Alles nur gekauft?

27.10.2015, Lesezeit 5 Min.
1

// Der Deutsche Fußball-Bund soll die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 für 6,7 Millionen Euro gekauft haben. Gleichzeitig wird Franz Beckenbauer von der Fifa-Ethik-Kommission angeklagt. Damit gelangen die weltweiten Korruptionsskandale um die Fifa und Uefa nun auch nach Deutschland. Überraschen sollte das niemanden. //

War denn das „Sommermärchen“ bloß gekauft? Diese Frage stellen sich viele Menschen, nachdem Berichte über undurchsichtige Geld-Transfers im Umfeld des Organisationskomitees (OK) für die Fußball-WM 2006 ans Licht kamen. Dabei geht es um die Summe von 6,7 Millionen Euro, die der ehemalige Adidas-Chef und Geschäftspartner des DFB, Robert Louis-Dreyfus, vor der Vergabe der WM im Jahre 2000 an das OK, mit Franz Beckenbauer an der Spitze und Wolfgang Niersbach als Vize, gezahlt haben soll. Vier Jahre später zahlte der DFB dann den selben Betrag an die Fifa unter dem Titel „Beitrag zum Kulturprogramm“.

Die Fußballgrößen, besonders der DFB-Vorsitzende Niersbach, tun nun alles, um jegliche Zweifel an der Korrektheit der WM-Vergabe zu zerstreuen. So sagte Niersbach: „Also die Behauptung, dass wir auf unlauterem, unkorrektem Wege die WM, diese wunderbare WM 2006, bekommen hätten, die stimmt definitiv nicht“, und erklärte die Überweisung an Louis-Dreyfus als Deal zwischen Fifa-Chef Joseph Blatter und Franz Beckenbauer für einen Finanzzuschuss von 170 Millionen Euro. Diese Version wurde nicht nur postwendend von der Fifa dementiert, sondern erklärt auch die zahlreichen Ungereimtheiten nicht.

Tatsächlich hatte Niersbach schon im Sommer ein privates Unternehmen engagiert, um die Angelegenheit aufzuklären, ohne jedoch das Präsidium davon zu informieren. Und nach dem Bekanntwerden traf er sich sofort mit Beckenbauer, wahrscheinlich um Strategien und Antworten abzusprechen.

Auch wenn weder Unschuld noch Betrug direkt nachzuweisen sind, bringt der Skandal eins ans Licht: die deutschen Fußballfunktionäre, Millionäre durch Beiträge des Staates und der Sponsoren, sind Teil der selben korrupten Gesellschaft, die den Fußballverbänden auf der ganzen Welt vorsitzt.

Ein wahres Rattennest

Besonders Niersbach hatte sich zuvor noch als harter Kritiker von Blatter dargestellt, gegen den die amerikanische Justiz, die schweizerische Bundesanwaltschaft und die Fifa-Ethik-Kommission wegen zahlreicher Korruptionsverdächte untersucht. Darunter gehören die Vergabe der WM 2018 an Russland und 2022 an Qatar und zahlreiche Deals mit Verbänden wie der Karibischen Fußball-Union (CFU) oder dem Uefa-Vorsitzenden Michel Platini, dem er „für seine Dienste an der Uefa“ zwei Millionen Schweizer Franken abseits der Bücher überwiesen hatte. Dieser wiederum ist ein enger Freund von Niersbach, der seine Kandidatur zum Blatter-Nachfolger unterstützte. Sowohl Blatter als auch Platini wurden für 90 Tages ihres Amtes suspendiert.

In den Mega-Skandal sind Fernsehsender wie Warner und Bankenhäuser wie Barclays, Standard Chartered und HSBC auf der ganzen Welt verwickelt, die Schmiergelder an Funktionär*innen zahlten, über deren Konten Korruptions-Gelder flossen. Bei jeder vergebenen WM wie in Südafrika 2010 oder Brasilien 2014 flossen zwischen den großen beteiligten Kapitalgruppen und den Fußballfunktionär*innen unbezifferbare Geldmengen. Im Gegenzug gab es seitens der WM-Ausrichterstaaten Privilegien wie Steuerbegünstigungen für die Fifa. Ein wahres Rattennest voller korrupter Multimillionär*innen, in dem die Grenzen zwischen Wirtschaft, Politik und den Fifa-Funktionär*innen verschwinden.

Auch gegen Franz Beckenbauer wird wegen der besagten WM-Vergaben untersucht. Kurz darauf zeigte er sich offen als Werbefigur von Gazprom, die stark für Russland aus Gastgeberland geworben hatten. Damit und durch die Anschuldigungen rund um die WM 2006 gerät nun auch offiziell der DFB in den riesigen Fifa-Skandal.

Gekaufter Nationalstolz?

Diese Weltmeisterschaft war ein zentrales Projekt nicht nur des DFB und seinen Aushängeschildern wie Beckenbauer, sondern auch der bürgerlichen Politiker*innen und den großen imperialistischen Konzernen. Sie alle erhofften nicht nur ein Milliardengeschäft, sondern auch eine besondere erneute Legitimierung des deutschen Nationalismus. So wurde denn auch pünktlich zur WM 2006 der Konsummarkt mit Produkten, die mit der Bundesflagge den Nationalismus transportieren sollten, überschwemmt.

Dieses ideologische Element war entscheidend für das deutsche Kapital, um seinen Einflussbereich auszudehnen und zu konsolidieren. Hierbei spielte auch die Aufnahme einiger osteuropäischer Länder wie Polen in die Europäische Union eine entscheidende Rolle, da so das deutsche Kapital verstärkt in diese Regionen expandieren konnte.

In der Krise führte dies zu einer stärkeren Konfrontation mit dem dekadenten US-Imperialismus besonders in Bezug auf die Eurokrise, in dessen Rahmen Deutschland sein Hegemoniebestreben durch harte Sparpakete und Institutionen wie die Troika am deutlichsten machte.

Der „wiedergewonnene Nationalstolz“ trägt sein übriges dazu bei, dass sich die Rüstungskonzerne nicht über immer größere Gewinnsummen rechtfertigen müssen und Politiker*innen für die Forderung nach „mehr [militärischer] Verantwortung in der Welt“ bejubelt werden.

In diesem Sinne kann es niemanden wirklich überraschen, dass für die WM-Vergabe Schmiergeld und Bestechung im Spiel war. Zumal das deutsche Kapital und seine politischen Vertreter*innen in Zeiten von Abgas-Skandal (VW) und Geldwäsche (Deutsche Bank) immer schwieriger so etwas wie moralische Überlegenheit vortäuschen können.

Mehr zum Thema