Amazon schon wieder vor Gericht

06.11.2015, Lesezeit 3 Min.
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// Zwei ehemalige Beschäftigte von Amazon klagten am Donnerstag vor dem Arbeitsgericht Brandenburg auf ihre Weiterbeschäftigung. Ende Juni waren die befristeten Verträge der beiden gewerkschaftlichen Aktivisten aufgrund von zweifelhaften Bewertungskriterien nicht verlängert worden. //

Kundgebungen in Brandenburg an der Havel? Langsam gewöhnen sich die Mitarbeiter*innen des Arbeitsgerichts wahrscheinlich daran. Zum mittlerweile vierten Mal in diesem Jahr mobilisierte der Solidaritätskreis für die Beschäftigten von Amazon zu den Gerichtsprozessen von ehemaligen Kolleg*innen beim Amazon-Standort in Brieselang bei Berlin. Bereits im Juni hatten sich vier ehemalige Betriebsratsmitglieder aus Brieselang gegen die Verweigerung ihrer Weiterbeschäftigung gewehrt. Auch am Donnerstag standen wieder ein ehemaliges Betriebsratsmitglied sowie ein weiteres Gewerkschaftsmitglied vor Gericht. Sie werfen der Geschäftsführung eine bewusste Diskriminierung aufgrund ihrer gewerkschaftlichen Zugehörigkeit und der Betriebsratstätigkeit vor.

Zu den vermeintlichen objektiven Kriterien, nach denen Amazon über die Weiterbeschäftigung befristeter Kolleg*innen entscheidet, gehören unter anderem die Bewertung des Verhaltens gegenüber der Geschäftsleitung sowie die Produktivität. Diese Kriterien waren schon bei den Gerichtsterminen der anderen Kolleg*innen in Zweifel gezogen worden, auch von Seiten des Arbeitsgerichts.

Kontrovers diskutiert wurde in der gestrigen Verhandlung besonders über die Messung der Produktivität. Denn Betriebsratstätigkeit beschränkt sich keineswegs nur auf Sitzungen oder Betriebsversammlungen. Auch während der Arbeitszeit werden einzelne Mitglieder immer wieder von Kolleg*innen angesprochen, die sich aufgrund des Drucks der Geschäftsleitung nicht trauen, offiziell zum Betriebsrat zu gehen. So finden auch im laufenden Betrieb immer wieder informelle Gespräche statt. Eine Zeit, in der die Betriebsratsmitglieder somit nicht „produktiv“ arbeiten können. Angerechnet wird ihnen diese Zeit nicht, obwohl selbst ein Manager zugegeben hat, dass das geändert werde müsste. Der Richter behauptete gar, dass das Problem nur dadurch gelöst werden könne, indem sich die Betriebsratsmitglieder für jedes Gespräch einen Betriebsratsbeschluss besorgten – eine völlig realitätsferne Auslegung des Betriebsverfassungsgesetzes. Eine Entscheidung steht zum Redaktionsschluss dieses Artikels noch aus.

Insgesamt machte das Gericht deutlich, dass die Aussichten für die Kollegen eher schlecht sind. Besonders eine Diskriminierung aufgrund von Gewerkschaftstätigkeit kann nach dem bürgerlichen Recht in einem befristeten Arbeitsverhältnis kaum geahndet werden. Dennoch wollen die Kollegen ihre Klagen durchziehen. Es geht ihnen nicht darum, eine Abfindung zu kassieren, die Amazon sowieso nicht anbietet. Vielmehr wollen sie die Befristungspraxis des Online-Riesen in die Öffentlichkeit zerren und zurück in den Betrieb zu ihren Kolleg*innen, um ihren Job und ihre gewerkschaftliche Arbeit wieder aufzunehmen. Sie haben bereits angekündigt, im Zweifel auch in die zweite Instanz zu gehen. Die Kolleg*innen, die im Juni vor dem Brandenburger Arbeitsgericht in erster Instanz scheiterten, bereiten sich schon jetzt darauf vor. Wie die Klagen auch weitergehen, eins ist klar: Ruhe wird um die Frage der Befristungen bei Amazon noch lange nicht einziehen.

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