Uni-Komitee in Münster zeigt Film „Roadmap to Apartheid“ – Rektorat droht mit rechtlichen Konsequenzen

10.02.2024, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Unrest Radio

Aktivist:innen des Hochschulkomitees "Students for Palestine Münster" haben am Mittwoch den 31. Januar den Film "Roadmap to Apartheid" in einem Hörsaal im Münsteraner Schloss gezeigt. Das Zeigen des Films war zuvor durch die Universität verboten worden. Das Rektorat erfuhr erst am nächsten Tag durch die Presse von der Aktion. Als Reaktion würden deshalb rechtliche Schritte wegen Hausfriedensbruch geprüft.

Rund 30 Studierende sind am Mittwochabend zusammengekommen, um gemeinsam den Film „Roadmap to Apartheid“ der Regisseur:innen Ana Nogueira (Südafrika) und Eron Davidson (Israel) aus dem Jahr 2012 zu schauen. Die Dokumentation untersucht die Parallelen zwischen dem Apartheid-System in Südafrika und der Unterdrückung des palästinensischem Volkes durch den Staat Israel, welchem durch zahlreiche Menschenrechtsorganisationen der Vorwurf der Apartheid gemacht wird. Organisiert wurde diese Filmvorführung durch das Komitee der „Students for Palestine Münster“, das sich als Reaktion auf die andauernde ethnische Säuberung Gazas seit dem siebten Oktober gegründet hat und Solidarität mit dem palästinensischen Volk an die Uni tragen möchte.

Der Film sollte ursprünglich im Rahmen des studentisch organisierten cine clubs des Instituts für Ethnologie am 22. Januar gezeigt werden, doch nachdem sich zionistische Organisationen an die Universitätsleitung gewandt haben, wurde die Vorführung am Morgen der Veranstaltung durch die Universität untersagt. Als Begründung wurde die durch zionistische Gruppen herbeifantasierte Bedrohung für jüdische Studierende, die von diesem Film ausginge, angeführt. Hier wird wieder einmal das Motiv des israelbezogenem Antisemitismus herangezogen, um propalästinensiche Stimmen per se als antisemitisch zu brandmarken. Diesem Vorwurf liegt eine Antisemitismusdefintion zugrunde, die die Kritik am Staat Israel und die Ablehnung der politischen Ideologie des Zionismus mit Hass gegen Juden gleichsetzt. Aber diese gedankliche Verbindung  ist nur möglich, wenn man auch davon ausgeht, dass Jüd:innen und der Staat Israel auch mehr oder weniger gleichzusetzen sind. Das ist jedoch selbst eine antisemitische Annahme, die Jüd:innen zu einer politisch homogenen Masse und zu Agent:innen des Staates Israel erklärt. Ein Verbot auf der Grundlage einer solchen Definition reproduziert antisemitische Narrative und nimmt Jüd:innen, wie dem Regisseur dieses Films Eron Davidson die Möglichkeit, ihre eigene politische Position zu Israel und dem Zionismus zu formulieren und öffentlich zu diskutieren.  Die Administration kündigte an, dass nach einer Sicherheitsprüfung ein Ersatztermin mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen gefunden werden sollte, dies bedeutete die Übernahme eines studentischen Projektes durch die Universitätsleitung, die den Film anschließend in das herrschende Narrativ einrahmen wollte. Damit wollten sich die Studierenden, die im Uni-Komitee organisiert sind, nicht abfinden, weshalb sie kurzerhand den Film selbst zeigten. So wehrten sie sich gegen die anhaltenden Repressionen gegen palästinasolidarische Stimmen durch die Universität und den deutschen Staat und setzten ein Zeichen für Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit. Die Aktion erhielt im Nachhinein noch zusätzlich Rechtfertigung, denn die Universität ließ ihre eigene „gesicherte“ Vorführung des Filmes dann ein zweites Mal ausfallen, sodass das öffentliche Zeigen des Films im Prinzip ein kaltes Verbot durch die Unileitung erhalten hat.

Als Veranstaltungsort fungierte ein Hörsaal im Münsteraner Schloss. Die Veranstaltung wurde der Universität weder vorab gemeldet noch der Raum offiziell beantragt. Für die Studierenden des Komitees ist es selbstverständlich, dass sie in ihrer Rolle als Studierende öffentliche Räume der Universität für ihre Bedürfnisse nutzen können. Die Universitätsleitung sieht das jedoch anders und droht nun mit rechtlichen Konsequenzen. Sie wirft den Studierenden Hausfriedensbruch vor. Wir als Waffen der Kritik unterstützen die „Students for Palestine Münster“ und jeden Versuch von Studierenden, sich ihre Uni von den Autoritäten und Administrationen zurückzuerobern und für die Bedürfnisse der Studierenden zu nutzen. Die Universitätsleitung stellt sich mit dieser Maßnahme abermals auf die Seite des Staates Israel, der seit Monaten zehntausende Menschen in Gaza tötet, Krankenhäuser, Universitäten und Schulen zerbombt. Das Rektorat führt seine Unterdrückung propalästinensicher Stimmen an der Universität in Münster weiter fort und das auch noch mit der Behauptung, dass dadurch jüdisches Leben geschützt würde. 

Vor dem Hintergrund der Absage der Veranstaltung des cine clubs vom 22. Januar erscheint das von der Uni Münster geteilte Statement der Hochschulrektorenkonferenz vom 23. Januar wie ein schlechter Scherz. Als Reaktion auf die correctiv-Recherche um die Remigrationspläne der extremen Rechten wurde ein Statement veröffentlicht, in dem sich die Mitgliedsuniversitäten für „freiheitliche Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ stark machen. In diesem Statement wird das hohe Gut der Wissenschaftsfreiheit gepriesen, von Vielfalt und Toleranz gesprochen und die Forderung aufgestellt, dass Forschung und Lehre nicht zu politischen Zwecken instrumentalisiert werden dürften. Richtig ernst scheint es die Uni Münster mit diesen Werten  nicht zu meinen, denn offensichtlich gelten sie nicht für Palästinenser:innen und Menschen, die mit ihnen solidarisch sind.

Wir rufen alle Studierenden in Münster, in Deutschland und international dazu auf, sich gegen diese Unterdrückung propalästinensischer Stimmen an den Universitäten zu wehren. Am selben Tag, an dem das Komitee in Münster den Film gezeigt hat, haben auch an vielen anderen Universitäten in Europa Studierende Aktionen in Solidarität mit Gaza durchgeführt, wie z.B. die Hörsaalbesetzung in München oder die Demonstration an der FU Berlin. Deshalb: Baut Komitees an euren Unis auf, werdet aktiv und vernetzt euch! Hoch die internationale Solidarität! Viva Palästina!

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