Willkommen an der Universität der Krise

09.10.2012, Lesezeit 4 Min.
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// Leitartikel aus „Waffen der Kritik“ zum Semesterbeginn //

Ständig wird uns gesagt, die Krise sei woanders: in Griechenland, in Spanien – aber doch nicht hier in Deutschland!? Falsch! Sie ist längst hier angekommen, und nicht zuletzt auch an der Uni: Schon vor dem Beginn der aktuellen Wirtschaftskrise, als die deutschen Unis mit der Bologna-Reform für den europäischen „Bildungsmarkt“ „fit gemacht“ wurden, erfuhren wir Studierenden die Folgen einer Kürzungspolitik bei Bildungs- und Sozialausgaben am eigenen Leib. In der Krise werden die Probleme, über die die Studierendenbewegung seit Jahren klagt, in immer schärferer Art und Weise deutlich.

Denn zu überfüllten Hörsälen, sozialer Selektion und immer weiter steigendem Leistungsdruck gesellen sich mit der Krise verschärfte Arbeits- und Lebensbedingungen: steil ansteigende Mietpreise, Wohnungsmangel, prekäre Jobs – Nebenjobs, Minijobs, unbezahlte Praktika – all das sind die Merkmale eines Studierendenlebens in Krisenzeiten.

Und nicht nur die eines Studierendenlebens: Immer breitere Schichten der Bevölkerung sehen sich mit unsicheren Arbeits- und Lebensbedingungen konfrontiert, von denen insbesondere Jugendliche, Frauen und Migrant*innen betroffen sind. In Südeuropa können wir sehen, wohin die Reise geht: In Griechenland und im Spanischen Staat sind über 50% der Unter-26-Jährigen arbeitslos und ein großer Teil der Unter-35-Jährigen lebt noch bei den Eltern, weil sie sich keine eigene Wohnung leisten können. In Deutschland ist die Situation noch nicht ganz so dramatisch, aber prekäre Beschäftigungsverhältnisse breiten sich in vielen Bereichen der Gesellschaft aus: im Gesundheits- und Pflegebereich, im Dienstleistungs- und Einzelhandelssektor – und nicht zuletzt auch in der Universität selbst: Prekäre Beschäftigung von Lehrbeauftragten, wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen und studentischen Hilfskräften ist längst die Norm.

Die Ursachen dieser Arbeits-, Lebens- und Lernbedingungen liegen im System: Die Universität ist Teil der kapitalistischen Gesellschaft, mit dem Auftrag der Qualifizierung für den Arbeitsmarkt. Der schon sonst große Druck wird in der Wirtschaftskrise unerträglich, denn er kombiniert sich mit steigenden Lebenshaltungskosten und niedrigeren Einkommen, die es immer schwieriger machen, Studium und Arbeit miteinander zu vereinen, besonders für Studierende mit Kindern. Gleichzeitig sind breite Sektoren der Gesellschaft von dieser Entwicklung betroffen, und nur gemeinsam ist Widerstand möglich.
Wir halten es für notwendig, als Studierende gemeinsam mit den inner- und außerhalb des Bildungssystems Beschäftigten gegen die wachsende Prekarisierung und für eine Uni im Interesse der lohnabhängigen Mehrheit der Bevölkerung zu kämpfen.

Die wichtigen aktuellen Teilkämpfe der Studierendenbewegung – wie gegen die repressive „Rahmenstudien- und Prüfungsordnung“ an der FU Berlin oder gegen die Schließung der juristischen Fakultät der Uni Potsdam – können nur dann eine Perspektive haben, wenn sie verbunden werden mit den Kämpfen gegen Prekarisierung und das Abladen der Krisenkosten auf die Arbeiter*innenklasse und die Jugend inner- und außerhalb der Universität selbst.

Denn die Machtverhältnisse in der Universität sind nur ein Ausdruck der Machtverhältnisse in der gesamten Gesellschaft. Eine Universität, die nicht im Dienst der Profitinteressen einer kleinen Minderheit steht, sondern im Dienste derjenigen, die dort studieren und arbeiten, kann nur als Teil eines Kampfes für die Enteignung der Produktionsmittel und ihre demokratische Kontrolle durch die Produzent*innen und Konsument*innen selbst geschaffen werden.

In dieser Perspektive wollen wir eine marxistische Strömung an der Universität etablieren, die die Einheit mit der Arbeiter*innenklasse sucht. Wenn dich das interessiert, diskutier‘ mit uns und mach mit bei Waffen der Kritik!

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