Weltautismustag – wir sind mehr als nur Arbeitskräfte

02.04.2019, Lesezeit 3 Min.
1

Lauter inselbegabte IT-Fachkräfte? Von wegen! Ein Kommentar gegen die Ausbeutung aller Menschen.

Der heutige Weltautismustag soll dazu dienen, Menschen, die sich dem autistischen Spektrum zugehörig fühlen oder diesem zugeordnet werden, Repräsentation zu verleihen. Doch leider wird dieses an sich progressive Anliegen gerne dazu benutzt, um unsere Leben den Profiten der Bosse unterzuordnen.

Seit 2008 machen verschiedene Organisationen auf die spezifischen Bedürfnisse von Menschen aus dem autistischen Spektrum aufmerksam. Allzu oft wird unser Bedürfnis auch einen Teil zur Gesellschaft beizutragen – statt nur als „Sonderlinge“ am Rand zu stehen – missbraucht, um als fähige Arbeitskraft beworben zu werden, die „pünktlich, zuverlässig und korrekt“ (Tagesschau) seinen Dienst tut. Also so wie es die Bosse gerne hätte.

Richtig absurd wird es, wenn uns mangelnde soziale Kompetenzen als positives, ausbeutbares Attribut ausgelegt werden. Natürlich hat das Kapital kein Interesse daran, dass wir uns mit unseren Kolleg*innen in der Kaffeepause vernetzen. Am liebsten hätten sie es, wenn wir wie Roboter – mit denen man manchmal verglichen wird – unser Elend schweigsam hinnehmen.

Natürlich finden wir uns nicht mit dem „zweiten Arbeitsmarkt“ ab, wo man uns den Mindestlohn verwehrt, während die Bosse dieser angeblich „karitativen Einrichtungen“ fette Gewinne machen. Wir finden uns auch nicht mit dem „ersten Arbeitsmarkt“ ab, wo uns dauerhafte Prekarisierung und Befristung in outgesourcten Bereichen erwarten. Wir wollen gute Arbeitsbedingungen für alle.

Wohl etwa ein Prozent der Bevölkerung können dem autistischen Spektrum angerechnet werden. Das wären in Deutschland 800.000 Menschen. Schätzungsweise 80 Prozent davon sind von Arbeitslosigkeit betroffen, die hier und da durch schlecht bezahlte und befristete Beschäftigung unterbrochen wird. Damit tragen 640.000 Menschen dieses Los. Nur eine kleinere Minderheit hochspezialisierter Fachkräfte finden im IT-Bereich eine dauerhafte und gut bezahlte Beschäftigung. Doch weder kann der deutsche Arbeitsmarkt 800.000 hochspezialisierte Fachkräfte aufnehmen, noch besitzt – entgegen einer landläufig verbreiteter Auffassung – die Mehrzahl autistischer Menschen eine „Inselbegabung“ im Schreiben komplexer Computerprogramme.

Die Lösung besteht darin, für eine Wirtschaft zu kämpfen, die nach dem Prinzip funktioniert „jede*r nach seinen*ihren Fähigkeiten, jede*r nach seinen*ihren Bedürfnissen“. Nur in einer solchen können alle Menschen ihre spezifischen Bedürfnisse und Fähigkeiten in der für alle gewinnbringendsten Art und Weise verwirklichen. Denn nicht nur autistische Menschen leiden darunter nur als Teil einer Maschine der Profitmaximierung einiger weniger zu dienen, sondern alle Ausgebeuteten und Unterdrückten.

Daher ist der Kampf aller Ausgebeuteten und Unterdrückten auch unser Kampf. Wir wollen keinen Tag im Jahr, an dem unsere Arbeitskraft angepriesen wird. Was wir wollen ist nicht weniger als eine Welt, in der wir sozial gleich, menschlich verschieden und vollkommen frei sein werden.

Mehr zum Thema