Vivantes-Servicetochter VSG bereitet Streik vor

07.04.2018, Lesezeit 4 Min.
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Noch im Frühjahr wollen Arbeiter*innen des landeseigenen Klinikkonzerns in den Ausstand gehen, um eine Tarifflucht durch Ausgliederung zu beenden. Ein Interview mit Mario Kunze.

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Mario Kunze (49) arbeitet seit 1994 als Elektriker beim städtischen Klinikum im Friedrichshain, das seit 2001 zum Vivantes-Konzern gehört. Seit zwei Jahren läuft seine Arbeit über die Tochterfirma Vivantes Service GmbH (VSG). Kunze ist aktiv bei der Gewerkschaft ver.di und Mitglied der Tarifkommission für die VSG.

Bei Vivantes, dem zweitgrößten öffentlichen Krankenhausbetreiber in Berlin, steht ein Arbeitskampf bevor. Was sind Eure Forderungen?

Bereits vor zwei Jahren haben wir die Geschäftsführung der Vivantes Service GmbH zu Tarifverhandlungen aufgefordert. Unsere Forderungen sind seitdem immer gleich geblieben: Wir wollen die Übernahme des Tarifvertrags, der im Mutterkonzern angewendet wird, sprich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD). Wir wollen ein Ende der Tarifflucht durch Ausgliederung.

Wann beginnt der Arbeitskampf?

Bald. 24 Stunden im Voraus geben wir den Streik bekannt.

Aber wann genau?

Im Frühling. Mehr möchte ich nicht sagen.

Was ist die Vivantes Service GmbH?

Das ist ein 100-prozentiges Tochterunternehmen von Vivantes und damit in Verantwortung des Landes Berlin. Von den über 15 000 Angestellten bei Vivantes sind etwa 700 bei der Vivantes Service GmbH beschäftigt. Das ist nur eine von 17 Tochterfirmen des Krankenhauskonzerns.

Aber etwa 400 Arbeiter*innen bei der VSG haben einen Arbeitsvertrag mit Vivantes – deswegen werden wir nach Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlt. Wir werden dann an die VSG „gestellt“. Die anderen 300 Kolleg*innen verdienen deutlich weniger Geld für die gleiche Arbeit.

Ihr fordert die Wiedereingliederung in den Mutterkonzern. Ist das nicht ein unerlaubter Eingriff in die unternehmerische Freiheit?

Fordern können wir alles – aber nach deutschem Richter*innenrecht dürfen wir nicht für diese Forderung streiken. Dieses Streikrecht gilt es zurückzuerkämpfen. Aber auch wenn wir mit der „legalen“ Forderung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst streiken, stellen wir den Sinn von Outsourcing infrage.

Vor Kurzem haben Beschäftigte der Charité CFM Facility Management GmbH – der Niedriglohn-Tochter des Berliner Klinikums Charité – eine Lohnerhöhung bekommen. Seid Ihr in einer ähnlichen Situation?

Bei beiden Unternehmen sollen auf dem Rücken der Mitarbeiter*innen die Gewinne erhöht werden. Bei der CFM sind nur 51 Prozent der Anteile in Händen des Landes Berlin, so fließen die Gewinne in die Taschen von privaten Anteilseigner*innen. Die Vivantes Service GmbH dagegen ist komplett in öffentlicher Hand – hier subventionieren die Niedriglöhne quasi die ausbleibenden Investitionen in kommunale Kliniken.

Wie reagiert die Geschäftsführung der Vivantes Service GmbH auf Eure Forderungen?

Die Verhandlungen ziehen sich seit über zwei Jahren hin. Die Geschäftsführung betont immer ihre Gesprächsbereitschaft – aber nur im Rahmen eines Haustarifvertrages.

Dabei hat der alleinige Anteilseigner, der Berliner Senat, eine klare Aussage in seinem Koalitionsvertrag gemacht. Die Löhne bei Tochterunternehmen sollen „zügig“ an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst angeglichen werden. Unsere Tarifkommission orientiert sich an diesem Vertrag.

Im Zuge einer Kompromisslösung sind wir auch bereit, als ersten Schritt 90 Prozent von TVöD-Niveau zu akzeptieren – solange ein klarer Fahrplan in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst hinein beschlossen wird. Wir stellen uns die Frage, was ist dieser Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün wert, wenn sich die Geschäftsführungen von landeseigenen Unternehmen über die Vorgaben des Senats hinwegsetzen können?

Und die Geschäftsführung lehnt den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst kategorisch ab?

Vor einem Monat hat sie versucht, unsere Belegschaft zu spalten. In ihrem letzten Angebot sollte ein Bruchteil der Beschäftigten finanziell besser gestellt werden. Es ging um die Sterilisationsassistent*innen, die bei unseren letzten Streiks geschlossen die Arbeit niedergelegt hatten. Der Ausfall der Sterilisation damals übte heftigen Druck auf Vivantes aus. Diese Kolleg*innen, unsere stärkste Waffen im Tarifkampf, sollten in eine höhere Entgeltgruppe eingestuft werden. Dieses Angebot widersprach allem, wofür wir als Gewerkschaft stehen.

Die Tarifkommission hat eine Mitgliederbefragung durchgeführt. Zwei Drittel der Kollegen waren gegen das Angebot. Das bedeutet auch, dass die „Steris“ auf eine Lohnerhöhung verzichten, wenn die mitkämpfenden Kolleg*innen aus dem Patient*innenbegleitservice, der Logistik und so weiter so viel weniger aufgewertet werden. Das ist für mich ein Schlüsselerlebnis. Es zeigt Bewusstsein und Solidarität – Dinge, die unserer Gesellschaft angeblich immer mehr abhandenkommen.

Dem Senat sollte auffallen: Letztendlich ruft ver.di nicht zum Streik auf, sondern die VSG-Geschäftsführung. Diesem Aufruf werden wir Folge leisten.

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