Arbeiter*innen melden sich im Wahlkampf zu Wort

21.09.2017, Lesezeit 4 Min.
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Um den Wahlkampf so ruhig wie möglich über die Bühne zu bringen, haben sich alle bürgerlichen Parteien auf einen Nicht-Angriffspakt geeignet. Die wichtigen Themen – die sozialen Probleme der arbeitenden Bevölkerung – sollen nicht besprochen werden. Doch immer wieder nutzen Arbeiter*innen die Bühne, die sie in Fernsehformaten bekommen, um die Spitzenpolitiker*innen mit ihren Forderungen zu konfrontieren.

In Deutschland herrscht gerade Wahlkampf, doch niemanden scheint es wirklich zu interessieren. Die großen Parteien haben sich stillschweigend daruf geeinigt, die großen sozialen und demokratischen Probleme des Deutschlands der Mini-Jobs und des Rechtsterrorismus unter den Tisch fallen zu lassen. Auch die Umfragewerte verheißen nicht zu Spannung am Wahlabend: Uns erwarten vier weitere Jahre Angela Merkel.

Nur von rechts mischt die AfD den Wahlkampf mit einer rassistischen und sexistischen Kampagne auf, die zwar für Empörung sorgt, aber ohne eine klare antifaschistische und antikapitalistische Alternative bleibt diese Wut gegen rechts passiv.

Doch es gibt auch Positives: Immer wieder melden sich Arbeiter*innen zu Wort, die ihre Arbeitsbedingungen thematisieren. Vor allem Arbeiter*innen aus der Pflege konfrontieren die bürgerlichen Politiker*innen mit ihrer Politik, die Schuld an ihrer miserablen Situation sind. Dabei nutzen sie den Wahlkampf immer wieder als Bühne, um auf ihre schlechten Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen und die Verantwortlichen klar zu benennen.

So zum Beispiel der junge Krankenpfleger Alexander Jorde. In der Sendung „Wahlarena“ konfrontierte er die Kanzlerin mit dem Personalmangel in der Pflege. Er ließ sich dabei nicht von den leeren Worten von Angela Merkel abspeisen und fragte immer wieder konkret nach, was getan werden kann, um den Pflegenotstand zu verhindern.

In der Sendung „Klartext Frau Merkel!“ sprach die Putzkraft und Betriebsrätin Petra Vogel die Kanzlerin auf das Thema Rente an. Die Betriebsrätin geht selbst in fünf Jahren in Rente. Hier erwartet sie 650 Euro im Monat. „Wasser und Brot und feddich“ fasst sie ihre zukünftige Situation zusammen. Auf die Frage, warum es kein Rentenmodell nach österreichischem Vorbild gebe, bei dem Rentner*innen wesentlich mehr erhalten würden, antwortete Merkel mit der Einführung der Riester-Rente und der privaten Vorsorge. Vogel und eine weitere Zuschauerin machten sofort deutlich, wie lächerlich diese Antwort angesichts des geringen Gehalts der Putzkraft ist. Die mutige Arbeiterin machte damit deutlich, was die Kanzlerin für die Belange der Lohnabhängigen übrig hat: Spott, Desinteresse und ein Weiter-So bei der Altersarmut.

Bekannt wurde auch der Auftritt von Dana Lützkendorf, die als Krankenpflegerin in der Charitè arbeitet und bei einer Talkshow zur Wahl als Zuschauerin Fragen stellte. Da sie seit längerer Zeit ein aktives Mitglied der Linkspartei ist, schlug ihr nach dem Fernsehauftritt ein rechter Shitstorm entgegen. Plötzlich ging es nicht mehr um ihre schlechten Arbeitsbedingungen, an der auch die Linkspartei eine Mitschuld trägt, sondern nur noch um ihre Parteimitgliedschaft. Dabei waren ihre Arbeitsbedingungen als Krankenpflegerin der eigentlich Grund für ihre Wortmeldung. Ihre persönliche Wahlentscheidung machte hingegen nur einen sehr geringen Teil ihrer Wortmeldung aus. Sie sagte:

Es kommt nicht selten vor dass Kolleg*innen Doppelschichten machen, obwohl es gegen das Arbeitszeitgesetz verstößt, weil eben kein Ersatz da ist.

In anderen Ländern geht der Auftritt von Arbeiter*innen im Wahlkampf sehr viel organisierter von statten. In Argentinien zum Beispiel gibt es die Front der Linken und der Arbeiter*innen (FIT), in der Arbeiter*innen mit einem klar antikapitalistischen und kämpferischen Programm direkt zur Wahl antreten und eine Million Stimmen erhalten. Im Wahlkampf stellen sie die Unterstützung aktueller Kämpfe in den Mittelpunkt und benutzen ihn als Tribüne, um diese Kämpfe zu stärken und zum Sieg zu führen.

In Frankreich trat zur letzten Präsidentschaftswahl Phillipe Poutou, einen kämpferischen Fabrikarbeiter von Ford, als Kandidat der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) an. Mit seiner Kandidatur mischte er das politische Establishment auf. In Erinnerung wird sicherlich vielen die Diskussionsrunde bleiben, in der er Marine le Pen vom rechtspopulistischen Front National bloßstellte, weil sie sich unter dem Deckmantel der Immunität, die sie als Abgeordnete im Europäischen Parlament genießt, der Strafverfolgung entzieht. In den Tagen darauf war seine Aussage: “Wir Arbeiter werden für eine Pfandflasche entlassen. Wir haben keine Immunität.“ in aller Munde.

Auch in Deutschland brauchen wir Kandidat*innen aus den Reihe der kämpfenden Arbeiter*innenklasse. Kanditat*innen, die für ihre und unsere Interessen antreten und deutlich machen, dass die Vertreter*innen der Demokratie der Reichen niemals für die Interessen der Lohnabhängigen eintreten werden.

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