Afrin-Demo in München: „Deutsche Panzer raus aus Kurdistan!“

04.02.2018, Lesezeit 4 Min.
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Bis zu 1.500 Menschen demonstrierten am Samstag in der Münchner Innenstadt gegen den Angriffskrieg der türkischen Armee auf Afrin. Die Forderungen der verschiedenen Organisationen des Aktionsbündnisses „Hände weg von Afrin“ ermöglichten eine solidarische und ausdrucksstarke Demonstration. Die Basis für ein kämpferisches Politjahr in Bayern ist geschaffen.

Der Stachus, zentraler Platz vor dem westlichen Stadttor der Münchner Altstadt, ist voll mit Fahnen und Menschen. Er ist ein geschichtsträchtiger Platz. Hier gab es eines der heftigsten Gefechte zwischen weißen Milizen und der bairischen Roten Armee, als die Freikorps 1919 das Aufflammen der Revolution in Blut erstickten. Der Grund für die Kundgebung am Samstag ist ein ebenso reaktionärer Krieg: der Angriff des AKP-Regimes unter Erdogan auf den Kanton Efrin in Nordsyrien/Rojava. Ein Angriff auf die Prinzipien der Frauenbefreiung, der Ökologie und der Rätedemokratie, wie es im Aufruf zur Demonstration steht. „Deutsche Panzer raus aus Kurdistan“ ist ein Ruf, der oft auf der Demo erklingt.

In einem Käfig aus sogenannten „Hamburger Gittern“ eingepfercht, mit zwei Reihen der Polizeispezialeinheit USK gesichert, stehen die Menschen auf eben jenem Stachus und warten auf den Auftakt der Veranstaltung. Die Polizei will den Protest damit offenkundig als gewaltbereit brandmarken. Es kommt zwar zeitweise zu Provokationen durch eine Gruppe überwiegend junger, türkischer Nationalist*innen. Trotzdem bleiben alle Demonstrationsteilnehmer*innen besonnen. Die im kalten Winterwind wehenden Fahnen ergeben ein ermutigendes Bild. Es sind Fahnen in den Farben der kurdischen Bewegung, aber auch vieler verschiedener politischer Organisationen. Die meisten standen schon vor rund vier Jahren Seite an Seite, als die Stadt und der Kanton Kobane unter Beschuss gerieten. Ein Kampf, in dem sich viele, vor allem junge Menschen, politisierten. Die Fahnen mit dem Porträt Abdullah Öcalans und die der Volksverteidigungseinheiten YPG/YPJ, die damals das Bild der Demonstrationen prägten, sind nur noch vereinzelt zu sehen. Ihr Zeigen wird heute kriminalisiert.

Die Reden der verschiedenen Organisationen unterstreichen das Bild, das bei der Veranstaltung zu sehen ist. Sie sind durchweg kämpferisch und dabei sehr solidarisch. Sie beziehen sich besonders darauf, die Verbindung der verschiedenen Kämpfe zu sehen und diese zusammen zu führen.

So verweist Azad Avasin von der kurdischen Jugend zunächst darauf, dass die Regierungsparteien der SPD und CDU/CSU für den Krieg in Afrin mitverantwortlich und im gleichen Kontext zu sehen seien wie beispielsweise die russische oder die US-amerikanische Politik in der Region: der Sicherung der eigenen Interessen auf dem Rücken der Unterdrückten. Daher müsse man auch in Deutschland gemeinsam gegen diese Politik vorgehen. Die Freiheitsberaubung Öcalans sei letztendlich die Freiheitsberaubung aller fortschrittlichen Menschen. Während seiner Rede zeigt er für alle ersichtlich die Fahne der YPG: „Ich bekenne mich zur YPG!“ Eine Anzeige folgt prompt.

Sinan Cokdegerli, der für die Föderation demokratischer Arbeitervereine DIDF auftritt, betont wieder und wieder, dass der Kampf gegen Erdogan und den Imperialismus gemeinsam gefochten werden muss: „Lasst uns zeigen, was internationale Solidarität bedeutet!“

Auch Ates Gürpinar, Kandidat der Partei Die Linke für den bayerischen Landtag, spannt in seiner kämpferischen Rede einen Bogen zwischen den verschiedenen aktuellen Kämpfen. Man müsse sowohl den militärischen wie auch politischen Kampf der Kurd*innen unterstützen. Rojava sei mit seinen fortschrittlichen Entwicklungen eine Perspektive für den gesamten Nahen Osten. Gürpinar weiterhin: „Wir sind auch verpflichtet, uns mit den Geflüchteten zu solidarisieren!“ Ihre Geschichte sei mit der Politik der deutschen Bundesregierung eng verbunden. Ohne Waffenlieferungen sei der Krieg in Syrien so nicht möglich gewesen. Den Eltern von unbegleiteten, minderjährigen Geflüchteten dann Gefährdung von Kindswohl vorzuwerfen, sei an Zynismus nicht mehr zu überbieten. Gleichzeitig fordert er, genauso den Kampf der Pfleger*innen um bessere Arbeitsbedingungen zu unterstützen. Beide Auseinandersetzungen seien letzten Endes der Widerstand gegen den gleichen Gegner.

Die Rede der marxistischen Jugend München, gehalten von Baran Serhad, griff all dies nochmals auf und erweiterte den Aspekt der gemeinsamen Kämpfe um die Warnstreiks in der Metall- und Elektrobranche:

Gemeinsam mit den Gewerkschaften sollten wir einerseits die Streiks unterstützen, andererseits die Arbeiter*innen daran erinnern, dass sie die Waffenlieferungen und die reaktionäre Partnerschaft mit dem Erdoğan-Regime erschweren können.

Die Demonstration stellt einen vielversprechenden Auftakt in das neue politische Jahr dar. Ab jetzt gilt es, diese gute Grundlage für weitere Kampagnen zu nutzen, sei es gegen Rüstungspolitik, den Rechtsruck oder die weitere Spaltung unserer Klasse.

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