TV-L für alle statt Outsourcing und Kaputtsparen: „Soziale Arbeit am Limit“-Demo in Berlin

25.10.2023, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Inés Heider

1000 Menschen demonstrierten am vergangenen Samstag in Berlin unter dem Motto "Soziale Arbeit am Limit".

Parolen wie „Sozialabbau im ganzen Land – unsere Antwort: Widerstand“ und „TV-L – aber schnell!“ hallten vergangenen Samstag über die Berliner Torstraße. Rund 1000 Demonstrationsteilnehmer:innen waren dem Aufruf des „Solidaritätsbündnis Soziale Arbeit“ auf die „Soziale Arbeit am Limit“-Demo gefolgt. An dem Bündnis beteiligen sich verschiedene linke Gruppen, Initiativen von Sozialarbeiter:innen und Sozialarbeitsstudierenden und auch die Gewerkschaften GEW und ver.di. Die Forderungen beinhalten eine sichere Finanzierung der Sozialen Arbeit, Bezahlung aller Kolleg:innen nach TV-L, und ein Ende von prekärer Beschäftigung und Überlastung.

Die Stimmung war wütend, nicht verwunderlich angesichts der Tatsache, dass die Soziale Arbeit kaputtgespart wird, Projekte nicht verlängert werden und die Kolleg:innen neben der hohen Verantwortung, die sie für ihre Klient:innen tragen, mit befristeten Verträgen, sich immer weiter sammelnden Überstunden und körperlicher Belastung durch Schichtdienst (in stationären Angeboten) zu kämpfen haben. Zudem sind nur wenige Sozialarbeiter:innen in Berlin direkt beim Senat angestellt, die meisten von ihnen sind bei sogenannten freien Trägern, bei denen sie nicht nach Tarif, sondern höchstens angelehnt an ihn, bezahlt werden, was bedeutet, dass sie weniger Geld zur Verfügung haben. Auch haben die Kolleg:innen bei freien Trägern, anders als TV-L Beschäftigte, nicht zwangsläufig Anspruch auf 30 Tage Urlaub pro Jahr und werden bei den Tarifverhandlungen nicht zum Streik aufgerufen. Aus diesem Grund sollten wir nicht nur eine Bezahlung nach TV-L, sondern TV-L für alle fordern.

Mehrere Redner:innen benannten den Kapitalismus als Ursache der Unterfinanzierung der Sozialen Arbeit und auch der Probleme, mit denen die Klient:innen und die Beschäftigten zu kämpfen haben. „Wir sehen, was es heißt arm zu sein im Kapitalismus“, hieß es in der Rede des Solidaritätstreff Soziale Arbeit, weder die Sozialarbeiter:innen noch die Klient:innen hätten Zugang zu guten und bezahlbaren Wohnungen, viele der Klient:innen seien von Zwangsräumungen bedroht oder betroffen. Der Fachkräftemangel, der sich durch die niedrige Entlohnung und die Sparmaßnahmen noch verstärkt, ist in den Betrieben oft deutlich zu spüren. Viele Stellen bleiben unbesetzt, die Mitarbeiter:innen gehen über ihre Belastungsgrenze hinaus, um den Menschen die sie betreuen gerecht zu werden. „Wir bezahlen den Fachkräftemangel mit unserer Gesundheit“, fasste die Moderation der Demo die Situation zusammen.

Auch dass die Soziale Arbeit ein Bereich ist, in dem sehr viele Frauen arbeiten, der nicht „ernst genommen“ wird und wo angeblich ein „Danke“ ausreicht, wurde thematisiert. Die Lehrenden und Studierenden der Alice-Salomon-Hochschule erklärten, dass eine vorgeschobene Wertschätzung dazu dienen würde, schlechte Bezahlung zu legitimieren. Eine Kollegin (seit über 35 Jahren Sozialarbeiterin) von der AWO und Mitglied der ver.di-Initiative „Freie Träger – Faire Löhne“ forderte den Senat auf, die Soziale Arbeit ausreichend zu finanzieren und damit Care-Arbeit aufzuwerten, sowie faire Tarifverträge abzuschließen: „Aufwertung statt Kaputtsparen – das ist das Gebot der Stunde!“

XENION (ein psychosoziales Behandlungszentrum für Geflüchtete) und Jugend ohne Grenzen machten in ihrer gemeinsamen Rede deutlich, dass Sozialarbeiter:innen sich ebenfalls gegen das rassistische Migrationssystem, Krieg und für menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten einsetzen müssen, da dies Faktoren sind, die das Leben der Klient:innen erschweren.

Tamarah, Sozialarbeiterin in der Eingliederungshilfe bei einem freien Träger und organisiert bei unserer Arbeiter:innengruppe KGK Workers, sprach darüber, dass wir in einer Zeit der Krisen leben, und unsere Klient:innen und wir die Folgen der Inflation sowie die hohen Mietpreise stark zu spüren bekommen, während 100 Milliarden Euro in das Bundeswehr-Sondervermögen investiert werden. Sie klagte Union Busting, wie die Versuche der Behinderung von Betriebsrats-Gründungen an. Ebenfalls machte Tamarah auf den Fall unserer Genossin Inés Heider aufmerksam, die im Sommer fristlos von ihrem Job als Schulsozialarbeiterin in Berlin-Neukölln gekündigt wurde, da sie ihre Kolleg:innen über die geplanten Kürzungen im Bezirk informiert hatte. Dies ist ein krasser Angriff gegen eine gewerkschaftlich aktive Kollegin, in Berlin organisieren wir uns dagegen in einem Solidaritätskommittee. Tamarah betonte, dass wir kämpferische Gewerkschaften brauchen, in denen wir demokratisch an der Basis darüber entscheiden, wofür und wie lange wir streiken, und auch wie wir politische Forderungen in unseren Kampf einbeziehen.

Die Demonstration hat gezeigt, dass sich etwas tut im Sektor der Sozialen Arbeit, der lange als gewerkschaftlich unorganisierbar gehandelt wurde. Wir müssen uns organisieren, damit wir nicht mehr alleine gegen zu niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen und Union Busting kämpfen und die Macht haben, Veränderungen zu erkämpfen, die unsere Arbeit und das Leben unserer Klient:innen verbessern.

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