Will Assad Krieg gegen Rojava?

22.08.2016, Lesezeit 4 Min.
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Kurdish women hold flags of YPG (People's Protection Units) and Rojava as they demonstrate in front of the Greek parliament in Athens on July 16, 2015. The United States does not support the establishment of an autonomous Kurdish entity in northern Syria, the US special envoy for the coalition against Islamic State extremists said on July 14. AFP PHOTO / ANDREAS SOLARO / AFP / ANDREAS SOLARO

Während Machthaber Assad mit russischer Unterstützung Aleppo belagert, lässt er Truppen der kurdischen YPG angreifen. Auch die Türkei will sich stärker am Bürger*innenkrieg in Syrien beteiligen. Ein Blick auf die aktuellen Entwicklungen.

Die Bilder des fünfjährigen Omran verbreiteten sich in der ganzen Welt. Blutverschmiert, mit apathischem Blick sitzt das Kind nach einem Luftangriff auf Aleppo in einem Krankenwagen. Der Osten der Stadt ist von Regierungstruppen umzingelt. Bis zu 300.000 Menschen sind unter katastrophalen Bedingungen eingeschlossen. Das Rote Kreuz spricht von einem der „verheerendsten städtischen Konflikte der Neuzeit.“ Gleichzeitig tobt der syrische Bürger*innenkrieg an vielen weiteren Fronten: Die kurdischen Peshmerga-Truppen rücken auf die Drei-Millionenstadt Mossul im Nordirak vor, die von Kämpfern des Islamischen Staats (IS) gehalten wird. Und in Rojava gab es erstmals Gefechte zwischen syrischen Regierungstruppen und den kurdischen Volksverteidigungseinheiten der YPG.

Relative Stabilisierung des Assad-Regimes

Der Waffenstillstand, der am 27. Februar zwischen den USA und Russland ausgehandelt wurde, hielt nur einige Wochen. Für die Konfliktparteien im Land und die involvierten Regional- und Großmächte war er nicht mehr als die Möglichkeit, die eigenen Kräfte zu konsolidieren und neue Offensiven vorzubereiten. Durch die Unterstützung Irans und Russlands konnte der syrische Machthaber Bashar Al-Assad seine Position wieder etwas festigen. Zwar sind weiterhin große Teile des Landes unter der Kontrolle kurdischer Milizen, des IS und der Al-Nusra-Front. Doch mit der Deckung durch russische Luftangriffe geht er nun daran, einige Gebiete zurückzuerobern – wie aktuell mit der Belagerung von Aleppo.

Große Geländeverluste musste Assad zu Beginn des Krieges 2011 auch im Norden Syriens hinnehmen, als sich die syrische Armee aus der dortigen kurdischen Provinz Rojava zurückziehen musste. Hier entstanden unter dem Schutz der Volksverteidigungseinheiten der YPG, die der kurdischen Arbeiterpartei PKK nahestehen, basisdemokratische Selbstverwaltungsstrukturen. Nach einem jahrelangen informellen Nichtangriffspakt kam es letzte Woche erstmals zwischen der syrische Armee und YPG-Milizen in der kurdischen Stadt Hasaka zu schweren Gefechten. Im Mai hatte es bereits kleinere Scharmützel gegeben, doch diesmal wurden auch Artillerie- und Luftschläge der syrischen Armee gemeldet. Nach YPG-Angaben starben mehrere Dutzend Zivilist*innen.

Nun ist fraglich, wie weit die Konfrontation von Assad gewollt war. Beide Seiten machen die jeweils andere verantwortlich. Militärisch wäre ein Angriff von Assad ein gewagtes Manöver, denn seine Stellungen in Hasaka sind vom Rest seines Territoriums abgeschnitten und von kurdischen Einheiten umgeben. Es ist zudem riskant, da er mit der YPG einen Verbündeten der USA angreift. Diese unterstützen die kurdischen Truppen mit Luftangriffen und Waffenlieferungen gegen den IS. Die USA haben bereits angekündigt, die YPG und eigene Spezialeinheiten vor Assad mit Kampfjets schützen zu wollen. Sollten Assads Attacken weitergehen, würden damit erstmals Russland und die USA unmittelbar verfeindete Kriegsparteien unterstützen.

Türkei auf neuem Kurs

Die Angriffe gegen Rojava werden von der türkischen Regierung befürwortet. Ministerpräsident Binali Yildirim sagte: „Es ist klar, dass das Regime verstanden hat, dass die Struktur, welche die Kurden im Norden zu bilden versuchen, auch für Syrien eine Bedrohung zu werden beginnt.“

Bisher hatte sich die Türkei gegen die syrische Regierung von Assad gestellt und Rebellengruppen mit Waffen und Geld unterstützt. Doch Erdogan will der innenpolitischen Instabilität in der Türkei, die sich zuletzt im Militärputsch äußerte, mit außenpolitischen Erfolge entgegenwirken. Die Aussichten auf den Sturz Assads sind wieder geringer geworden. Gleichzeitig wächst mit den militärischen Erfolgen der YPG, zuletzt in Manjib, für Erdogan die Gefahr eines zusammenhängenden kurdischen Gebietes an seiner Südgrenze.

Nach einer Annäherung mit Russland, die sich beim Gespräch zwischen Putin und Erdogan andeutete, sowie zu Israel, scheint sich nun auch das Verhältnis zum Assad-Regime zu ändern, das sich die Türkei zumindest übergangsweise als Verhandlungspartner vorstellen könnte. Damit wäre auch eine weitere Übereinkunft mit Russland denkbar, das Assad als Einflussfaktor gegen die USA verteidigt.

Aber auch wenn sich die Türkei mit dem Assad-Regime arrangieren kann, so bleibt der syrische Machthaber im Konflikt zwischen Russland und den USA in einer instabilen Lage. Dies gilt die gesamte Region, die im Kampf der Regional- und Großmächte um Einfluss keine friedliche Neuordnung finden kann. Die neuesten Ankündigungen der Türkei, „aktiver“ in den Konflikt einzugreifen, die Drohungen der USA gegenüber der syrischen Armee und die verstärkten Luftangriffe Russlands deuten nicht in Richtung Entspannung.

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