Transphobie tötet: #WirSindAlleAlan

05.01.2016, Lesezeit 4 Min.
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Am 24. Dezember nahm sich der 17-Jährige Alan das Leben. Er ist einer von nur zwei Trans-Jugendlichen in Katalonien, die es erreichten, dass ihr Namenseintrag im Personalausweis geändert wurde. Am Sonntag darauf gingen Hunderte Menschen in mehreren Städten im Spanischen Staat auf die Straße, um an ihn zu erinnern und ein Zeichen gegen Transphobie zu setzen.

Ich habe Alan nie kennengelernt. Aber ohne seinen Namen oder sein Gesicht vor Augen zu haben, überkam mich eine große Freude, als ich lesen konnte, dass zwei minderjährige Trans-Jugendliche es endlich durchgesetzt hatten, ihren Namen im Personalausweis ändern zu lassen. Es war ein schwieriger Weg, voller Herausforderungen, Erklärungen, Infragestellungen und bürokratischer Hürden – Schwierigkeiten, die wir, denen uns ein Name zugeteilt wurde, der unserer Identität ausdrückt, viel zu oft ignorieren.

Dies sollte sein erstes Weihnachten als Alan werden. Nicht das erste Weihnachten als Mann, oder als Trans-Mensch, wahrscheinlich noch nicht mal das erste Weihnachten, an dem er unter diesem Namen bei seiner Familie bekannt war. Aber doch das erste Weihnachten, an dem die Welt ihn unter diesem Namen anerkennen musste.

Weil es keine Alternative gab, weil nach so vielen Kämpfen und so viel Widerstand, nachdem sein eigenes Wort nicht gereicht hatte, ein Richter ihm das Recht gegeben hat, derjenige zu sein, für den er sich entschieden hatte – derjenige zu sein, der er war. Und zwar auch für die Öffentlichkeit: Er durfte nun Alan sein, wenn er sich in die Universität einschrieb; Alan, wenn er mit Kreditkarte zahlen wollte; Alan, wenn er in einen Club wollte; auch Alan, wenn er bei einer Pride Parade von der Polizei kontrolliert würde und ohne jeden Grund nach seinem Ausweis gefragt würde.

Er konnte Alan sein, wenn er auf Reisen ginge und er seinen Personalausweis am Flughafen zeigen müsste, wenn er Arbeit suchen müsste, wenn er Bewerbungen schreiben oder zum Arzt gehen müsste. Er konnte also nun er sein, während er sein eigenes Leben lebte.

Aber er bekam wie viele andere Trans-Jugendliche nicht die Anerkennung, nicht die Akzeptanz oder den Respekt seiner Mitschüler*innen. Das stürzte ihn in eine tiefe Depression, für die er ins Krankenhaus eingewiesen werden musste. Er nahm sich wenige Tage nach seiner Entlassung das Leben.

Alan hat nicht die Anerkennung bekommen, die er verdiente, weil wir in einer Gesellschaft voller Machismus, Homophobie und Transphobie leben. Diese Gesellschaft bürdet Tausenden LGBTI*-Jugendlichen die schwere Last einer puritanischen Moral und einer unterdrückerischen Sexualität auf. Dies führt manche bis in den Tod.

Wir müssen uns unbedingt daran erinnern, dass im Spanischen Staat 43 Prozent der LGBTI*-Jugendlichen an Selbstmord denken – als Konsequenz des Mobbings und der Diskriminierung einer Gesellschaft, die sie nicht akzeptiert. Alan hat diese enorme Schlacht, die er sich lieferte, nicht überlebt.

Sein Name ist unser Stolz und obwohl er keine Stimme mehr hat, erklang bei den Kundgebungen am 27. Dezember sein Name voller Stärke. Der Verein Chrysallis, in dem sich die Familien von minderjährigen Trans-Jugendlichen organisieren, veranstaltete Kundgebungen in Madrid, Valencia, Zaragoza, Las Palmas, Burgos und San Sebastián. Hunderte versammelten sich mit Fahnen, Kerzen und Fotos von Alan. Wir drückten unsere Wut über die Ungerechtigkeit dieses Todes aus. Es gab eine Minute der stillen Trauer gegen die Transphobie und das Mobbing und es wurde ein Manifest verlesen, welches die Gewalt an Trans-Menschen verurteilt.

Angesichts dieser Gewalt brauchen wir Lehrpläne gegen Homo- und Transphobie an den Schulen und Ausbildung für die Lehrkräfte. Und vor allem brauchen wir Organisationen aller LGBTI*-Menschen und linke politische Organisationen, die auch die sozialen Fragen aufgreifen, um die alltäglichen Angriffe zurückzuschlagen. Diese Angriffe, die weiterhin täglich passieren, genährt von der direkten Unterstützung der Kirche und der Indifferenz des Staates.

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