Left Voice, der US-Schwesterseite von Klasse Gegen Klasse. Sie sprach bei der von der Trotzkistischen Fraktion für die IV. Internationale einberufenen Internationalistischen Mai-Kundgebung. " /> Left Voice, der US-Schwesterseite von Klasse Gegen Klasse. Sie sprach bei der von der Trotzkistischen Fraktion für die IV. Internationale einberufenen Internationalistischen Mai-Kundgebung. " />

Tre Kwon: „Wir brauchen unsere eigene Partei, die durch und durch antikapitalistisch und antiimperialistisch ist!“

04.05.2020, Lesezeit 7 Min.
1

Tre Kwon ist Krankenpflegerin und sozialistische Aktivistin bei Left Voice, der US-Schwesterseite von Klasse Gegen Klasse. Sie sprach bei der von der Trotzkistischen Fraktion für die IV. Internationale einberufenen Internationalistischen Mai-Kundgebung.

Mein Name ist Tre. Ich bin eine sozialistische Krankenpflegerin, die an vorderster Front in New York City arbeitet. Vor vier Monaten habe ich Maia zur Welt gebracht. Man sagt, wenn man Mutter wird, fängt man an, auf den Weg der eigenen Mutter zurückzublicken. Der US-Imperialismus zieht sich durch ihr und mein Leben. In gewisser Weise könnte man sagen, dass der US-Imperialismus der Grund dafür ist, dass ich hier bin.

Meine Mutter wurde in Korea geboren, während des Koreakrieges, der 5 Millionen Menschenleben forderte. Das war das Schlachtfeld, auf dem die NATO ihre ersten internationalen Streitkräfte und Strategien entwickelte. Ihre Jugend war geprägt von der Militärdiktatur, der Ausgangssperre, kein Händchenhalten mit Jungs und rotem Fleisch nur an Geburtstagen. Als sie 23 Jahre alt war, wanderte sie nach New York City aus und nahm ihren ersten Job als Dienstmädchen an. Heute arbeitet meine Mutter als Krankenpflegerin in einem Krankenhaus und kümmert sich wie ich um Covid-19-Patient*innen. Sie kann nicht in Rente gehen oder kündigen, um nicht ihr Leben zu riskieren, weil sie von ihrem Job abhängig ist.

Die Pandemie-Krise entwickelt sich schnell zu einer Katastrophe an mehreren Fronten. Wir stehen vor einer gewaltigen wirtschaftlichen Depression und viele Monate der Ungewissheit liegen vor uns. Hier im Herzen des US-Imperialismus tragen die Arbeiter*innenklasse und die Unterdrückten die Hauptlast der Krise.

Meine Mutter ist auf der Suche nach dem „amerikanischen Traum“ in die USA eingewandert. Aber Träumen kann nicht für ihre Unterkunft oder ihr Essen bezahlen. Es wird sie an ihrem Arbeitsplatz nicht schützen. Es wird nicht 59.000 Tote zurückbringen, die bereits durch COVID-19 in den USA gestorben sind.

Ich arbeite mit ihr und 2 Millionen anderen Krankenpflegerinnen zusammen, 90% von uns Frauen. „Feminisierte“ Arbeit wird in unserer Gesellschaft unterbewertet. Aber angesichts der Krise im Gesundheitswesen sieht man in letzter Zeit, dass die soziale Reproduktionsarbeit absolut unverzichtbar ist. Wir, die weiblichen Beschäftigten, sind unverzichtbar.

Donald Trumps katastrophaler Umgang mit der Pandemie hat viele Tausende von Todesfällen verursacht – über die „unvermeidlichen“ Todesfällen durch das Coronavirus hinaus. Und jetzt drängt er darauf, die Wiedereröffnung der Wirtschaft zu beschleunigen.

Trumps „America First“-Nationalismus und seine rassistischen Twitter-Slogans sind der rhetorische Treibstoff dahinter, Migrant*innen zu Sündenböcken zu machen, die Grenzen zu schließen und hinter der zunehmenden antichinesischen Stimmung. Auch die Demokratische Partei spielt ihre Rolle in diesem zunehmenden Antagonismus gegen die Chines*innen.

Beide Parteien sind sich einig, dass die imperialistische Unterdrückung weitergehen muss. Sie verstärken ihre militärischen Operationen in Lateinamerika. Die Sanktionen gegen den Iran bleiben bestehen. Und das mörderische Embargo gegen Kuba sowie die Blockade lebensrettender medizinischer Geräte dauert auch heute noch an.

Uns Arbeiter*innen an vorderster Front wurde immer wieder gesagt, dass wir „Soldat*innen“ im „Krieg gegen das Virus“ sind. Aber das ist eine totale Lüge. Der wirkliche Krieg, der im Gange ist, ist der zwischen den Kapitalist*innen und der Arbeiter*innenklasse. Wir stecken da nicht „alle zusammen drin“. Die Arbeiter*innen zahlen die schwersten Folgen der Krise. Schon jetzt sind 26 Millionen arbeitslos. Die Menschen warten in langen Schlangen vor den Tafeln auf etwas zu essen. Und in einem Gefängnis in Ohio sind 1.800 Insass*innen infiziert – das sind 73% der dort inhaftierten Menschen. In Abschiebegefängnissen erkranken mexikanische und mittelamerikanische Kinder an Covid. In New York waren die meisten Todesfälle nicht-weiße Menschen – Opfer einer segregierten Gesundheitsversorgung und strukturellem Rassismus. Tatsächlich sind Nicht-Weiße überproportional unter den prekären Arbeiter*innen vertreten, die nicht genug Ersparnisse haben und kein Home Office machen können, um während der Pandemie zu Hause zu bleiben.

Aber nicht jeder verliert während dieser Krise. Unternehmen, wie Amazon und Walmart, machen riesige Gewinne.

Sicherlich gibt es Zankereien zwischen Demokraten und Republikanern, aber beide Parteien kümmern sich um die Interessen der Unternehmen und nicht um die der Arbeiter*innenklasse und der Mittelschicht. Im März verabschiedeten sie ein Rettungspaket für Unternehmen in Höhe von 2 Billionen Dollar – das größte in der Geschichte. Während der Rest der Bevölkerung wenig oder gar nichts bekommt, um die Schuldenlast, Einkommensverluste, Arztrechnungen und den Hunger zu mildern. Tatsächlich motiviert dies die Proteste, die Wirtschaft wieder zu öffnen und „wieder an die Arbeit zu gehen“.

Aber wir nehmen die Dinge nicht einfach so auf den Knien hin. Amazon, Instacart, Gesundheitsversorgung, Transportarbeiter*innen. Wir streiken, gehen hinaus und machen Sit-Ins. Und wenn auch noch in kleinem Maßstab, demonstrieren wir unsere soziale Macht, die in unserer Fähigkeit wurzelt, die kapitalistische Produktion zum Stillstand zu bringen.

In den Krankenhäusern von New York City bilden wir Komitees von Arbeiter*innen, um für Schutzkleidung und Sicherheit an unserem Arbeitsplatz zu kämpfen. Wir widersetzen uns der Zensur der Unternehmen, der Passivität unserer Gewerkschaften und der Hetze durch die Regierung. Und wir kämpfen an der Seite von Tausenden von Arbeiter*innen im ganzen Land für Persönliche Schutzausrüstung und bezahlten Krankentage. Wir haben das in den Mittelpunkt der politischen Debatte gerückt. Und jetzt kämpfen wir für die Verstaatlichung des Gesundheitswesens und verbundener Branchen unter der Kontrolle der Arbeiter*innen.

Die Arbeiter*innen an vorderster Front zeigen, dass die Arbeiter*innenklasse sowohl die Macht als auch das Interesse hat, Lösungen für die Übel der Gesellschaft zu finden.

Wir bringen diese Kämpfe ins Rampenlicht, mit Left Voice, dem englischen Ableger unseres internationalen Mediennetzwerks.

Meine Generation und Leute, die viel jünger sind als ich, stehen vor einer düsteren Zukunft, in der der globale Kapitalismus im Verfall begriffen ist. Der „amerikanische Traum“ von Einwandererfamilien und die Erwartung, besser zu leben als unsere Eltern, zerbröckelt schnell. Bernie Sanders hat die Desillusionierung über das politische Regime eingefangen, und seine Kampagne hat tatsächlich das Streben nach einer humaneren Gesellschaft mit progressiven und arbeiter*innenfreundlichen Forderungen wie Medicare for All vorangetrieben oder ausgedrückt. Aber Bernie verband sein Schicksal von Anfang an mit der Demokratischen Partei, und als sie ihn ausschaltete, warf er all seine Unterstützung hinter Joe Biden – genau in dem Moment, in dem wir radikale Politik am meisten brauchen. Tatsächlich stimmte Sanders sogar für das 2 Billionen Dollar Rettungspaket.

Im November wird Donald Trump also gegen Joe Biden, dem Lieblingskandidaten des Establishments der Demokraten, zur Wiederwahl antreten. Diese beiden Optionen und die beiden Parteien bieten keine wirkliche Wahl für die Arbeiter*innenklasse.

Die Arbeiter*innenklasse braucht eine unabhängige politische Vertretung: unsere eigene Partei, die durch und durch antikapitalistisch und antiimperialistisch ist!

Eine, die für die Arbeiter*innenklasse und die Unterdrückten kämpft, während die Kapitalist*innen und ihre Regierungen uns mitten in der Krise sterben lassen. Unsere eigene Partei. Mit Left Voice schlagen wir vor, dass die DSA und die Linke sich dieser Aufgabe annehmen. Wir brauchen eine Partei, die die Erschöpfung, die Wut, die Desillusionierung, die ich fühle – die wir Arbeiter*innen fühlen – aufnimmt und sie organisiert und lenkt, um unsere Gesellschaft zu führen.

Mehr zum Thema