Weltumspannendes Netz von Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Korruption

05.04.2016, Lesezeit 6 Min.
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Die "Panama Papers" – eine der größten journalistischen Enthüllungen der Geschichte: 11,5 Millionen Dateien, die Daten von mehr als 214.000 Briefkastenfirmen aus fast 40 Jahren enthalten. Personen aus mehr als 200 Ländern und Territorien sind darin verwickelt, darunter über 70 aktuelle oder ehemalige Staats- und Regierungschefs. Deutsche Banken waren ganz vorn mit dabei.

Seit Sonntag abend ist „Mossack Fonseca“ in aller Munde: Die von dem deutschen Anwalt Jürgen Mossack geführte Anwaltskanzlei mit Sitz in Panama ist eine der wichtigsten Firmen im „Offshore“-Geschäft. Zeitgleich auf der ganzen Welt wurde am Sonntag um 20 Uhr ein Leak von 11,5 Millionen Dateien bekanntgegeben, der knapp 40 Jahre der Geschäfte der panamaischen Kanzlei umfasst. Dabei geht es um über 214.000 Briefkastenfirmen, die von Mossack Fonseca verwaltet wurden oder noch werden. Verwickelt in die Geschäfte dieser Briefkastenfirmen sind große Namen: über 140 Politiker*innen und öffentliche Funktionär*innen, darunter 72 aktuelle oder ehemalige Staats- und Regierungschefs, Prominente, über 500 Banken, darunter 28 deutsche Geldhäuser. Mindestens 500 deutsche Personen sind in die Geschäfte von Mossack Fonseca verwickelt.

Das in Washington, D.C., ansässige International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) und die Süddeutsche Zeitung (SZ) analysierten mit einem Team von 376 Journalist*innen aus 76 Ländern ein Jahr lang den riesigen Datenberg, der den investigativen Journalist*innen zugespielt wurde, und der seit Sonntag abend Schritt für Schritt als „Panama Papers“ veröffentlicht wird. Die Datenmenge ist fast 50 Mal so groß wie der bisher größte Enthüllungsskandal „Wikileaks“.

Die Aufregung um diese riesige Enthüllung ist groß: Nachdem bekannt wurde, dass ein Viertel des isländischen Kabinetts, darunter der aktuelle Regierungschef, Briefkastenfirmen besaß oder besitzt, wurden sofort Rufe nach Neuwahlen laut. Wladimir Putin, dessen engster persönlicher Kreis mit vielen Namen und Transaktionen im Wert von zwei Milliarden Dollar in den „Panama Papers“ auftaucht, wittert eine „westliche Verschwörung“. Sprecher*innen dutzender Politiker*innen gaben schnell bekannt, dass Briefkastenfirmen ja an sich legal seien und man überhaupt keine tatsächliche Beteiligung an diesen Firmen gehabt hätte. Der amtierende argentinische Präsident Mauricio Macri behauptete so, dass seinem Familienunternehmen zwar eine Briefkastenfirma gehört habe, die auf seinen Namen lief, er aber selbst keine Aktienanteile an dieser Firma besessen hätte.

Tatsächlich sind Briefkastenfirmen erstmal nichts Illegales, doch der schiere Grund ihrer Existenz ist es, die wahren Eigentümer*innen von Firmen und die Geldströme brisanter Transaktionen zu verschleiern. Im „harmlosesten“ Fall dient das der Steuerhinterziehung, über Korruption und Geldwäsche bis hin zur Finanzierung von blutigem Diamanten-, Drogen- und Waffenschmuggel und der Finanzierung terroristischer Aktivitäten in den schwersten Fällen. Große Korruptionsskandale jüngster Zeit wie der FIFA-Skandal sind mit über die Briefkastenfirmen von Mossack Fonseca abgewickelt worden.

Politiker*innen, Unternehmer*innen und öffentliche Figuren nutzen Briefkastenfirmen, um den Weg des „schmutzigen Geldes“ zu verschleiern, das sie für ihre Geschäfte nutzen. Diese Firmen sind legale Konstrukte, die mit Scheindirektor*innen und Stohmännern operieren, damit die tatsächlichen Eigentümer*innen und Begünstigten nicht bekannt werden.

Mossack Fonseca ist nur eine von vielen Firmen, die sich in der Schaffung von Briefkastenfirmen spezialisiert haben; Panama ist nur eins der Länder, welches als „Steuerparadies“ gilt, in welchem die kapitalistische Klasse der imperialistischen Länder und verschiedener Regionalmächte ihre Reichtümer vor fremdem Zugriff verstecken. Dabei darf – nebenbei gesagt – nicht vergessen werden, dass viele dieser „Steuerparadiese“ wie beispielsweise die britischen und die US-amerikanischen „Jungferninseln“ direkte Halbkolonien imperialistischer Mächte mit nur teilweiser politischer Unabhängigkeit – und vollständiger wirtschaftlicher Abhängigkeit – sind. Ihre Existenz als Staaten ist direkte Konsequenz des Bedürfnisses der herrschenden Klasse, ihre Geschäfte zu verschleiern.

Kein Wunder also, dass mehr als 30 der 500 reichsten Menschen der Welt, 500 Banken und alle möglichen hohen Politiker*innen vom saudischen König bis hin zum ukrainischen Präsidenten Poroschenko in Briefkastenfirmen bei Mossack Fonseca verwickelt sind. Verwunderlich ist, dass in den bisher veröffentlichten Dokumenten augenscheinlich wenig über Politiker*innen aus imperialistischen Zentren wie der USA oder Deutschland steht. Lediglich solche Persönlichkeiten wie Familienangehörige wichtiger Politiker*innen wie der Vater des britischen Premierministers oder die Tochter des spanischen Königs sind auf der Liste zu finden. Bisher ist in der öffentlichen Diskussion in Deutschland vor allem die Person von Wladimir Putin im Zentrum, was dieser zum Anlass nimmt, geopolitische Zwecke hinter der Veröffentlichung zu vermuten.

Wir können auf jeden Fall davon ausgehen, dass auch Politiker*innen hierzulande Briefkastenfirmen besitzen – Korruptionsskandale hat es in den letzten Jahrzehnten zu genüge gegeben. Jedenfalls zeigen die Panama-Papiere die schmutzigen Geschäfte fast aller wichtigen deutschen Banken, allen voran die Deutsche Bank und die Commerzbank, und werfen somit ein Schlaglicht auf einen der Mechanismen, wie die Kosten der weltweiten Finanzmarktkrise auf die Schultern der Mehrheit der Bevölkerung abgeladen werden – die Banken helfen dabei, mittels Briefkastenfirmen Geld verschwinden zu lassen, und lassen dann unter dem „Rettungsschirm“ ihre Verluste verstaatlichen.

Die Mechanismen, die die „Panama Papers“ ans Licht holen, sind beispielhaft für ein weltweites Netz von Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Korruption. Sie können uns jedoch keineswegs überraschen. Sie sind nur der konsequenteste Ausdruck des Geschäfts- und Bankgeheimnisses, welches ein genauso wichtiger Stützpfeiler des Kapitalismus ist wie das Privateigentum.

Deshalb haben Sozialist*innen immer gegen Geschäfts- und Bankgeheimnis gekämpft. Während die gesamte Gesellschaft ständig darüber diskutiert, wie hoch der Lohn von Arbeiter*innen sein soll, halten die Kapitalist*innen die Geheimhaltung ihrer Profite für heilig. Aber um dieses Geheimnis zu brechen, muss die gesamte Bankenwirtschaft verstaatlicht und durch eine einheitliche staatliche Bank unter der Kontrolle der Arbeiter*innenklasse ersetzt werden. Vor hundert Jahren schon stellte Lenin klar, dass

„über die einzelnen Banken und ihre Operationen eine wirkliche Kontrolle (selbst wenn man das Geschäftsgeheimnis usw. aufgehoben hat) unmöglich ist, denn man kann unmöglich die überaus komplizierten, verwickelten und raffinierten Methoden durchschauen, die bei der Aufstellung der Bilanzen, bei der Gründung von fiktiven Unternehmen und von Zweigstellen, beim Vorschieben von Strohmännern usw. usf. angewendet werden.“
(Lenin, „Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll“)

Ein Jahrhundert später zeigen die Panama Papers, dass die Kapitalist*innen diese Mechanismen perfektioniert haben. Höchste Zeit, das Problem an der Wurzel zu packen.

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