Warum wir die Niederlage Israels und den Sieg des palästinensischen Volkes unterstützen

29.07.2017, Lesezeit 10 Min.
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Der zionistische Staat ist gemeinsam mit seinen imperialistischen und reaktionären Verbündeten hauptverantwortlich für die Vertreibung, Unterdrückung, Ausplünderung und Besatzung gegen die Palästinenser*innen. Die Revolutionär*innen müssen ihren Befreiungskampf bedingungslos unterstützen.

Während die militärische Aggression Israels heutzutage mit der rassistischen Provokation in Westjordanland wieder zunimmt, stellt sich die Frage erneut, wie die Revolutionär*innen sich positionieren sollen. Besonders in Deutschland, wo eine offene Auseinandersetzung zwischen revolutionären Linken und rassistischen prozionistischen Kräften stattfindet, ist eine konsequente Positionierung zentral. Denn der deutsche Imperialismus macht sich in Form von Waffenexporten, diplomatischer Unterstützung und der Kriminalisierung der palästinensischen Solidaritätsbewegung der Mittäterschaft schuldig. Wenn wir daher von der Unterdrückung des palästinensischen Volkes sprechen, dürfen wir den Fokus nicht nur auf die Ereignisse vor Ort beschränken. Vielmehr geht es darum, die expansive Politik eines kolonialen Staates in ihren Grundsäulen offenzulegen und die daraus resultierende Aufgaben für die revolutionäre Linke zu bestimmen.

Gegen die Gleichsetzung der Gewalt der Unterdrückten mit den Unterdrückenden!

Zuallererst lehnen wir die Gleichsetzung der Gewalt Israels und des palästinensischen Widerstands ab. Leo Trotzki machte diese Haltung in seinem Werk „Ihre Moral und Unsere“ mit einer Analogie klar:

Mögen verächtliche Eunuchen nicht erzählen, der Sklavenbesitzer, der durch List und Gewalt den Sklaven in Ketten hält, und der Sklave, der durch List oder Gewalt die Ketten zerbricht, seien vor dem Gericht der Moral gleich!

Wer also den Krieg der hochgerüsteten Besatzungsmacht mit der Verteidigung durch palästinensische Kräfte gleichsetzt, will in der Wirklichkeit vom wahren Verantwortlichen heuchlerisch schweigen. Denn wenn die Unterdrückten sich gegen die Unterdrückung erheben – mit welchen Mitteln auch immer –, entstehen zwei Diskurse: Einerseits wird vom „Terrorismus“ gesprochen. Mit diesem Diskurs wird im Interesse des kapitalistischen Staates eine „nationale Einheit“ heraufbeschworen. Andererseits beginnen die sogenannten „fortschrittlichen“ Kräfte, über Menschenrechte, Sinnlosigkeit der Gewalt und Bedeutung von Menschenleben abstrakte moralische Phrasen zu dreschen. Diese heuchlerische Haltung zielt im Endeffekt nur darauf ab, die Radikalisierung der Massen zu verhindern.

Die Hamas als fast genauso schlimmen Feind der Arbeiter*innenklasse wie den zionistischen Staat darzustellen, bedeutet in der Praxis die Verharmlosung der zionistischen Besatzung und der menschenunwürdigen Behandlung der ermordeten, ausgeplünderten und vertriebenen Millionen Palästinenser*innen. In der Bekämpfung der Besatzungsorganisationen Israels stehen wir im selben militärischen Lager wie die Organisationen des Befreiungskampfes, d.h. wir teilen die Zielsetzung des Sieges über den zionistischen Staat und seine Armee.

Die hochentwickelte israelische Kriegsmaschinerie kann keinesfalls mit den militärischen Aktionen der Hamas und anderer Gruppen des palästinensischen Volkes verglichen werden. Denn die letzteren sind trotz ihres Programms ein fundamentaler Bestandteil des legitimen Widerstands des palästinensischen Volkes.

Die Sackgasse der kleinbürgerlichen Führung des Widerstands

Wir können uns die vorhandene Führung des Widerstandes nicht wegwünschen, sondern müssen mit unseren Taktiken und Vorschlägen von den realen Umständen ausgehen. Heute ist die Hamas die größte Organisation des palästinensischen Widerstands. Die Verantwortung dafür trägt nicht nur die palästinensische Linke, sondern vor allem die Passivität der Linken in Israel und auf der internationalen Ebene. Im Gebiet von Palästina, in dem Religion zur Grundsäule der nationalen Unterdrückung und somit zur nationalen Identität gemacht wurde, kristallisiert sich die Religion in politischer Form heraus. Eine kritische Unterstützung setzt die Ablehnung der Angriffe des kolonialen Staates und die Entlarvung programmatischer Schwächen einer kleinbürgerlichen Führung voraus. Es ist kein Märchen, dass weder Hamas noch Fatah die Aufgaben des Widerstands erfüllen können. Ihre Sackgasse liegt in ihrer beschränkten kleinbürgerlichen bis reaktionären Antwort auf die israelische Kolonisierung. Zuletzt präsentierte die Hamas auf dem Kongress am 1. Mai 2017 eine neue Charta, die einen harten Schwenk auf eine versöhnlerische Ebene manifestiert. In der Charta steht, dass die Grenzen eines palästinensischen Staates auf den Grenzen von 1967 basieren könnten. Das bedeutet die Anpassung an die Besatzungsmacht. Das Recht auf die Rückkehr palästinensischer Geflüchtete sollte dementsprechend ab 1967 gelten. Was mit den Millionen Palästinenser*innen, die zwischen den Jahren 1948 bis 1967 vertrieben wurden, passieren sollte, bleibt unklar.

Die islamische Führung der Hamas tritt mit der politischen Nähe zur Moslembruderschaft und zur AKP auf. Diese Strömung ist ein großer Fanatiker der Privatisierung, die die Lebensgrundlage der Arbeiter*innen angreift und sie zur Prekarisierung drängt. Außerdem sind sie nicht nur arbeiter*innenfeindlich, sondern bekannt für Korruption und Zusammenarbeit mit dem ausländischen Kapital. Die Hamas neigt dazu, auf Kosten der Befreiung Palästinas ihr wirtschaftliches und politisches Programm dem ausländischen Kapital zu öffnen. Dass diese Strömung Kommunist*innen jagt und foltert, sollte inzwischen kein Geheimnis mehr sein.

Auf der anderen Seite hat sich die Fatah schon längst als eine korrupte und proimperialistische Führung entlarvt und trug so auch zu dem Aufstieg der Hamas bei. Nach Mahmud Abbas, dem Anführer der Fatah, sollte nicht die Ausweitung und Vertiefung des Kampfes gegen die Besatzungsmacht angestrebt werden, sondern die harmonischen und diplomatischen Friedensgespräche. So rief Abbas am Donnerstag dazu auf, den Boykott zu beenden und auf den Tempelberg zurückzukehren. In der Hitze und Schwere des Angriffs auf die Al-Aqsa Moschee und der brutalen Polizeigewalt hatte Mahmud Abbas für einen kurzen Moment geschwankt, indem er die Aufkündigung der Beziehungen zu Israel deklariert hat. Aber kurze Zeit später kehrte er wieder in seine alte Position zurück. Um ein konkretes Beispiel für die Korruption von Abbas und die Instabilität der Fatah-Führung zu geben, erinnern wir an die Gemeindewahlen im Westjordanland vom Mai 2017: Nach dem Boykott der Wahlen seitens der Hamas und der PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) mit der Begründung der Manipulation zugunsten von Fatah, beteiligte sich nur 53 Prozent der Wahlberechtigten. Es sei auch daran erinnert, dass Mahmud Abbas seit 2009 ohne demokratische Legitimität herrscht.

Nationale Frage, revolutionärer Defätismus und die Aufgaben des Internationalismus

Wenn wir von bedingungsloser Solidarität sprechen, nur deshalb, um die Ungleichheit der Kräfteverhältnisse, die Hauptverantwortung für die Unterdrückung und die Perspektive für die Befreiung offenzulegen.

Als revolutionäre Marxist*innen verteidigen wir das Recht des palästinensischen Volkes auf nationale Selbstbestimmung und ihren Kampf gegen die Besatzung, die seit 1948 durch die Konstituierung des zionistischen Staates andauert. Dieses Recht wird ihnen vom Imperialismus und dem Zionismus verwehrt. Wir lehnen die Zwei-Staaten-Lösung ab, weil sie darauf abzielt, die Unterdrückten mit den Unterdrückenden zu versöhnen. Die andauernde Kolonialisierung, die militärische Expansion Israels, die ungelöste Frage der Flucht, Vertreibung und Ausplünderung von Häusern und Dörfern der Palästinenser*innen offenbaren die Unmöglichkeit dieser sogenannten Lösung.

Unbestritten steht die rassistische Provokation auf die Al-Aqsa Moschee in direkter Verbindung zur Kolonialisierungspolitik Israels. Wie oben analysiert gehört die Religion heute zum festen Bestandteil der nationalen Identität in Palästina. Die Aufgabe von Marxist*innen besteht heute in Palästina nicht darin, über die Absurdität des religiösen Märchens hohle Reden zu halten, sondern die Unterdrückung aufgrund der Zugehörigkeit einer Religion zu verstehen und das demokratische Recht über die Religionsfreiheit zu verteidigen. Die Al-Aqsa Moschee steht als moralischer Stützpunkt für Palästinenser*innen, da sie noch nicht vom zionistischen Staat erobert werden konnte.

Wir befürworten die Niederlage Israels, was bedeutet das konkret?

In der heutigen Situation in Palästina geht es einerseits darum, jegliche Waffenlieferungen an den zionistischen Staat zu blockieren. Die Revolutionär*innen und Arbeiter*innen, die heute Palästina unterstützen, sollten vor allem in Deutschland und Israel innerhalb der Gewerkschaften und der Betriebe dafür agitieren, dass die Waffen nicht in den Händen des israelischen Staates landen dürfen. Denn sie dienen hauptsächlich für weitere Massakern an Palästinenser*innen. In militärischen Auseinandersetzungen sind militärische „Sabotagen“ unvermeidlich. Ihre objektive Zweckmäßigkeit hängt davon ab, ob sie zum Rückdrängen der israelischen Armee und für den Fortschritt des Widerstands dient. Doch selbst im Erfolg der Sabotagen kann die militärische Niederlage des israelischen Staates allein nicht zur Revolution führen. Die Revolution kann nur die klassenunabhängige Einheit der Arbeiter*innenklasse mit den Unterdrückten gewährleisten.

Die Linke und Arbeiter*innen in Israel können sich von den Fesseln der sozialen Widersprüche, des Zionismus und des Chauvinismus erst dann lösen, wenn sie mit dem bürgerlichen zionistischen Regime brechen und den palästinensischen und arabischen Massen die Hand reichen. Wenn sie die Last der permanenten Militarisierung und der Kolonialisierung nicht ertragen wollen, müssen sie sich an ihre eigentliche Aufgabe erinnern:

Das Proletariat der unterdrückenden Nationen kann sich mit den allgemeinen, schablonenhaften, von jedem Pazifisten wiederholten Phrasen gegen Annexionen und für die Gleichberechtigung der Nationen überhaupt nicht begnügen. Das Proletariat kann nicht an der für die imperialistische Bourgeoisie besonders unangenehmen Frage der Grenzen des Staates, die auf nationaler Unterjochung beruhen, stillschweigend vorbeigehen. Es kann sich des Kampfes gegen die gewaltsame Zurückhaltung der unterjochten Nationen in den Grenzen des vorhandenen Staates nicht enthalten, und eben dies heißt für das Selbstbestimmungsrecht der Nationen kämpfen. Das Proletariat muss die Freiheit der politischen Abtrennung der von „seiner“ Nation unterdrückten Kolonien und Nationen fordern. Andernfalls wird der Internationalismus des Proletariats zu leeren Worten; weder Vertrauen noch Klassensolidarität unter den Arbeitern der unterdrückten und der unterdrückenden Nation sind möglich.

Wir sind der Überzeugung, dass diese Aussage Lenins ihre Schärfe und Gültigkeit heute noch besitzt. Sie ist das Rezept für eine Perspektive des Zusammenlebens, des gemeinsamen Kampfes gegen den Zionismus und Imperialismus. In Israel gilt es heute, den revolutionären Defätismus zu verteidigen, d.h. dass die Arbeiter*innenklasse und Linke sich keinem Patriotismus beugt, sondern sich konsequent für die Niederlage ihrer eigenen Bourgeoisie einsetzt.

Die einzige wahre und mögliche Lösung, die ein friedliches und geschwisterliches Zusammenleben von Palästinenser*innen und Juden und Jüdinnen ermöglicht, besteht darin, den zionistischen und proimperialistischen Staat Israels auf der Grundlage eines gemeinsamen Kampfes bis auf die Grundmauern zu zerstören. Dieser Kampf ist untrennbar mit dem Kampf für das Ende der imperialistischen Herrschaft über die Region verbunden. Als Schritt auf dem Weg zu einer Föderation Sozialistischer Republiken des Nahen Ostens, vertreten wir als revolutionäre Marxist*innen die Perspektive eines sozialistischen, laizistischen und multiethnischen Palästina auf dem gesamten historischen Gebiet Palästinas.

Eine internationale Solidarität hat deshalb die lebenswichtige Aufgabe, die Freilassung aller politischen Gefangenen (inklusive der der Hamas), die Streichung der palästinensischen Widerstandsorganisationen aus den staatlichen Terrorlisten, die Verhinderung von Waffenlieferungen an den zionistischen Staat, Solidaritätskampagnen unter Gewerkschaften, Frauenbewegungen, Geflüchteten, Studierenden und linken Kräften zu fordern. Sie wird es dem palästinensischen Volk ermöglichen, ihren Widerstand voranzutreiben und den zionistischen Staat zurückzudrängen.

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