FU Berlin: Marxistisch wählen!

07.01.2013, Lesezeit 10 Min.
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// Programm von „Waffen der Kritik“ zu den StuPa-Wahlen an der FU Berlin vom 15.-17. Januar //

Die weltweite Krise des Kapitalismus hält seit fünf Jahren an. Im Wahlkampf an der FU hört man einige antikapitalistische Töne, aber vor allem lustige Sprüche. Wir, eine Gruppe von aktiven Studierenden, wollen stattdessen diesen Wahlkampf nutzen, um ein konkretes Programm zu entwickeln, wie Studierende gegen die Auswirkungen der Krise und den Kapitalismus insgesamt kämpfen können.

Gemeinsam gegen Prekarisierung!

Immer mehr Menschen sind durch steigende Lebenshaltungskosten gezwungen, prekäre Arbeitsverhältnisse einzugehen, die den Unternehmer*innen hohe Profite sichern. Auch Studierende müssen oft neben dem Studium arbeiten oder unbezahlte Praktika absolvieren. Da viele diese Situation nur als Übergangsphase sehen, fehlt oft die Einsicht, dass man sich organisieren und gegen diese Ausbeutung kämpfen muss. Dabei gelangt nur ein winziger Teil der Studierenden nach dem Studium wirklich in Führungsetagen. Der Großteil wird über kurz oder lang jedoch zur lohnabhängigen Bevölkerung gehören.

Auch direkt an der Uni sind befristete Arbeitsverhältnisse mit niedrigen Löhnen an der Tagesordnung – sei es bei Mensabeschäftigten, beim akademischen Mittelbau oder beim Reinigungspersonal. Hierbei fällt auch eine klare Verteilung der Geschlechterrollen auf, da sowohl in der Mensa als auch in der Reinigung größtenteils Frauen arbeiten, während beispielsweise Professuren zu großen Teilen immer noch mit Männern besetzt sind. Zuletzt haben Lehrbeauftragte der Sprachenzentren auf ihre schlechten Arbeitsbedingungen aufmerksam gemacht.

Auch außerhalb der Uni gibt es steigende Prekarisierung – und dagegen gibt es auch kleinere Arbeitskämpfe, die von Studierenden unterstützt werden, beispielsweise beim CFM-Streik am Krankenhaus Charité. Diese Kämpfe werden jedoch von den Gewerkschaftsbürokrat*innen klein gehalten und durch faule Kompromisse beendet. Beim CFM-Streik und auch bei einem Arbeitskampf in der FU-Mensa im Jahr 2009 haben wir von WAFFEN DER KRITIK Solidarität organisiert. Denn Prekarisierung kann nur durch die Einheit von Studierenden und Arbeitenden aufgehalten werden werden. So können Arbeitskämpfe der Uni-Beschäftigten durch Besetzungen und Streiks seitens der Studierenden unterstützt werden. Auch kann die ökonomische Kraft von Arbeitskämpfen Bildungsstreiks ungemein verstärken. Vor allem sind die Arbeitskämpfe von heute die Grundlage unserer eigenen Arbeitsbedingungen von morgen.

Hoch die internationale Solidarität!

Seit dem Ausbruch der weltweiten Wirtschaftskrise erleben wir immer wieder massive Kämpfe der Unterdrückten in aller Welt, die sich gegen miserable Lebensbedingungen zur Wehr setzen. Dazu gehören auch die massiven Jugend- und Studierendenproteste, die in den letzten Jahren in verschiedenen Ländern wie Mexiko, Chile oder Kanada stattfanden. Auf dem Höhepunkt verbanden sie sich mit den Protesten der Arbeiter*innen. Mit WAFFEN DER KRITIK haben wir versucht, diese Kämpfe zu begleiten und an der Universität bekannter zu machen, um die Lehren dieser Kämpfe für uns nutzbar zu machen.

Wenn wir die Zustände an deutschen Unis und darüber hinaus verändern wollen, sind wir Teil einer internationalen Bewegung, die sich zwar bisher nicht international koordiniert, die aber überall gegen die gleichen Probleme kämpft. Auch im Arabischen Frühling standen neben streikenden Arbeiter*innen vor allem Jugendliche an vorderster Front,genauso die „Empörten“-Bewegung in Spanien und die aufflammenden Proteste in vielen anderen europäischen Ländern.

Auf die immer stärkeren Angriffe der herrschenden Klasse müssen wir eine internationalistische Antwort geben. Wir müssen uns solidarisch erklären mit den Jugendlichen in Griechenland und Spanien, von denen mittlerweile die Hälfte ohne Arbeit ist. Wir müssen gemeinsam mit den Arbeiter*innen in ganz Europa kämpfen, damit uns die Kosten der Krise nicht aufgebürdet werden. Das heißt auch, die Rolle des deutschen Imperialismus in dieser Krise aufzuzeigen und anzugreifen, denn das Spardiktat Merkels und der Troika ist es, welches im Interesse deutscher Banken und Konzerne andere Länder immer weiter ausquetscht. Ein solidarischer Kampf gegen diese Krisenpolitik bedeutet für uns also auch einen Kampf gegen die deutsche Regierung!

Für wirkliche Hochschuldemokratie!

Als Marxist*innen sind wir der Meinung, dass eine Studierendenbewegung direkt in die gesellschaftlichen Verhältnisse eingreifen muss. Doch auch die Verhältnisse an der Universität selbst müssen wir verändern. Dies gilt insbesondere im Bereich der Art und Weise, wie die Universität funktioniert, d.h. wer hier das Sagen hat und wie die herrschenden Interessen durchgesetzt werden.

Der Versuch des Präsidiums in den letzten Monaten zeigte, wie die Demokratie an der Universität funktioniert: Maßnahmen wie Anwesenheitspflicht, Zwangsberatungen und Begrenzung der Prüfungswiederholungen sollen gegen den Willen der Studierenden durchgesetzt werden.

Denn die Vertreter*innen der Studierenden stellen nur eine kleine Minderheit in den Gremien dar. Doch die Proteste gegen die RSPO geben ein kleines Beispiel dafür, dass die Interessen der Studierenden durchgesetzt werden können, wenn wir auf Mobilisierungen setzen. Wir brauchen eine Strategie, die nicht auf die Gremien ausgerichtet ist, denn diese haben in letzter Instanz die Interessen des Kapitals gegen die Studierenden durchzusetzen.

Wir lehnen das „hochschulpolitische Mandat“ der Studierendenvertretungen ab – wir fordern, dass StuPa und AStA sich politisch äußern dürfen. Wir fordern die Abschaffung des Präsidiums und des Senats. Wir wollen auch keine „Viertelparität“ der vier Statusgruppen, sondern eine echte Demokratie, in der jeder Mensch an der Universität – ob Studierende oder Arbeitende auf jeder Ebene – das gleiche Stimmrecht hat.

Wir fordern eine lebendige Massendemokratie, in der Entscheidungen auf Versammlungen demokratisch getroffen werden. Wir brauchen Vertreter*innen, die nicht für ein Jahr oder länger gewählt werden – und währenddessen machen können, was sie wollen – sondern die uns jederzeit rechenschaftspflichtig sind und jederzeit abgewählt werden können. Als WAFFEN DER KRITIK wollen wir auf offenen Treffen gemeinsam über die Politik entscheiden, die wir im Studierendenparlament durchführen wollen.

Dazu müssen wir unsere eigenen Kampfmittel einsetzen, wie Streiks und Besetzungen. Wir lehnen auch jede Repression gegen Studierende ab, wie die Anzeigen, die der Präsident Alt gegen die Teilnehmer*innen einer Besetzung erstattet hat – wir wollen keine Polizei auf dem Campus!

Für eine Uni ohne Unterdrückung!

Frauen haben immer noch die schlechter bezahlten Jobs im Vergleich zu Männern. Durch die Rollenzuschreibung in unserer kapitalistischen Gesellschaft sind sie es, die sich im Zweifelsfall um Kinder kümmern müssen, was das Studium erschweren kann. Hinzu kommt der alltägliche Sexismus in den Seminaren. Auch in der Lehre sind die Spitzenpositionen vor allem durch Männer besetzt, obwohl Frauen in der Studierendenschaft schon seit Jahren in der Mehrheit sind. Genauso die alltägliche Feindlichkeit gegenüber LGBTI-Personen (Lesben, Gays, Bi, Trans* und Intersexuelle), die immer noch wegen ihrer sexuellen Orientierung ausgegrenzt werden.

Trotz der stetig steigenden Anzahl internationaler Student*innen gibt es in Deutschland noch immer ein diskriminierendes System der Immatrikulation. Während sich die sogenannten „Bildungsinländer“ über das normale Universitätsverfahren zur Immatrikulation bewerben, müssen „Bildungsausländer“ sich über einen Verein namens „uni assist“ registrieren und für diese Dienstleistung bezahlen. Natürlich gibt es rassistische Praktiken nicht nur in dem Bewerbungsprozess der Universitäten, sondern auch im täglichen Leben. Beispielsweise die sich provokant stilisierenden, rassistischen Burschenschaften.

Das Konzept der Barrierefreiheit ist in der Silberlaube zwar relativ gut umgesetzt, anders sieht es jedoch bei vielen kleineren Instituten aus, welche man mit einem Rollstuhl nicht benutzen kann. Deswegen ist für diese Menschen die Studienwahl stark eingeschränkt.

All diese Tendenzen verstärken sich noch, wenn der Leistungsdruck auf die Studierenden steigt und es zur Entsolidarisierung kommt. Folge des Leistungsdrucks und der Diskriminierungen sind eine massive Zunahme psychischer Probleme unter allen Studierenden. Viele versuchen dieses gesellschaftliche Problem individuell zu lösen, weil sie sich auch oft selbst verantwortlich machen. Aber gegen den Leistungsdruck müssen wir gemeinsam kämpfen! Lasst uns dem Leistungsdruck und den unsolidarischen Verhaltensweisen entgegentreten, gemeinsam mit Betroffenen von Sexismus, Rassismus, Homophobie und Barrieren!

Für eine Uni im Dienste der Unterdrückten!

Im Kapitalismus ist die Universität immer eine Klassenuniversität, d.h. ihr Hauptzweck ist die Produktion von unterwürfigen Arbeitskräften und einer herrschenden Ideologie, die diese Unterwerfung rechtfertigt. Mit dem Bologna-Prozess hat sich diese Entwicklung noch beschleunigt, was für immer mehr Studierende zu Leistungsdruck und prekären Lebensverhältnissen führt.

Der Weg fängt dabei viel früher an: Schon wenn nach der vierten Klasse bestimmt wird, welche höhere Schule ein Kind besucht, wird damit nicht nur die Zukunft dieses Kindes größtenteils schon festgeschrieben, auch wird diese Entscheidung schon von den sozialen Hintergründen beeinflusst. Auch bei gleicher Leistung gehen Kinder aus Akademiker*innenfamilien häufiger auf das Gymnasium als Kinder aus der Arbeiter*innenklasse. Das geht natürlich bei dem Weg zur Uni so weiter.

Viele Antworten jedoch gehen am Problem vorbei: Man idealisiert das Studium als Phase autonomer Bildung um der Bildung Willen und möchte einfach ungestört studieren. Dagegen sagen wir, dass auch die Universität niemals außerhalb gesellschaftlicher Zusammenhänge gesehen werden kann.

Wie fordern viel eher, dass die wissenschaftliche und intellektuelle Produktion der Universitäten statt im Dienste der Konzerne im Dienste der Unterdrückten und Ausgebeuteten steht: So soll die Universität nicht nur frei zugänglich sein, sondern die Forschung und Lehre soll im Interesse der großen Mehrheit der Bevölkerung stattfinden. Wir fordern dabei auch vollständige Bildungsgerechtigkeit: durch die Abschaffung des selektiven Schulsystems, die Abschaffung des Numerus Clausus und eine gesichertes Einkommen und eine gute Wohnungssituation für alle Menschen, die studieren wollen. Auch Lehrinhalte müssen unter demokratischer Kontrolle der Studierenden (bzw. der Unterdrückten) gestellt werden, damit die Wissensproduktion an der Universität tatsächlich der Mehrheit der Bevölkerung und nicht einer Handvoll Konzerne dient.

Gegen die kapitalistische Gesellschaft!

Wir können jedoch keine wesentlichen Verbesserungen für die Studierenden und die breite Masse der lohnabhängigen Bevölkerung, der Rentner*innen und Jugendlichen durchsetzen, wenn die Gesellschaft weiterhin unter der Kontrolle von wenigen Kapitalist*innen steht. Selbst um Veränderungen innerhalb der Uni durchzusetzen, brauchen wir eine breite Bewegung der Arbeiter*innen und der Jugend. Wir als revolutionäre Studierende wollen runter vom akademischen Elfenbeinturm und eine revolutionäre Rolle in der Gesellschaft spielen.

Studierende konnten in der Vergangenheit immer wieder Impulse für eine revolutionäre Bewegung geben: beispielsweise im französischen Mai im Jahr 1968, als Studierende eine der größten Streikbewegungen in der Geschichte Europas ausgelöst haben. Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass Studierende tatsächlich versuchen, arbeitende Menschen zu mobilisieren und zu organisieren.

Wenn die bürgerliche Universität eine Kaderschmiede für die herrschende Klasse ist, dann muss eine revolutionäre Bewegung der Studierenden eine Kaderschmiede für die Unterdrückten sein. In diesem Sinne wollen wir eine Avantgarde statt eine Elite sein („Avantgarde“ nicht im stalinistischen Sinne, sondern im marxistischen Sinne: der Teil einer Bewegung, der nach vorne drängt und andere mitreißt).

Zu diesem Zweck wollen wir eine große revolutionäre Strömung an den deutschen Unis aufbauen. Im fünften Jahr der kapitalistischen Krise glauben wir nicht, dass neo-reformistische Projekte Perspektiven bieten – wir glauben, dass nur die revolutionäre Überwindung des Kapitalismus eine Alternative anbietet. Deswegen arbeiten wir mit allen politischen Kräften zusammen, die sich für die Rechte der Studierenden einsetzen, aber bauen gleichzeitig eine revolutionäre Strömung auf, auch durch die selbstorganisierte Aneignung von revolutionären Ideen.

Also: Wir denken nicht, dass wir in einem machtlosen Studierendenparlament wirkliche Verbesserungen erringen können – aber wir können studentische Bewegungen gegen die Missstände konsequent vorantreiben. Wenn du das gut findest, dann laden wir dich zu den offenen Treffen von WAFFEN DER KRITIK ein.

Offene Treffen von WAFFEN DER KRITIK

Immer donnerstags um 16 Uhr im Foyer vor der Mensa II (Silberlaube).

10. Januar: Wie können wir gegen Prekarisierung vorgehen?

17. Januar: Was tun? Perspektiven revolutionärer Politik an der Uni

Kommt vorbei und diskutiert mit über eine marxistische Strömung an der Uni!

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