Berlin: Warnstreik der IG Metall

04.05.2012, Lesezeit 5 Min.
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Am 3. Mai versammelten sich in Berlin-Tempelhof circa 500 ArbeiterInnen von Daimler, Gillette und anderen Betrieben während eines Warnstreiks zu einer zentralen Kundgebung der IG Metall am S-Bahnhof Alt-Mariendorf.

Die Aktion fand im Rahmen der Tarifauseinandersetzungen der IG Metall statt, deren Hauptforderungen eine Lohnerhöhung von 6,5%, die unbefristete Übernahme aller Auszubildenden und „faire Leiharbeit“ sind.

Die Forderung nach unbefristeter Übernahme aller Auszubildenden sollte von allen linken Gruppen und AktivistInnen unterstützt werden. Sie schlägt den Prekarisierungsinteressen des Kapitals direkt entgegen und kann einen Brückenkopf zu den erfahrungsgemäß kämpferischsten Sektoren der IG Metall schlagen: den jugendlichen ArbeiterInnen.

Der an der Kundgebung teilnehmenden und offensichtlich kampfbereiten Belegschaft, unter der sich auch LeiharbeiterInnen befanden, war die Forderung nach „fairer Leiharbeit“ als offenkundiges Beispiel der sozialpartnerschaftlichen Heuchelei jedoch kaum zu verkaufen. So war auf einem großen Transpi der Gruppe „Alternative“ aus dem Berliner Daimler-Werk die Forderung zu lesen, jede Leiharbeit durch Übernahme in die Stammbelegschaften abzuschaffen. Die GewerkschaftsfunktionärInnen und Betriebsräte schienen sich gezwungen zu sehen, dieses Thema in ihren Reden nur in unkonkreter aber scheinradikaler Rhetorik anzusprechen.

Letztere profilierten sich im Kontrast zur allgemein-europäischen Klassenkampf-Realität als unverhohlen sozialpartnerschaftlich. So rühmte man sich für die von den Konzernen und ihrer Kanzlerin gelobte, „vernünftige“ Zurückhaltung in den Tarifverhandlungen vergangener Jahre, die ja immerhin vor dem Hintergrund der Krise statt fanden. Bei dieser Gelegenheit wurde dann auch gleich die Propaganda des vermeintlichen Sozialpartners reproduziert: Die Politik der BRD sei zwar auch nicht ganz koscher, jedoch sei die Behauptung, dass Portugal und co. „über ihre Verhältnisse“ gelebt hätten, wenigstens „ein Teil der Wahrheit“. Die entsprechenden „Rettungspakete“, die radikale Einschnitte in den Lebensstandards der arbeitenden Bevölkerung Griechenlands diktierten, wurden ausschließlich dahingehend kritisiert, dass sie doch bitte auch von den Unternehmen mitgetragen werden sollten.

Ein bisschen Internationalismus war trotz allem zu spüren, als solidarische Grüße aus einem Gillette-Werk im polnischen Lodz überbracht wurden. Dort kämpfen ArbeiterInnen vor allem gegen das deutsche Exportgut der Rente mit 67. Von gemeinsamen Streiks war jedoch nicht die Rede. Statt dessen wurden Unterschriften für eine Petition gesammelt – Klassenkampf sieht jedoch anders aus.

Eine weitere Solidaritätsbotschaft kam von einer ver.di-Funktionärin, die sich erfrischenderweise darum bemühte, den Streik etwas linksgerichtet zu politisieren, indem sie die Lohnkonkurrenz der Leiharbeit mit der Unterbietungskonkurrenz auf gesamt-europäischer Ebene verglich und von allgemeinen Engpässen in den Sozialkassen der BRD sprach. Die Perspektive eines gemeinsamen Streiks von IG Metall und ver.di (in diesem Fall bei der Telekom) wurde unverbindlich angedeutet. Sie würde Realität werden können, wenn die Verhandlungen bis Pfingsten erfolglos blieben, was ein IG Metall-Sprecher als Grund für eine „Eskalation der Streiks“ angab.

Die Gewerkschaftsbürokratie war jedoch sichtlich bemüht, einer solchen Eskalation tunlichst entgegen zu wirken. Die lautstark kampfeswillige Stimmung der anwesenden Belegschaften fand ihren Gegenpol in den Aufforderungen der Betriebsräte und GewerkschaftsfunktionärInnen am Mikrophon, nach der Kundgebung geordnet wieder in die Betriebe zu gehen. Das Bemühen, den „ordnenden“ Anweisungen der Bullen Folge zu leisten, steigerte sich bis hin zur mehrmaligen Danksagungen an „die Kollegen der Polizei“ für ihre tatkräftige Unterstützung. Dass diese vermeintlichen KollegInnen im Falle einer tatsächlichen Eskalation die Ersten sind, die die angebliche Sozialpartnerschaft mit dem Schlagstock aufkündigen, schien ebenso fremd, wie die Tatsache, dass sich genau diese Perspektive schon heute in den Ländern Südeuropas zeigt.

Die Kampfbereitschaft der MetallerInnen war am Donnerstag deutlich erkennbar. Ebenso deutlich zeigte sich jedoch die Notwendigkeit, die Gewerkschaften über einen Sturz der sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsbürokratie demokratisch umzugestalten, um die kampfbereite ArbeiterInnenschaft mit ihrer klasseneigenen Waffe zu rüsten. Zu diesem Zweck müssen alle FunktionärInnen von der Gewerkschaftsbasis gewählt, kontrolliert und jederzeit abwählbar sein. Die Gehälter der FunktionärInnen dürfen die des Durchschnitts der organisierten ArbeiterInnen nicht übersteigen. Ganz so wie bei der Gewerkschaft SOECN, der argentinischen Keramikfabrik Zanon, welche aus ihren letzten Kämpfen im Zustand der ArbeiterInnenkontrolle hervorging[1]. Um diese Umstrukturierungen anzugehen, benötigt es heute der Forderung nach Tendenzfreiheit innerhalb der Gewerkschaften.

Nur Gewerkschaften unter der direkten Kontrolle der Beschäftigten, können eine tatsächliche „Eskalation der Streiks“ der bereits laufenden Eskalation des deutschen Imperialismus auf nationaler und internationaler Ebene entgegensetzen.

Fußnote

1. Mehr zu SOECN und Zanon in der Broschüre von RIO: Zanon gehört den ArbeiterInnen!

Bericht von Wladek Flakin auf Indymedia
Bericht von Wladek Flakin in der jungen Welt

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