21.000 Tote nicht genug? Amazon, Tönnies und BMW bleiben trotz Merkels neuem Lockdown offen

13.12.2020, Lesezeit 5 Min.
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Berlin, Germany, March 20 2020, empty streets. Von Jimmi Lamons

Bundes- und Landesregierungen haben schärfere Lockdownmaßnahmen ab Mittwoch beschlossen. Geschäfte schließen und abends wird es verboten sein, rauszugehen. Aber große Infektionsherde wie die Tönnies-Schlachtereien oder die Autofabriken dürfen offen bleiben. Die Regierung nimmt so tausende weitere Tote in Kauf.

Am Freitag registrierte das Robert-Koch-Institut in Deutschland fast 600 Tote – neuer Höchststand für einen einzigen Tag. Die Neuinfektionen erreichten nahezu 30.000er-Marke. Bisher versuchte die Bundesregierung, um jeden Preis die Wirtschaft offen zu halten, um das Weihnachtsgeschäft zu retten. Der „sanfte“ Lockdown sah vor, individuell Kontakte zu beschränken, aber Kitas, Schulen, Fabriken und Handel weiterlaufen zu lassen, nach der Devise: Arbeiten und konsumieren ja – Freizeit nein. Die Strategie setzte darauf, hohe Fallzahlen hinzunehmen, um die Profite zu schützen – mit der Hoffnung, dass der Impfstoff das Problem schon irgendwann lösen würde.

Dieses Vorgehen ist krachend gescheitert, für den kapitalistischen Profit hat die Bundesregierung 500 Tote täglich in Kauf genommen – in einem Monat käme Deutschland damit auf 15.000 weitere Tote, zusätzlich zu den schon über 21.000 Todesfällen bisher.

Noch vor wenigen Tagen waren die Regierungen von Bund und Ländern der Meinung, man solle erst nach Weihnachten schärfere Maßnahmen einführen. Doch nun drohe laut Robert-Koch-Institut ein exponentielles Wachstum der Fallzahlen, weswegen Bundeskanzlerin Angela Merkel heute mit den Länderchefs deutlich schärfere Maßnahmen schon ab Mittwoch verkündete, geplant bis zum 10. Januar.

Der Einzelhandel sowie Schulen und Kitas sollen mit Ausnahmen zumachen. Diese Maßnahmen sind dringend nötig und kommen viel zu spät – jeder Tag Verzögerung seit Beginn der zweiten Welle hat bereits hunderte Todesopfer gefordert. Doch bleibt der neue schärfere Lockdown dem Motto seines soften Vorgängers treu: Die Risiken und Probleme werden auf die arbeitende Bevölkerung abgewälzt, während die Konzerne fast im Normalbetrieb weitermachen können.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder richtetet einen „Appell an die Arbeitgeber“, Homeoffice zu ermöglichen und über Weihnachten Ferien zu geben. Statt verpflichtende Betriebsschließungen über den Handel hinaus zu veranlassen, werden weiter Millionen Menschen zur Arbeit gehen müssen. Auch die großen Fabriken mit zehntausenden Beschäftigten sind nicht dazu angehalten, den Betrieb einzustellen.

Konzerne dürfen ihre Beschäftigten weiter der tödlichen Gefahr aussetzen

Weiter produzieren darf zum Beispiel das BMW-Werk Dingolfing mit seinen 18.000 Mitarbeiter:innen. Im September war es dort zu einem Corona-Ausbruch mit 38 Fällen gekommen – die Produktion lief trotzdem normal weiter. Auch jetzt gibt es seitens der Politik keine verpflichtenden Einschränkungen. Gleiches gilt für die Schlachtereien von Clemens Tönnies. In Weißenfels infizierten sich Anfang Dezember 172 der 2.000 Beschäftigten.

Die Gefahr einer Ansteckung haben auch die Beschäftigten von Amazon. Der Konzerneigentümer Jeff Bezos, der sich seit Beginn der Corona-Krise um 90 Milliarden Dollar bereichern konnte, wird gerade jetzt mit der Schließung des Einzelhandels im Lockdown vor Weihnachten wieder tausende Paketboten durch Deutschland schicken und Millionen-Umsätze machen. Zu Niedriglöhnen dürfen sie sich dem täglichen Infektionsrisiko aussetzen – Ende November gab Ver.di bekannt, dass am Amazon-Standort Graben vermutlich 300 Beschäftigte mit Corona infiziert sind, der Konzern spricht hingegen „nur“ von 31.

Mit der nächsten Stufe des Lockdowns wird es in einzelnen Bundesländern nach 21 Uhr Ausgangssperren geben, zudem Alkoholverbote in der Öffentlichkeit. Individuelle Freiheiten werden hart beschnitten … doch tagsüber weiter mit dutzenden anderen in Bus und Bahn zur Arbeit zu fahren, nur damit für die Profite der Konzerne weiter Autos produziert werden können, soll möglich sein.

Die hohen Fallzahlen machen es dringend nötig, das tägliche Leben herunterzufahren und Kontakte zu beschränken. Doch die Ausgangssperren treffen diejenigen hart, die nicht einfach zuhause bleiben können: Obdachlose oder Personen, die arbeiten müssen, dafür aber keine Papiere vorzeigen können. Es ist damit ein Lockdown, der gegen die Armen gerichtet ist, während die Profite weiter möglich bleiben.

Damit die Krise nicht individuell auf uns abgeladen wird, müssen die Löhne voll weiterbezahlt werden und ein allgemeines Corona-Geld ausgezahlt werden, für Menschen, die ihre Jobs verloren haben, denen die Niedriglöhne nicht zum Leben reichen oder denen als Selbstständige Aufträge wegfallen, finanziert durch Vermögenssteuern. Auch Kleinbetriebe müssen unbürokratisch Hilfen zur Verfügung gestellt werden, anstatt Geschenke an die Konzerne zu verteilen, so wie an die Lufthansa, die als Dank für die 9 Milliarden vom Staat bis zum Jahresende fast 30.000 Stellen streicht. Deshalb müssen auch Massenentlassungen verboten werden und alle Betriebe, die trotzdem entlassen, entschädigungslos enteignet und unter Arbeiter:innenkontrolle gestellt werden.

Zudem muss der Staat die Ausrüstung der Krankenhäuser jetzt massiv aufstocken. Mit höheren Löhnen muss verloren gegangenes Personal aus den letzten Jahren zurückgewonnen werden. Dort wo es möglich ist, muss die Produktion auf medizinische Ausstattung wie Atemgeräte umgestellt werden.

Um diese Maßnahmen umzusetzen, müssen die Gewerkschaften Online-Versammlungen organisieren, auf denen ein Kampfplan gegen die gesundheitliche und soziale Krise diskutiert wird und die nicht-lebensnotwendigen Bereiche der Wirtschaft mit Arbeitsniederlegungen zur Schließung gezwungen werden.

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