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Woche der Streiks in Österreich: Der Klassenkampf ist zurück

Seit Jahrzehnten gab es in Österreich keine Streikdynamik wie derzeit. Die Bahn wurde für 24 Stunden lahmgelegt, in den Brauereien, bei der Telekom und in einigen Kliniken wurde ebenfalls gestreikt. Der Streik der Handelsbeschäftigten wurde trotz schwachem Abschluss verhindert. Eine Übersicht über die Geschehnisse.

Woche der Streiks in Österreich: Der Klassenkampf ist zurück
Der ÖBB-Streik fegt die Bahnsteige am Wiener Hauptbahnhof leer, 28. November 2022. Bild: Robert Marktl / shutterstock.com

In kaum einem Land der Welt wird vergleichsweise so wenig gestreikt wie in Österreich. Die Schlagzeilen dominieren meist korrupte und rechtsextreme Politiker:innen. Doch nun zeigt die österreichische Arbeiter:innenklasse ihre Macht. Aufgrund der hohen Inflation gibt es in allen organisierten Sektoren eine hohe Streikbereitschaft und großen Kampfeswillen. Daher können die Gewerkschaftsführungen nicht so einfach wie sonst Kompromisse mit den Bossen aushandeln.

Die Eisenbahnen standen still, über 50.000 Arbeiter:innen haben gestreikt. Zusätzlich zu den Beschäftigten der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) traten Kolleg:innen aus 60 weiteren Verkehrsunternehmen in den Streik.

In Österreich ist so ein großer Streik eine absolute Ausnahme, in vielen Jahren wird im ganzen Land nicht eine einzige Minute gestreikt. Die Beschäftigten fordern mindestens 400 Euro mehr Lohn. Das entspricht einer Lohnerhöhung um 12-13 Prozent und würde somit knapp über der Inflation von elf Prozent liegen. Der ÖBB-Chef Andreas Matthä zeigte keinerlei Verständnis für den Ausstand und bot bisher kein annehmbares Angebot an. Besonders fortschrittlich an diesem Streik ist auch die Allianz, die die Beschäftigten mit der Klimabewegung bilden wollen. Die Streikenden luden Klimaaktivist:innen zu ihren Streiks ein. Diese folgten dem Aufruf, um gemeinsam gegen die soziale Krise und den Klimawandel zu kämpfen. Die Arbeiter:innen in diesem essentiellen Sektor können mit ihrer Position die Logistik des Landes lahmlegen, weshalb sie über eine große Macht verfügen, die sie auch für Klimaschutz einsetzen wollen.

 

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Auch die Beschäftigten der A1 Telekom Austria kämpfen zurzeit für eine Gehaltserhöhung. Am 29. November fand der erste Warnstreik statt, um die geforderten 10,6 Prozent zu erhalten. Bei diesen Kollektivvertragsverhandlungen geht es um insgesamt 10.000 Beschäftigte. Tausende von ihnen folgten dem Aufruf der Gewerkschaft und der Betriebsräte und zeigten auf einer Streik-Demonstration ihre Kampfbereitschaft.

Fast einhundert Prozent der Beschäftigten in den Ordensspitälern (österreichisch für Privatkrankenhäuser) sprachen sich für den Streik aus. In den Spitälern Speising, Barmherzige Brüder, Barmherzige Schwestern, St Josef, Herz-Jesu und Göttlicher Heiland gab es am 23. November die ersten Warnstreiks. 500 Euro mehr Lohn lautet die Forderung der Beschäftigten. Das Angebot der Arbeitgeber:innen ist davon meilenweit entfernt, sie boten eine Einmalzahlung in Höhe von circa 400 bis 700 Euro an. Das ist unglaublich dreist und verantwortungslos. Der Streik ist absolut gerechtfertigt!

Frustriert sind auch die Beschäftigten im Braugewerbe. Sie fordern elf Prozent mehr Lohn, um die Inflation auszugleichen. Bisher gab es noch kein faires Angebot. Bei Stiegl in Salzburg, Ottakringer in Wien und vielen mehr blieben daher die Braukessel leer. Wenn die Verhandlungen im Dezember weiterhin kein Ergebnis bringen, werden mindestens weitere Warnstreiks folgen.

 

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Den Bossen wollten auch die Beschäftigten im Einzelhandel Dampf machen. Ihr letzter Streik war im Jahr 1951. Nach mehreren Verhandlungsrunden waren die Bosse immer noch nicht bereit, über ihr Angebot von vier Prozent hinauszugehen. In über 300 Unternehmen lagen daher bereits Streikbeschlüsse vor. Doch in der letzten Verhandlungsrunde einigten sich die Gewerkschaft GPA und die Arbeitgeber:innen auf eine Lohnerhöhung von 8,6 Prozent. Währenddessen sind die Lebensmittelpreise um 33 Prozent gestiegen, Strom um 120 Prozent, Sprit um 42 Prozent und die Mieten um 16 Prozent. Dieses Ergebnis ist ein Schlag ins Gesicht der 430.000 Arbeiter:innen. Mit den bereits vorbereiteten Streiks hätte es sicherlich noch weitaus höhere Lohnerhöhungen geben können. In den sozialen Netzwerken mehren sich daher kritische Kommentare:

Das ‚Erreichte‘ ist eine einzige Mogelpackung und die GPA ist (wiedermal) umgefallen wie ein Stück Holz. […] Der Reallohnverlust in nicht zu vernachlässigender Höhe ist somit für viele Leute eingetreten. […] Wir alle wissen, dass wir mit nur einem Warnstreik an einem Adventswochenende eine deutlich fairere Erhöhung zustande gebracht hätten.

Diese Verhandlung ist nun abgeschlossen, die Verhandlungen in den anderen Branchen laufen weiter.

Die Beschäftigten in all diesen Sektoren dürfen keine Spaltung der Belegschaften durch ungleiche Gehaltserhöhungen oder sonstige faule Kompromisse wie etwa Einmalzahlungen oder Lohnerhöhungen unter der Inflationsrate wie im Handel hinnehmen. Ein Inflationsausgleich für alle Kolleg:innen im Betrieb muss das Ziel sein! Auf dem Weg dahin werden weitere Streiks vonnöten sein. Ob diese zustande kommen werden, ist noch unklar. So oder so, der Klassenkampf ist zurück in Österreich.

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One thought on “Woche der Streiks in Österreich: Der Klassenkampf ist zurück

  1. wolfi sagt:

    Es gibt mittlerweile in verschiedenen Ländern Proteste, Streiks, Aktionen gegen diese kapitalistische Politik weltweit. Diese beruht unterm Strich auf die Maximal-Profitlogik der Kapitalisten. Landauf, landab und länderübergreifend Inflationsraten von 10 / 12/ 20 oder mehr Prozente, die von erkämpften Lohnerhöhungen längst aufgefressen werden, oder bereits sind. Ob nun in Österreich, Deutschland, Frankreich oder anderen Ländern bleibt in der Gesamtbetrachtung egal, die Kosten der Krisen, die uns diese kapitalistische Wirtschaftsstrategie aufzwingt bezahlen alle, egal ob Arbeiter, Angestellte, Studierende, Renter *(innen), ja selbst Kinder.
    Wird es nicht langsam Zeit grenzübergreifend einen sinnvollen Dialog mit Vertretern dieser Arbeiterklassen ins Leben zu rufen? Ein Anfang dessen ist die Einberufung der 3. Internationalen Bergarbeiterkonfe­renz im September 2023 in Thüringen.
    Hier in Deutschland wird debatiert über einen Bruch mit der Linkspartei, in Frankreich gibt es eine landesweite Bewegung Aktive für eine Konferenz für die Gründung einer revolutionären Organisation zu gewinnen. Das Ziel muss sein, weltweit den Kampf für eine sozialistische Perspektive einerseits und gegen die akute Weltkriegsgefahr aufzunehmen. Dieser fällt jedoch nicht vom Himmel, sondern muss vorbereitet werden, immer und immer wieder ist die Analyse der russischen sozialistischen Revolution zu diskutieren.

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