Trump will Irans Unterordnung – und verlangt damit Unmögliches

26.06.2019, Lesezeit 7 Min.
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President Donald Trump listens to a reporter's question after signing an executive order to increase sanctions on Iran, in the Oval Office of the White House, Monday, June 24, 2019, in Washington. Trump is accompanied by Treasury Secretary Steve Mnuchin, left, and Vice President Mike Pence. (AP Photo/Alex Brandon)

Trump ist dabei, die multilaterale Ordnung zu zertrümmern. Um eine neue Ordnung zu schaffen, bräuchte er Gewalt. Es ist fraglich, ob die Kraft der USA dafür ausreicht.

Zehn Minuten trennten die Welt von einem Krieg zwischen dem Iran und den USA. US-Präsident Donald Trump hatte am Freitag seine Kampfflugzeuge schon losgeschickt, um drei militärische Ziele im Iran zu bombardieren. Er ließ den Einsatz dann doch abbrechen, angeblich um die erwarteten 150 Todesopfer zu vermeiden.

Ob nur Bluff oder doch ein spätes Umschwenken: Die Kriegsgefahr ist damit keineswegs ausgeräumt. Am Dienstag drohte Trump dem iranischen Regime gar mit Auslöschung. Damit setzt sich die seit Wochen andauernde Eskalation fort: Im Mai kam es zu Sabotageakten an vier Schiffen der Vereinigten Arabischen Emirate und Mitte Juni waren zwei Öltanker im Golf von Oman angegriffen worden. Für beides machten die USA den Iran verantwortlich. In dieser angespannten Situation hatten die USA 2.500 Soldat*innen, einen Flugzeugträgerverband und ein Bombergeschwader in die Region geschickt.

Trump hat den Iran in eine verzweifelte Lage gedrängt

Gewiss: Trump kann keinen Krieg wollen. Das Desaster im Irak hat seine Spuren im Bewusstsein der US-Amerikaner*innen hinterlassen. Sie haben Trump nicht zuletzt gewählt, weil er versprach, die US-Truppen aus Westasien abzuziehen. Die unkalkulierbaren Risiken eines erneuten Waffengangs sind zu groß. Und doch könnte die Eigendynamik der Ereignisse zum Krieg führen. Denn mit der Aufkündigung des Atomabkommens im Mai 2018 und der Verschärfung von Sanktionen haben die USA den Iran in eine Lage versetzt, aus der er unbedingt ausbrechen muss – zur Not mit Gewalt. Als höchste Stufe der Eskalation bliebe dem Iran eine Blockade der Straße von Hormus. Durch die Meerenge gehen 20 Prozent des weltweit gehandelten Erdöls. Eine Blockade würde wahrscheinlich zum Krieg führen.

Laut US-Außenminister Mike Pompeo stammten bis zu 40 Prozent der iranischen Staatseinnahmen aus Erdölverkäufen. Bis die USA im November 2018 den Export sanktionierte. Firmen, die iranische Produkte kaufen, und Banken, die dort Geschäfte tätigen, müssen in den USA mit Strafen rechnen oder verlieren sogar ihren Zugang zum US-Markt. Bis zum Mai waren die Türkei, China, Griechenland, Italien, Japan, Indien, Südkorea und Taiwan noch von den Sanktionen auf Erdölkäufe ausgenommen; diese Ausnahmen haben nun auch ein Ende. Die USA wollen die iranischen Verkäufe auf Null bringen. Und tatsächlich sind die Erdölexporte von 2,5 Millionen Barrel täglich vor dem Beginn der Sanktionen auf unter 300.000 Barrel täglich im Juni 2019 gesunken.

Für die iranische Wirtschaft ist dies eine Katastrophe. Ausländische Investor*innen haben sich zurückgezogen. Die Wirtschaftsleistung wird nach IWF-Schätzungen um sechs Prozent zurückgehen, die Inflationsrate beträgt 20 Prozent, die Arbeitslosigkeit über 15 Prozent und die Preise für Grundnahrungsmittel sind im letzten halben Jahr um 50 Prozent gestiegen. Schon letztes Jahr war es zu Streiks der Lehrer*innen, Busfahrer*innen und von Fabrikarbeiter*innen gekommen. Die Gefahr einer sozialen Revolte bleibt unter der Anspannung der Sanktionen für das Regime weiter akut.

Die EU versucht, dem entgegenzusteuern und das Atomabkommen noch zu retten. Doch die eigens geschaffene Tauschbörse Instex, die Erdölexporte nach Europa ohne US-Dollar und an den Banken vorbei ermöglichen soll, funktioniert kaum. Der Iran hat der den verbliebenen Vertragspartnern des Atomabkommens eine Frist bis zum 7. Juli gesetzt: Sollten sie bis dahin keinen Weg finden, die Folgen der Sanktionen abzumildern, werde der Iran aus dem Abkommen aussteigen und sich mit der bereits wieder aufgenommenen Urananreicherung nicht mehr an die vereinbarten Grenzwerte halten. Dies soll dem Iran in der Auseinandersetzung mit den USA als Pfand dienen, um eine bessere Verhandlungsposition zu erlangen.

Trumps „America First“ bedeutet Konfrontation

Mit seinem Konfrontationskurs will Trump seine Ankündigung des „America First“ durchsetzen. Gegen die multilaterale Ordnung der langwierig ausgehandelten internationalen Verträge setzt er den Führungsanspruch der USA. Er will nicht nur den Iran zwingen, seine Spielregeln zu akzeptieren. Auch die EU und China haben in dem Konflikt kaum etwas in der Hand. China kündigte zwar an, die US-Sanktionen nicht hinnehmen zu wollen, doch ist die Abwicklung von Handelsbeziehungen ohne Großbanken kaum möglich – und diese wären sofort im Visier der US-Strafmaßnahmen. Im schwelenden Handelsstreit hat Trump damit eine weitere Front eröffnet, auf die China vorerst keine Antwort hat.

Auch die EU steht hilflos am Seitenrand. Der deutsche Außenminister Heiko Maas war erfolglos nach Teheran gereist, um den Atomdeal zu retten. Auf die Ankündigung des Irans, das Atomprogramm wieder aufzunehmen, drohte er mit dessen internationaler Isolation. Damit reiht er sich ungewollt in die US-Front ein. Schon hat Mike Pompeo einen Aufruf gestartet, eine weltweite Koalition gegen den Iran zu bilden, um dessen Einfluss zurückzudrängen. Ein Vorgehen, das Erinnerungen an die „Koalition der Willigen“ gegen den Irak 2003 weckt.

Trump hat zwei Forderungen an den Iran gestellt: Ausstieg aus den Atomplänen und Stopp der „Terrorunterstützung“. Konkret geht es ihm um die Hisbollah im Libanon, die iranischen Proxytruppen in Syrien und dem Irak sowie die Huthi-Miliz im Jemen. Damit verlangt Trump nichts Geringeres, als dass der Iran auf seine Regionalmachtsansprüche verzichten soll. Dies würde die Position der US-Verbündeten Israel und Saudi-Arabien stärken, die in der Region neue Offensiven starten könnten.

Auch wenn Trump behauptet, dass es ihm nicht um das Erdöl geht, so fordert er auch in dieser Frage eine Unterordnung Irans. 2018 sind die USA durch das Fracking mit 12,3 Millionen Barrel pro Tag zum größten Erdölproduzenten der Welt aufgestiegen. Dies gibt Trump überhaupt erst den Rückenwind, um die multilaterale Ordnung aufzukündigen. Das aufwändige Fracking-Verfahren ist erst bei einem Preis von 60 bis 70 US-Dollar pro Barrel rentabel. Daher ist Trump erpicht darauf, dass das OPEC-Kartell nicht mehr die Preise kontrollieren kann, sondern die USA den Ton angeben.

Die Aussichten: Krise im Iran oder Regime Change?

Trump will den Iran in seine unilaterale Ordnung zwingen, in der er allein die Bedingungen diktiert. Dies muss nicht unbedingt einen „Regime Change“ bedeuten, wie es die Hardliner in Washington wollen, insbesondere Außenminister Pompeo und Sicherheitsberater John Bolton. Allerdings hat die US-amerikanische Sanktionsmaschine eine eigene Dynamik gewonnen. Ein Ausstieg auf halbem Wege wird für Trump schwierig. Als er beschlossen hat, aus dem Atomabkommen auszusteigen, war dies auch die Entscheidung, die Verhältnisse in der Region neu zu verhandeln – was der Iran aber nicht akzeptieren kann, ohne seine Stellung als Regionalmacht zu verlieren. Dies wäre nur unter einem anderen, US-freundlichen Regime möglich.

Und so steht Trump vor seinem selbst geschaffenen Dilemma: Mit dem Ziel, die eigene Führungsmacht zu befestigen, hat er die alte multilaterale Ordnung zertrümmert, ohne dass er in der Lage wäre, seine eigene neue Ordnung durchzusetzen. Dies bringt das Risiko eines Krieges mit sich, den sich die USA weder moralisch noch finanziell leisten können. Der Iran droht dagegen in internationale Isolation zu geraten, was die gesellschaftlichen Spannungen weiter vertiefen würde.

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