Auf die Straßen am 25.11. – Gewalt an Frauen stoppen!

25.11.2018, Lesezeit 6 Min.
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Frauen sind ständig unterschiedlichen Formen von Gewalt ausgesetzt, die alle Lebensbereiche umfassen. Deshalb gehen wir am 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, auf die Straße.

Am 25. November jeden Jahres demonstrieren weltweit Frauen und solidarische Menschen gegen die Gewalt, der wir Frauen tagtäglich ausgesetzt sind. Die Zahlen sind immer wieder schockierend: 40 Prozent der Frauen in Deutschland erlebten seit ihrem 16. Lebensjahr körperliche und/oder sexualisierte Gewalt. Ein Viertel der Taten wurde von aktuellen oder früheren Partnern begangen. Im Jahr 2017 wurde in Deutschland durchschnittlich alle drei Tage eine Frau von ihrem aktuellen oder früheren Lebensgefährten ermordet.

Diese neuen Statistiken des Bundeskriminalamtes haben zur breiteren Thematisierung des Frauenmordes (Femizid) geführt. Körperliche und sexualisierte Gewalt an Frauen wird von vielen bürgerlichen Demagog*innen immer noch als Abweichung der gesellschaftlichen Norm dargestellt. Die Taten werden auf pathologische Veranlagungen des Einzelnen reduziert. Bei migrantischen Täter*innen/Opfern werden Kulturrassismen bedient. Gewalt gegen lesbische, bisexuelle und Transgenderfrauen kommt hingegen oft gar nicht zur Sprache. Mit der Fokussierung auf den Begriff der „häuslichen Gewalt“ versuchen die Herrschenden, strukturelle Gewalt gegen Frauen in das Private zu verschieben und diese auf Beziehungsebene zu reduzieren. Hinter ihr verbirgt sich jedoch ein Mechanismus, der tief in unserer Produktionsweise verankert ist. Disziplinierung, Gehorsamkeit, Zwang, Kontrolle und Einschüchterung von Frauen hat das Ziel, die patriarchale soziale Ordnung aufrecht zu erhalten. Diese Ordnung wird geschützt durch den kapitalistischen Staat, dessen Funktionen die Grundsäule der Prekarisierung und des Frauenmordes bilden.

Die Gewalt an Frauen erschöpft sich nicht in Mord oder Vergewaltigung. Sie findet in allen Lebensbereichen statt und tritt in unterschiedlichen Stufen und Ausdrucksformen auf.

Die weiblichen Opfer imperialistischer Kriege sind ein Ausruck. Sie erfahren in militärischen Angriffen und auf der Flucht an Grenzzäunen und auf überfüllten Rettungsbooten körperliche und sexualisierte Gewalt. In Lagern sind geflüchtete Frauen den Übergriffen von Polizei und privaten Securityfirmen oft schutzlos ausgesetzt. Es ist ihnen aufgrund der vorherrschenden Machtverhältnisse schwer möglich, sexualisierte und körperliche Übergriffe anzuzeigen. Die fehlende Privatsphäre in Lagern, sowie ständige unbegründete Razzien sind vor allem für junge Frauen und Mütter eine Zumutung. Ständige Anhörungen, Einschränkung von Bewegungsfreiheit (z.B. Residenzpflicht), Bildungs- und Arbeitsverbote und familiäre Trennungen durch willkürliche Bleiberechtsentscheidungen üben enormen psychischen Druck auf Frauen aus. Auf Ämtern und in Gerichtssälen werden unsere kurdischen Genoss*innen wegen ihrer politischen Arbeit von der Justiz stigmatisiert und kriminalisiert. Die Regierungen von Bund und Ländern tragen Verantwortung für Gewalt an Frauen, wenn sie das Recht auf Asyl, Familiennachzug und das Informationsrecht über Abtreibungen verweigern, oder sexistische und rassistische Gesetze wie das PAG und PKHG verabschieden.

In der Medizin führt die strukturelle Fixierung auf männliche Gesundheit zu körperlichem und seelischem Schaden an Frauen. Die meisten Verhütungsmittel, die Frauen und Mädchen zur Verfügung stehen, haben negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit. Die Nebenwirkungen von Hormonpräparaten reichen von Schmerzen bis hin zu Lungenversagen, auch das Einsetzen von Spiralen ist mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Dabei ist die Aufklärung über Verhütungsmethoden in Schulen, Elternhäusern und Medien rudimentär und willkürlich. Auch Abtreibung ist nicht nur gesellschaftlich tabuisiert, sondern fast überall auf der Welt durch Kirche und Staat illegalisiert. Fast die Hälfte der Abtreibungen weltweit (20 von 47 Millionen) finden unter unsicheren Bedingungen statt. Bei diesen Eingriffen sterben jährlich 68.000 Frauen. In Deutschland sind die Bedingungen für Straffreiheit hoch und wirken letztendlich als Bestrafung von Frauen und Mädchen für ungewollte Schwangerschaften.

Doch auch wenn eine Schwangerschaft gewollt ist und Frauen das Kind austragen, können sie Gewalt erfahren. Nicht selten nehmen Ärzt*innen während der Geburt unabgesprochene, irreversible Eingriffe (z.B. Dammschnitt) an Patient*innen vor. Die Kaiserschnittrate in Deutschland liegt bei ungefähr 33 Prozent, während die WHO bei maximal 10 Prozent der Geburten einen solchen Eingriff empfiehlt. Ein Kaiserschnitt wird im deutschen Fallpauschalen-System besser bezahlt als eine Spontangeburt. Gesundheit wird hier zum Geschäft – häufig auf Kosten der Patient*innen.

Die Sexualisierung des weiblichen Körpers und der permanente Druck, immer rigoroseren Schönheitsidealen zu entsprechen, zwingt Frauen zu teilweise lebensbedrohlichen Eingriffen und begünstigt psychische Krankheiten wie etwa Essstörungen, von denen Mädchen und Frauen überproportional betroffen sind. Frauen, die nicht in die Geschlechternormen der patriarchalen Gesellschaft passen, werden von staatlichen und religiösen Institutionen verfolgt und sind tagtäglich verbalen und physischen Angriffen ausgesetzt. Auch Frauen, die von der Klassengesellschaft stigmatisierte Berufe ausüben, sind meist vor Gewaltangriffen schutzlos.

Fast alle von uns haben eine oder mehrere Formen von psychischer, körperlicher, sexualisierter oder staatlich-institutionalisierter Gewalt erlebt. Was die verschiedenen Formen patriarchaler Gewalt vor allem verbindet, ist, dass ihre Hintergründe und Motive einander ähneln: Es geht um die Kontrolle unserer Körper und Arbeitsfähigkeit, die Unterdrückung unseres Widerstands und die Aufrechterhaltung eines status quo, welcher uns abwertet. An jedem Ort und zu jeder Zeit ist ein Glied der Kette der strukturellen Gewalt in der Klassengesellschaft zu finden – durch den Staat und dessen Institutionen und Repressivkräfte, die Schule, die Kirche und die Medien, in der Arbeitswelt und auf der Straße. Wir, die Frauen von Brot und Rosen, sind der Meinung, dass der Schutz durch den kapitalistischen Staat keine Antwort auf die Gewalt ist. Denn letztlich ist es genau der Staat, der das patriarchale und kapitalistische System aufrechterhält, das die Wurzel unserer Unterdrückung und Ausbeutung ist. Deshalb müssen wir uns unabhängig von staatlichen Strukturen und von den kapitalistischen Parteien organisieren, und gemeinsam mit allen, die sich gegen den Kapitalismus und seine Auswirkungen wehren wollen, für eine ganz andere Gesellschaft kämpfen.

Wenn wir uns von aller Art der Gewalt befreien wollen, müssen wir mit all den Überresten dieser Gesellschaft aufgeräumt haben, die auf der Ausbeutung und Unterdrückung von Millionen von Menschen beruht – und auf ihren Trümmern eine neue sozialistische Gesellschaft aufbauen.

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