Abschluss im öffentlichen Dienst aus Sicht der Pflege: Nein zu Spaltung und Scheinlösungen

28.10.2020, Lesezeit 3 Min.
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Am Sonntag gab es eine Einigung der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Die Pflegekräfte bekommen ab März 2021 eine neue Pflegezulage von 70 Euro pro Monat, die ein Jahr später auf 120 Euro steigt. Intensivpflegekräfte erhalten eine Zulage von 100 Euro und die Wechselschichtzulage steigt auf 155 Euro. Diese Ergebnisse bieten jedoch keine Lösung für die tieferen Probleme in der Pflege und spalten die Beschäftigten. Beitrag von Lisa, Intensivpflegerin aus München.

Die Gewerkschaften haben für die Pflege eigene Forderungen ins Rennen geschickt, um eine höhere Wertschätzung zu erreichen. Es wurde während der Verhandlungen viel über die Pflege gesprochen. „Die Pflege“ sind aber nicht nur Beschäftigte im öffentlichen Dienst, denen mit diesen Verhandlungen Wertschätzung entgegen gebracht werden sollte. Es sind auch tausende Beschäftigte in privatisierten und außertariflichen Betrieben, denen keine Plattform gegeben werden.

Auch diese Beschäftigten arbeiten tagtäglich unter belastenden Arbeitsverhältnissen, besonders aktuell in der Coronakrise. Das beinhaltet auch Service- und Reinigungskräfte, die aufgrund von Outsourcing und Tochterunternehmen keinen Anspruch auf tarifliche Erhöhungen haben.

Zusätzlich bedeutet die erzielte Sonderaushandlung für die Pflege eine weitere große Spaltung zwischen den Berufsgruppen im öffentlichen Dienst. Doch ohne diese Sektoren kann auch die Pflege nicht funktionieren. Ohne den öffentlichen Personennahverkehr kommt niemand zur Arbeit, ohne Kitas, Krippen oder Hort ist eine gute Versorgung der Kinder nicht gewährleistet und somit auch Arbeit in der Pflege nicht möglich. Alle öffentliche Sektoren gehören zusammen und ohne die anderen funktioniert unser System auch nicht. Vor allem in Krisenzeiten wie diesen.

Die TVöD-Verhandlungen wiederholen sich je nach Laufzeit alle zwei bis drei Jahre. Jedes Mal gibt es ein paar Prozent mehr Gehalt im Stufenprinzip. Bei diesem Abschluss grenzt es fast schon an Ironie, dass es das erste halbe Jahr eine Nullrunde gibt. Gerade im kommendem halben Jahr wird der öffentliche Dienst besonders an seine Grenzen kommen. Die zweite Coronawelle nimmt massiv Fahrt auf und besonders in den Kliniken erwarten wir chaotische Zustände. Der Hauptgrund dafür ist der große Personalmangel. Genau diesen Personalmangel lösen die immer wiederkehrenden Tarifverhandlungen eben nicht. Das ist nämlich hauptsächlich ein politisches Problem. Seit Einführung der Fallpauschalen und der Privatisierungen im Gesundheitssystem wurde ein Wirtschaftssystem auf Kosten der Mitarbeiter.innen und Patient:innen gezüchtet. Es geht schon lange nicht mehr um Menschen, sondern um Profite.

Dieser immer wiederkehrende Bumerang, in Form von ökonomischen Verhandlungen, macht das kaputte System nicht besser. Wir brauchen einen einheitlichen Tarifvertrag, um die Kraft zu besitzen, einheitlich gegen Privatisierung und dem DRG-System zu kämpfen. Die Beschäftigten müssen selber entscheiden können, wie und wofür Streiks geführt werden. Und vor allem wie lange!

Die Coronapandemie wird weiter gewaltsam offenlegen, dass die Versorgung der Patient:innen nicht mehr ausreichend möglich ist. Die Pflege möchte nicht bis 2022 warten, um weitere Streiks durchzuführen. Es braucht, besonders jetzt nach dem Tarifabschluss, demokratische Online-Versammlungen der Beschäftigten und ein Programm, um gewerkschaftlich Druck für weitere Kämpfe aufzubauen.

Die Pflege darf jetzt nicht die Füße stillhalten und muss sich organisieren. Vor allem jetzt, wo vermeintlich das Schlimmste noch bevorsteht.

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