus.“

In Polen und Katalonien gibt es eine Sprach-, Literatur- und Geschichtstradition, die zur wirtschaftlichen und politischen Unterdrückung hinzukommt und die Bevölkerung in ihrer fortschrittlichen Forderung nach Selbstbestimmung zusammenschweißen hilft. In Amerika ist dem nicht so. Betrachten wir bestimmte historische Ereignisse in der Entwicklung des Schwarzen Amerika.

Garvey erhob die Losung „Zurück nach Afrika“, aber die Schwarzen, die ihm folgten, glaubten größtenteils nicht daran, dass sie wirklich nach Afrika zurückkehren würden. Wir wissen, dass diejenigen in Westindien, die ihm folgten, nicht die geringste Absicht hatten, zurück nach Afrika zu gehen, aber sie waren froh, einer militanten Führung zu folgen. Und da gibt es den Fall einer Schwarzen Frau, die von einer weißen Frau in einer Straßenbahn gestoßen wurde und zu ihr sagte: „Warten Sie, bis Marcus an die Macht kommt, und Sie alle werden so behandelt, wie Sie es verdienen.“ Offensichtlich dachte sie nicht an das arme Afrika.

Es gab jedoch diesen Fokus auf die Probleme der Schwarzen, einfach weil die weißen Arbeiter 1919 nicht entwickelt waren. Es gab keine politische Organisation mit irgendeiner Macht, die die Schwarzen und die Weißen zur Vereinigung aufrief. Die Schwarzen waren gerade erst aus dem Krieg zurückgekehrt – sie waren militant und hatten kein Unterstützungsangebot; sie konzentrierten sich natürlich auf ihre eigenen besonderen Angelegenheiten.

Darüber hinaus sollten wir jedoch beachten, dass in Chicago, wo ein Rassenaufstand stattfand, der Aufstand absichtlich von den Arbeitgebern provoziert wurde. Einige Zeit bevor er tatsächlich ausbrach, hatten die Schwarzen und weißen Arbeiter in der Fleischverarbeitung gestreikt und waren durch das Schwarze Viertel in Chicago marschiert, wobei die Schwarze Bevölkerung die Weißen in der gleichen Weise anfeuerte, wie sie die Schwarzen anfeuerte. Für die Kapitalisten war dies eine sehr gefährliche Sache, und sie machten sich daran, Rassenkonflikte zu erzeugen. Irgendwann rasten Autos mit Weißen durch das Schwarze Viertel und schossen auf alle, die sie sahen. Die kapitalistische Presse spielte die Unterschiede hoch und bereitete so die Bühne und initiierte die Ausschreitungen, die stattfanden, um die Bevölkerung zu spalten und den Schwarzen auf sich selbst zurückzuwerfen.

Während der Zeit der Krise gab es eine Wiedergeburt dieser nationalistischen Bewegungen. Es gab eine Bewegung in Richtung des 49. Staates, und die Bewegung, die sich auf Liberia konzentrierte, entwickelte sich. Bis mindestens 1934 nahmen diese Bewegungen ziemlich große Ausmaße an.

Dann kam 1936 die Organisation des CIO. John L. Lewis ernannte eine spezielle Schwarze Abteilung. Der New Deal sandte Signale an die Schwarzen. Schwarze und Weiße kämpften gemeinsam in verschiedenen Kämpfen. Die nationalistischen Bewegungen neigten dazu, zu verschwinden, da der Schwarze die Gelegenheit sah, mit den organisierten Arbeitern zu kämpfen und etwas zu gewinnen.

Die Gefahr, wenn wir eine Politik der Selbstbestimmung befürworten und einimpfen, besteht darin, dass dies der sicherste Weg ist, die Arbeiter im Süden zu spalten und zu verwirren. Die weißen Arbeiter müssen jahrhundertealte Vorurteile überwinden, aber zur Zeit arbeiten viele von ihnen mit den Schwarze in der Gewerkschaft der Landpächter des Südens zusammen, und mit der Zunahme des Kampfes besteht jede Möglichkeit, dass sie ihre jahrhundertealten Vorurteile überwinden können. Aber dass wir vorschlagen, dass der Schwarze diesen schwarzen Staat für sich allein haben soll, ist zu viel von den weißen Arbeitern verlangt, vor allem, wenn der Schwarze selbst nicht die gleiche Forderung stellt. Die Parolen der „Streichung der Schulden“, der „Beschlagnahmung von Großgrundbesitz“ usw. reichen völlig aus, um sie dazu zu bringen, gemeinsam und auf der Grundlage des wirtschaftlichen Kampfes einen vereinten Kampf für die Abschaffung der sozialen Diskriminierung zu führen.

Ich schlage daher konkret vor: (1) Dass wir für das Recht auf Selbstbestimmung sind. (2) Wenn unter den Schwarzen eine Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht aufkommen sollte, sollten wir sie unterstützen. (3) Wir geben uns keine Mühe, diesen Slogan zu erheben und eine unnötige Barriere zwischen uns und dem Sozialismus zu errichten. (4) Es sollte eine Untersuchung über diese Bewegungen durchgeführt werden; die von Garvey angeführte Bewegung, die Bewegung für den 49. Bundesstaat und die Bewegung zu Liberia. Finden wir heraus, welche Bevölkerungsgruppen sie unterstützt haben, und kommen wir auf dieser Grundlage zu einer Meinung darüber, inwieweit es unter den Schwarzen ein Bedürfnis nach Selbstbestimmung gibt.

Curtiss3: Es scheint mir, dass sich das Problem in verschiedene Phasen einteilen lässt:

Was die Frage der Selbstbestimmung betrifft, so ist meines Erachtens klar, dass wir zwar für Selbstbestimmung, sogar bis hin zur Unabhängigkeit, sind, dies aber nicht unbedingt bedeutet, dass wir die Unabhängigkeit befürworten. Was wir befürworten, ist, dass sie in einem bestimmten Fall, an einem bestimmten Ort, das Recht haben, selbst zu entscheiden, ob sie unabhängig sein sollten oder nicht oder welche besonderen Regierungsvereinbarungen sie mit der Mehrheit des Landes haben sollen.

Was die Frage betrifft, ob Selbstbestimmung notwendigerweise reaktionär ist – ich glaube, das ist ein wenig weit hergeholt. Selbstbestimmung für verschiedene Nationen und Gruppen steht nicht im Gegensatz zu einer zukünftigen sozialistischen Welt. Ich glaube, die Frage wurde in einer Polemik zwischen Lenin und Piatakow aus der Sicht Russlands behandelt – der Selbstbestimmung der verschiedenen Völker Russlands bei gleichzeitigem Aufbau eines vereinten Landes. Es gibt nicht unbedingt einen Widerspruch zwischen den beiden. Die sozialistische Gesellschaft wird nicht auf einem unterjochten Volk aufgebaut werden, sondern von einem freien Volk. Der reaktionäre oder fortschrittliche Charakter der Selbstbestimmung wird davon bestimmt, ob sie die soziale Revolution vorantreiben wird oder nicht. Das ist das Kriterium

Was den angesprochenen Punkt betrifft, dass wir eine Sache nicht befürworten sollten, wenn die Massen sie nicht wollen, so ist das nicht richtig. Wir treten nicht für etwas ein, nur weil die Massen es wollen. Die Grundfrage des Sozialismus würde unter diese Kategorie fallen. In den Vereinigten Staaten will nur ein kleiner Prozentsatz des Volkes den Sozialismus, aber dennoch befürworten wir ihn. Sie wollen vielleicht Krieg, aber wir sind dagegen. Die Fragen, die wir zu lösen haben, lauten wie folgt: Wird er bei der Zerstörung des amerikanischen Imperialismus helfen? Wenn eine solche Bewegung entsteht, wird das Volk sie wollen, wenn sich die Situation entwickelt?

Ich gehe davon aus, dass diese nationalistischen Bewegungen, von denen Sie sprechen, über Jahre hinweg fortgeführt wurden und der Kampf jeweils von einer Handvoll Menschen fortgeführt wurde, doch im Moment der sozialen Krise haben sich die Massen solchen Bewegungen angeschlossen. Dasselbe kann möglicherweise im Zusammenhang mit der Selbstbestimmung der Schwarzen geschehen.

Es scheint mir, dass der so genannte Schwarze Gürtel ein überausgebeuteter Teil der amerikanischen Wirtschaft ist. Er weist alle Merkmale eines unterdrückten Teils eines Imperiums auf. Er hat all die extreme Armut und politische Ungleichheit. Er hat die gleiche Finanzstruktur – die Wall Street beutet die kleinbürgerlichen Elemente aus, und im Gegenzug die armen Arbeiter. Er stellt lediglich ein Feld für Investitionen und eine Quelle für Profite dar. Er hat die Merkmale eines Teils eines Kolonialreiches. Es ist auch im Wesentlichen eine regionale Angelegenheit, denn auch die Weißen sind gezwungen, eine Reaktion gegen das Finanzkapital zu spüren.

Es wäre auch interessant, die mögliche zukünftige Entwicklung der Schwarzen Frage zu untersuchen. Wir haben gesehen, dass die Schwarzen, als sie in den Süden gebracht wurden, viele Jahrzehnte lang dort blieben. Als der Krieg kam, wanderten viele in den Norden aus und bildeten dort einen Teil des Proletariats. Diese Tendenz kann nicht mehr funktionieren. Der Kapitalismus expandiert nicht mehr wie früher. Tatsächlich gingen viele von ihnen während der Depression auf die Farmen zurück. Es ist möglich, dass es jetzt statt einer Tendenz zur Auswanderung eine Tendenz gibt, dass die Schwarzen im Süden bleiben.

Und es gibt noch andere Faktoren: Die Frage der Baumwollpflückmaschine, die dazu führen wird, dass die Arbeiter zu Tausenden von der Arbeit vertrieben werden.

Um auf die Frage der Selbstbestimmung zurückzukommen. Es besteht die Möglichkeit, dass inmitten der sozialen Krise die Manifestation des Radikalismus eine doppelte Phase durchläuft: Zusammen mit dem Kampf für wirtschaftliche und soziale Gleichheit kann sich die Forderung nach der Kontrolle des eigenen Staates finden. Selbst in Russland, als die Bolschewiki an die Macht kamen, war das polnische Volk nicht damit zufrieden, dass dies für sie das Ende der Unterdrückung bedeuten würde. Sie forderten das Recht, ihr eigenes Schicksal auf ihre eigene Art und Weise zu kontrollieren. Eine solche Entwicklung ist im Süden möglich.

Die anderen Fragen sind wichtig, aber ich glaube nicht, dass sie grundlegend sind – dass eine Nation ihre eigene Sprache, Kultur und Tradition haben muss. Bis zu einem gewissen Grad haben sie eine eigene Kultur entwickelt. In jeder öffentlichen Bibliothek findet man Bücher – Fiktion, Anthologien usw. –, die ein neues Rassengefühl zum Ausdruck bringen.

Nun bedeutet der Entzug des „Schwarzen Gürtels“ aus der Sicht der Vereinigten Staaten die Schwächung des amerikanischen Imperialismus durch den Rückzug eines großen Investitionsbereichs. Das ist ein Schlag zu Gunsten der amerikanischen Arbeiterklasse.

Es scheint mir, dass die Selbstbestimmung nicht im Gegensatz zum Kampf für soziale und politische und wirtschaftliche Gleichheit steht. Im Norden ist ein solcher Kampf unmittelbar, und die Notwendigkeit ist akut. Im Norden ist die Losung für wirtschaftliche und politische Gleichheit eine agitatorische Losung – eine unmittelbare Frage. Aus praktischer Sicht schlägt niemand vor, die Losung der Selbstbestimmung als eine agitatorische Losung zu erheben, sondern als eine programmatische, die in der Zukunft agitatorisch werden kann.

Es gibt noch einen weiteren Faktor, den man den psychologischen Faktor nennen könnte. Wenn Schwarze denken, dass dies ein Versuch ist, sie abzutrennen, dann wäre es am besten, die Parole so lange zurückzuhalten, bis sie davon überzeugt sind, dass dies nicht der Fall ist.

Trotzki: Ich verstehe nicht ganz, ob Genosse James vorschlägt, die Parole der Selbstbestimmung der Schwarzen aus unserem Programm zu streichen, oder dass wir nicht sagen, dass wir bereit sind, alles für die Selbstbestimmung der Schwarzen zu tun, wenn sie es selbst wollen. Es ist eine Frage für die Partei als Ganzes, ob wir sie streichen oder nicht. Wir sind bereit, ihnen zu helfen, wenn sie es wollen. Als Partei können wir in dieser Frage absolut neutral bleiben. Wir können nicht sagen, dass sie reaktionär sein wird. Sie ist nicht reaktionär. Wir können ihnen nicht sagen, dass sie einen Staat errichten sollen, weil das den Imperialismus schwächen würde und gut für uns, die weißen Arbeiter, wäre. Das wäre gegen den Internationalismus selbst. Wir können ihnen nicht sagen: „Bleibt hier, selbst um den Preis des wirtschaftlichen Fortschritts.“ Wir können sagen: „Es liegt an euch, zu entscheiden. Wenn ihr einen Teil des Landes übernehmen wollt, ist das in Ordnung, aber wir wollen die Entscheidung nicht für euch treffen.“

Ich glaube, dass die Unterschiede zwischen den Westindischen Inseln, Katalonien, Polen und der Situation der Schwarzen in den Staaten nicht so entscheidend sind. Rosa Luxemburg war gegen die Selbstbestimmung Polens. Sie empfand es als reaktionär und fantastisch, so fantastisch wie die Forderung nach dem Recht zu fliegen. Das zeigt, dass sie in diesem Fall nicht über die notwendige historische Vorstellungskraft verfügte. Auch die Grundherren und Vertreter der polnischen herrschenden Klasse waren aus ihren eigenen Gründen gegen die Selbstbestimmung.

Genosse James verwendete drei Verben: die Idee der Selbstbestimmung „zu unterstützen“, „zu befürworten“ und „einzuimpfen“. Ich schlage nicht vor, dass die Partei die Idee der Selbstbestimmung befürwortet, ich schlage nicht vor, sie einzuimpfen, sondern nur unsere Verpflichtung zu verkünden, den Kampf für Selbstbestimmung zu unterstützen, wenn die Schwarzen es selbst wollen. Das ist keine Frage unserer Schwarzen Genossen. Es ist eine Frage von 13 oder 14 Millionen Schwarzen. Die Mehrheit von ihnen ist sehr rückständig. Sie sind sich nicht ganz im Klaren darüber, was sie jetzt wollen, und wir müssen ihnen einen Kredit auf die Zukunft gewähren. Sie werden dann entscheiden.

Was Sie über die Garvey-Bewegung gesagt haben, ist interessant – aber es beweist, dass wir vorsichtig und breit aufgestellt sein müssen und uns nicht auf den Status quo stützen dürfen. Die Schwarze Frau, die zu der weißen Frau sagte: „Warten Sie, bis Marcus an der Macht ist. Dann werden wir wissen, wie wir Sie zu behandeln haben“, drückte einfach ihren Wunsch nach einem eigenen Staat aus. Die amerikanischen Schwarzen versammelten sich unter dem Banner der „Zurück nach Afrika“-Bewegung, weil es eine mögliche Erfüllung ihres Wunsches nach einem eigenen Heim zu sein schien. Eigentlich wollten sie gar nicht nach Afrika gehen. Es war der Ausdruck eines mystischen Wunsches nach einer Heimat, in der sie frei von der Herrschaft der Weißen sein würden, in der sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen könnten. Das war auch ein Wunsch nach Selbstbestimmung. Einst wurde er von einigen in einer religiösen Form ausgedrückt, jetzt nimmt er die Form eines Traums von einem unabhängigen Staat an. Hier in den Vereinigten Staaten sind die Weißen so mächtig, so grausam und reich, dass der arme Schwarze Pächter nicht einmal zu sich selbst zu sagen wagt, dass er einen Teil seines Landes für sich beanspruchen wird. Garvey sprach in glühenden Worten, dass es schön sei und dass hier alles wunderbar sein würde. Jeder Psychoanalytiker wird sagen, dass der eigentliche Inhalt dieses Traums darin bestand, ein eigenes Heim zu haben. Das ist kein Argument dafür, die Idee einzuimpfen. Es ist nur ein Argument, mit dem wir die Möglichkeit voraussehen können, dass sie ihrem Traum eine realistischere Form geben.

Unter der Bedingung, dass Japan in die Vereinigten Staaten einmarschiert und die Schwarzen zum Kampf aufgerufen werden – sie könnten sich zuerst von der einen und dann von der anderen Seite bedroht fühlen und schließlich erwacht sagen: „Wir haben mit keinem von euch etwas zu tun. Wir werden unseren eigenen Staat haben.“

Aber der schwarze Staat könnte in eine Föderation eintreten. Wenn es den amerikanischen Schwarzen gelänge, einen eigenen Staat zu schaffen, würden sie nach einigen Jahren der Genugtuung und des Stolzes auf die Unabhängigkeit sicher das Bedürfnis verspüren, in eine Föderation einzutreten. Selbst wenn Katalonien, das eine sehr industrialisierte und hochentwickelte Provinz ist, seine Unabhängigkeit realisiert hätte, wäre es nur ein Schritt zur Föderation gewesen.

Die Juden in Deutschland und Österreich wollten nichts mehr als die besten deutschen Chauvinisten sein. Der erbärmlichste von allen war der Sozialdemokrat Austerlitz, der Herausgeber der Arbeiterzeitung. Aber jetzt, mit der Wende der Ereignisse, lässt Hitler nicht zu, dass sie deutsche Chauvinisten sind. Jetzt sind viele von ihnen Zionisten, palästinensische Nationalisten und anti-deutsch geworden. Vor kurzem sah ich ein widerliches Bild von einem jüdischen Schauspieler, der in Amerika ankommt und sich bückt, um den Boden der Vereinigten Staaten zu küssen. Dann bekommen sie ein paar Schläge mit den faschistischen Fäusten in den Vereinigten Staaten und sie gehen hin, um den Boden Palästinas zu küssen.

Es gibt noch eine andere Alternative zu der erfolgreichen revolutionären. Es ist möglich, dass der Faschismus mit seinem Rassenwahn und seiner Unterdrückung an die Macht kommt und die Reaktion der Schwarzen in Richtung Rassenunabhängigkeit geht. Der Faschismus in den Vereinigten Staaten wird sich gegen die Juden und die Schwarzen richten, aber besonders gegen die Schwarzen, und zwar auf schreckliche Weise. Es wird eine privilegierte Situation für die amerikanischen weißen Arbeiter auf dem Rücken der Schwarzen geschaffen werden. Die Schwarzen haben alles getan, um ein integraler Bestandteil der Vereinigten Staaten zu werden, sowohl in psychologischer als auch in politischer Hinsicht. Wir müssen voraussehen, dass ihre Reaktion während der Revolution ihre Macht zeigen wird. Sie werden mit einem großen Misstrauen gegenüber den Weißen auftreten. Wir müssen in dieser Angelegenheit neutral bleiben und die Tür für beide Möglichkeiten offenhalten und ihnen unsere volle Unterstützung zusagen, wenn sie ihren eigenen unabhängigen Staat schaffen wollen.

Soweit ich informiert bin, scheint mir, dass die Haltung der KP, daraus eine gebieterische Parole zu machen, falsch war. Es ging darum, dass die Weißen den Schwarzen sagten: „Ihr müsst für euch selbst ein Ghetto schaffen“. Das ist taktlos und falsch und kann nur dazu dienen, die Schwarzen abzustoßen. Ihre einzige Interpretation kann sein, dass die Weißen von ihnen getrennt werden wollen. Unsere Schwarzen Genossen haben natürlich das Recht, an solchen Entwicklungen näher teilzuhaben. Unsere Schwarzen Genossen können sagen: „Die Vierte Internationale sagt, wenn es unser Wunsch ist, unabhängig zu sein, wird sie uns in jeder Hinsicht helfen, aber wir haben die Wahl. Als ein Schwarzes Mitglied der Vierten Internationale vertrete ich jedoch die Ansicht, dass wir im gleichen Staat wie die Weißen bleiben müssen“ und so weiter. Er kann sich an der Herausbildung der politischen Ideologie der Schwarzen beteiligen.

James: Ich bin sehr froh, dass wir diese Diskussion geführt haben, denn ich stimme Ihnen voll und ganz zu. Die Idee in Amerika scheint zu sein, dass wir uns dafür einsetzen sollten, wie es die KP getan hat. Sie scheinen zu glauben, dass es eine größere Wahrscheinlichkeit gibt, dass die Schwarzen Selbstbestimmung wollen, als ich es für wahrscheinlich halte. Aber wir sind uns hundertprozentig einig über die von Ihnen vorgebrachte Idee, dass wir in der Entwicklung neutral sein sollten.

Trotzki: Es ist das Wort „reaktionär“, das mich gestört hat.

James: Lassen Sie mich aus dem Dokument zitieren: „Wenn er Selbstbestimmung wollte, dann wäre es, so reaktionär es auch in jeder anderen Hinsicht sein mag, die Sache der revolutionären Partei, diese Losung zu erheben.“ Ich betrachte die Idee der Trennung als Rückschritt, soweit es eine sozialistische Gesellschaft betrifft. Wenn die weißen Arbeiter dem Schwarzen die Hand reichen, wird er die Selbstbestimmung nicht wollen.

Trotzki: Es ist zu abstrakt, denn die Verwirklichung dieser Losung kann nur erreicht werden, wenn die 13 oder 14 Millionen Schwarzen das Gefühl haben, dass die Herrschaft der Weißen beendet ist. Für die Möglichkeit der Verwirklichung eines unabhängigen Staates zu kämpfen, ist ein Anblick des großen moralischen und politischen Erwachens. Es wäre ein gewaltiger revolutionärer Schritt. Dieser Aufstieg hätte sofort die besten wirtschaftlichen Folgen.

Curtiss: Ich denke, man könnte eine Analogie in Bezug auf die Kollektive und die Verteilung der großen Ländereien ziehen. Man könnte die Zersplitterung großer Ländereien in kleine Parzellen als reaktionär ansehen, aber das ist nicht unbedingt so. Aber diese Frage liegt bei den Bauern, ob sie die Ländereien kollektiv oder individuell betreiben wollen. Wir beraten die Bauern, aber wir zwingen sie nicht – es liegt an ihnen. Einige würden sagen, dass die Aufteilung der großen Ländereien in kleine Parzellen wirtschaftlich reaktionär wäre, aber dem ist nicht so.

Trotzki: Das war auch die Position von Rosa Luxemburg. Sie behauptete, dass die Selbstbestimmung ebenso reaktionär wäre wie die Zerstückelung der großen Ländereien.

Curtiss: Die Frage der Selbstbestimmung ist auch mit der Frage des Bodens verbunden und muss nicht nur in ihren politischen, sondern auch in ihren wirtschaftlichen Erscheinungsformen betrachtet werden.

Quelle des englischsprachigen Originals: Bulletin of Marxist Studies No. 4 (New York: Pioneer Publishers, 1962) / Transkription: Marxists Internet Archive 

Fußnoten

1. Diese Niederschrift wurde im Juni 1939 im internen Bulletin der Sozialistischen Arbeiterpartei abgedruckt. Aus Sicherheitsgründen wurden die Namen als Pseudonyme aufgeführt: „Crux“ für Trotzki, „Johnson“ für C.L.R. James und „Carlos“ für Charles Curtiss. Diese Pseudonyme wurden hier durch die richtigen Namen ersetzt.

2. „Westindischen Inseln“ war eine Bezeichnung für die Inseln der Karibik.

3. Charles Curtiss (1908-1993) war Mitglied des Nationalen Komitees der Sozialistischen Arbeiterpartei und Repräsentant der Vierten Internationale in Mexiko von 1938 bis 1939.

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