Berlin: Über 400 Teilnehmer:innen vernetzen sich mit der Krankenhaus­bewegung

22.04.2021, Lesezeit 4 Min.
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Pflegestreik an der Charité 2017. Bild: Simon Zamora Martin

Bei der gestrigen Stadtversammlung der Berliner Krankenhausbewegung diskutierten über 400 Teilnehmer:innen, wie der Kampf der Krankenhausbeschäftigten mit anderen Kämpfen der Stadt zusammengeführt werden kann. Neben Beschäftigten der Berliner Krankenhäuser und deren diversen Tochterunternehmen beteiligten sich auch Kampagnen wie Gesundheit ohne Profite und Deutsche Wohnen & Co. enteignen (DWE) an der Diskussion.

Ziel der Kampagne ist ein Tarifvertrag für alle Berliner Krankenhausbeschäftigten. Der Pflegeschlüssel und die Bezahlung nach TVöD für alle Krankenhausbeschäftigten sollen tariflich festgeschrieben werden. Bislang haben die Tochterunternehmen entweder gar keinen Tarifvertrag oder Gehälter, die weit unter denen der restlichen Krankenhausbeschäftigten liegen. Einige Beschäftigte verdienen gerade einmal 1600 Euro brutto. Damit kann man in Berlin nicht mehr auskommen.

Durch die Corona-Pandemie hat sich die Situation an den Krankenhäusern nochmals stark verschärft. So berichtete auf der Stadtversammlung eine Intensivpflegekraft aus der Charité, wie sie lediglich zu zweit eine Intensivstation betreuen musste. In dieser Nacht gab es mehrere Notaufnahmen, was dazu geführt hat, dass ein Patient mit Hirnblutung nicht so umfassend versorgt werden konnte, wie es nötig gewesen wäre. Sein Zustand verschlechterte sich dadurch massiv. Kurze Zeit später verstarb er. Eine Geschichte von vielen.

Auch Beschäftigte von Labor Berlin, einem gemeinsamen Tochterunternehmen von Vivantes und der Charité, berichteten von Lohnunterschieden von bis zu 1000 Euro zwischen Beschäftigten mit und ohne TVöD. Den Mitarbeiter:innen wurde seit der Gründung 2015 der TVöD versprochen – bis heute ohne Konsequenzen. Auch im Bereich der Auszubildenden steigt der Druck enorm. Der Personalmangel wirkt sich massiv auf die Qualität der Ausbildung neuer Pfleger:innen aus. Ein Azubi berichtete, wie die Kolleg:innen auf seiner Station gar keine Zeit haben, ihn anzulernen. Schon vor der Prüfung wird er als volle Kraft eingesetzt.

Es gibt auch viel Unterstützung von unterschiedlichsten Initiativen wie Fridays for Future, den Kritischen Mediziner:innen, von Patienten- und Angehörigen-Verbänden sowie auch von Deutsche Wohnen und Co. Enteignen (DWE). Elke Kuhne von DWE sprach von der Verbindung beider Kämpfe, da bezahlbarer Wohnraum für alle genauso wichtig ist wie genügend Krankenhausbeschäftigte. „Nicht nur unsere mickrigen Lohnerhöhungen werden von den steigenden Mieten aufgefressen“, stellte sie fest, „Deutsche Wohnen dringt auch in den Markt von Pflegeimmobilien vor.“

Wie will die Berliner Krankenhausbewegung den Tarifvertrag erkämpfen?

Wir befinden uns in Zeiten des Wahlkampfes. Politiker:innen glänzen gerne mit schönen Versprechen, die sie nach den Wahlen aber schnell wieder vergessen. Deshalb möchte die Berliner Krankenhausbewegung noch vor den Wahlen am 26. September einen Tarifvertrag erwirken. Dana Lützkendorf forderte auf der Stadtversammlung: “Entweder Tarifvertrag oder Streik vier Wochen vor den Wahlen.” Momentan werden für Petitionen in den Krankenhäusern Unterschriften gesammelt, die dann am 12. Mai der Berliner Regierung und den Klinikleitungen vor dem Roten Rathaus übergeben werden sollen. Verbunden mit einem Ultimatum: wird binnen 100 Tagen kein Tarifvertrag unterschrieben, soll gestreikt werden.

Doch wie kann in der Zwischenzeit mehr Druck auf die Regierung aufgebaut werden? Und wie können die Kämpfe von DWE und der Berliner Krankenhausbewegung zusammengeführt werden? Wenn beide Initiativen gemeinsam bis zum 12. Mai vor den Krankenhäusern Unterschriften sammeln würden, könnten sie sich gegenseitig stärken. Auch wäre es eine Möglichkeit gemeinsame Demos oder Kundgebungen zu organisieren. Beide Initiativen wollen am 1. Mai auf der 11-Uhr-Demo gemeinsam im Enteignen-Block laufen, doch leider mobilisieren sie noch nicht öffentlich. Wenn die Beschäftigten es für realistisch und wirkungsvoll halten, sollten bereits vor September Warnstreiks organisiert werden. Andersherum wäre ein wirklicher Streik der Krankenhäuser für die Forderung von DWE das wohl mächtigste Mittel, um die Enteignungen wirklich durchzusetzen.

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