Was bedeutet der Personalmangel im Alltag? Drei Pfleger*innen berichten

22.09.2017, Lesezeit 3 Min.
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Diese Woche legen Pflegekräfte an der Charité und anderen Krankenhäusern die Arbeit nieder. Sie kämpfen für mehr Personal und Mindestbesetzungen an den Stationen. Denn an jedem Krankenhaus fehlen Pflegekräfte. Zwei Pfleger*innen und eine*r Azubi, die am Dienstag demonstriert haben, berichten von den Auswirkungen in ihrem Alltag. Alle möchten anonym bleiben.

I. Pfleger in Virchow

Seit 2016 gibt es einen Tarifvertrag an der Charité, der Mindestbesetzungen an den Stationen vorschreibt. Doch die Charité hält diesen Tarifvertrag einfach nicht ein. Das erleben wir in jeder Schicht.

Wenn an einer Station Personal fehlt, haben wir keine Möglichkeit, effektiv dagegen vorzugehen. Deswegen fordern wir, dass die Mindestbesetzungen einklagbar werden.

Die Charité sagt, dass sie überall nach Pflegekräften sucht, sogar in Albanien und Mexiko. Diese Kolleg*innen sind natürlich willkommen.

Aber wenn die Arbeitsbedingungen so sind, dass sich viele Kolleg*innen krank melden, dann ist es in der Wirkung genauso, als wenn hunderte Stellen unbesetzt wären.

Kolleg*innen suchen sich etwas neues und gehen zu anderen Krankenhäusern, wo es angeblich besser ist. Aber an allen Krankenhäuser gibt es ähnlichen Personalmangel.

2. Pfleger in Mitte

Die Personalnot bedeutet Stress, den Du auch mit nach Hause nimmst. Du bist auf Autopilot und kannst nicht auf Dich selbst achten.

Alles muss zügig gehen und trotzdem sicher. Sachen fallen unter den Tisch. Das führt auch zu einem rauen Ton unter Kolleg*innen, die alle gereizt sind.

Trotzdem sehe ich die Pflege als meine Berufung. Ich arbeite auf einer Intensivstation. Alles, was halbtot in Berlin auf der Straße liegt, wird bei uns eingeliefert, d.h. es geht immer um Leben oder Tod.

Im Tarifvertrag gilt 2 zu 1 an den Intensivstationen, also eine Pflegekraft für alle zwei Patient*innen. Aber in Wirklichkeit ist es 3 zu 1 oder mehr. Die Mindestbesetzung wird ständig und konsequent unterlaufen.

Viele Kolleg*innen streiken heute mit. Andere sind durch den Stress so weichgekocht, dass sie keine Lust auf Streiks haben.

3. Azubi an einer Schule

Personalmangel bedeutet megaviel Stress. Du kannst nicht mit gutem Gewissen arbeiten. Denn um alle Aufgaben zu erledigen, müsste sich jede Pflegekraft in zwei aufspalten.

Nachts auf der Station bist du dann für 30 Patient*innen zuständig. Wenn zwei von ihnen gleichzeitig ein Problem haben, dann musst du entscheiden, wem du hilfst und wen du im Stich lässt.

Ältere Kolleg*innen erzählen alle: Früher hat der Beruf mehr Spaß gemacht. An sich ist es ein toller Beruf. Ich mache die Ausbildung, weil ich Menschen helfen will. Aber dann kann ich den einzelnen Patienten nicht so viel Aufmerksamkeit geben.

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