Sudan: Frauen in der ersten Reihe des Kampfes

11.04.2019, Lesezeit 5 Min.
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Die sudanesischen Frauen sind heute die herausragenden Protagonistinnen des Kampfes gegen ihre Unterdrückung als Frauen, aber auch gegen die prekären Lebensumstände aller Arbeiter*innen und Armen, die unter der Herrschaft Al- Bashirs und des Imperialismus leiden. Dabei zeigen sie auch deutlich, dass anti-muslimischer Rassismus und Feminismus niemals zusammengehen können.

Die Geschichte des Sudans ist wie die vieler anderer afrikanischer Länder tief mit dem Kolonialismus verbunden. Die Herrschaft des britischen, französischen und deutschen Kolonialismus bedeutete für das sudanesische Volk nichts als Überausbeutung, Armut, Gewalt, Unterdrückung und Leid. Tausende Frauen wurden unter der Kolonialherrschaft ermordet, überausgebeutet und unterdrückt. Auch nach der formellen Unabhängigkeit gehen diese Verhältnisse weiter. Auch heute werden Menschen mit dem exportierten deutschen Schnellfeuergewehr G3 im Sudan und im Südsudan ermordet.

Die Geschichte der sudanesischen Frauen beschränkt sich aber nicht auf Ausbeutung, koloniale und patriarchale Unterdrückung, sondern sie ist auch begleitet von ihren heroischen Kämpfen sowie ihrem mutigen Widerstand gegen die britische Kolonialmacht.

Die sudanesischen Frauen sind heute wieder Protagonistinnen der Proteste im Land. Die Preiserhöhungen für Nahrungsmittel, insbesondere für Brot, war der Auslöser der seit September 2018 stattfindenden Proteste im Sudan. Seit Monaten versammeln sich nun Tausende Menschen, organisieren Sitzblockade vor der Residenz von Diktator Omar Al- Bashir, der seit drei Jahrzehnten regiert.

Unter seiner Herrschaft hat sich die Lage der Frauen noch verschlechtert. Auspeitschungen und Folter durch das diktatorische Regime sind im Sudan Alltag für die Frauen, die sich nach Auffassung des Regimes und seiner Justiz nicht „angemessen“ kleiden oder benehmen. Aber sie lassen sich nicht einschüchtern und spielen eine zentrale Rolle bei den aktuellen Protesten im Land. So wie diese kämpferische und mutige Frau, die Alaa Salah heißt. Sie ist 22 Jahre alt und studiert Ingenieurwesen und Architektur an der Universität in Khartum.

Sie steht auf einem Auto mit ihrer weißen Kleidung, welche traditionell von den arbeitenden Frauen in den Städten getragen wird, singt ein arabisches Lied und ruft nach der Revolution. Ein historischer Moment für die Frauenkämpfe im Land und international. Das Video aus der sudanesischen Hauptstadt geht in den sozialen Medien um die Welt.

Sudanesische Frauen sind Opfer von einer spezifischen Art der sexuellen Gewalt, die „Genitalverstümmelung“ genannt wird. Sie leiden unter der nicht anerkannten Gewalt in der Ehe. Zwangsverheiratung von Minderjährigen ist wie viele andere Formen der Diskriminierung und Unterdrückung im Land verbreitet. Diese Unterdrückungsmechanismen, deren Wurzel in der wirtschaftlichen Lage der Familien dieser Mädchen und Frauen zu suchen ist, dürfen wir nicht einfach mit “Kultur“ begründen. Denn wir sollten nicht vergessen, dass die herrschende Kultur die Kultur der Herrschenden ist – das heißt konkret die Kultur des patriarchalen Kapitalismus. Ein System, in dem überall auf der Welt die Frauen und Mädchen die Mehrheit der Armen ausmachen und ihre Körper zur Ware gemacht werden.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation leiden 87 Prozent der Frauen und Mädchen unter „Genitalverstümmelung“. Es ist zynisch und rassistisch, dass die Unterdrückung der Frauen im Sudan oder in allen anderen halb-kolonialen und kolonialen Ländern in den westlichen bürgerlichen Medien mit der „rückständigen Kultur“ begründet und mit der „fortschrittlichen“ westlichen in Kontrast gesetzt wird – dabei sind es die imperialistischen Länder, die die herrschende Kultur überall begründen, indem sie den patriarchalen Kapitalismus verbreiten. Noch absurder wird es, wenn weiße imperialistische „Frauenrechtler*innen“ damit ihren anti-muslimischen Rassismus zu begründen versuchen. Genau im Namen der „Menschen- und Frauenrechte“ werden die Länder der Peripherie mithilfe der Kolonialtruppen der imperialistischen Mächten aufs Neue kolonialisiert. Dieses Mal nennt sich das Ganze aber „humanitäre Intervention“.

Die Ursprünge der brutalen Tradition der Genitalverstümmelung liegt nicht im Islam, sie ist viel älter. Eine erste Erwähnung weiblicher Genitalbeschneidung wurde in einem griechischen Papyrus in Ägypten von circa 163 v. Chr. gefunden. Und noch ein Hinweis für die anti-muslimischen Rassist*innen: Diese sogenannte „Genitalverstümmelung“, die im wahrsten Sinne sexuelle Gewalt gegen Kinder und Frauen ist, wird ebenso von Christ*innen verschiedener Glaubensrichtungen, äthiopischen Juden und Anhänger*innen traditioneller Religionen praktiziert.

Die prekären Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen unter dem korrupten Regime Al-Baschirs führten zu massiven Protesten und Demonstrationen, bei den Frauen die führende Rolle spielen. Insbesondere in Khartum, der Hauptstadt organisieren Frauen ständig Protestmärsche und Sitzblockaden vor der Residenz von Diktatur Omar Al- Bashir. Gemeinsam mit den Männern fordern sie Brot und protestieren gegen geschlechtsspezifische Missstände, aber auch gegen die gesamte Militärherrschaft. Diese Proteste haben Al- Bashir zum Rücktritt gezwungen. Heute wurde über einen militärischen Putsch berichtet, eine tragische Wiederholung des „Arabischen Frühling“, bei dem eine neue Diktatur mit der Unterstützung der imperialistischen Länder die alten ersetzt.

In der Epoche des Widerspruchs zwischen den reifen objektiven Bedingungen für den Sozialismus, aber den unreifen subjektiven Bedingungen, nämlich der Führung des Proletariats, der Partei und der revolutionären Strategie, reichen Mut, heroischer Widerstand und berechtigte Forderungen nicht aus, um Ausbeutung, Unterdrückung und Herrschaft der Diktatoren beenden. Dafür braucht es die unabhängig organisierte Arbeiter*innenklasse, die den Massen ein revolutionäres Programm anbieten kann. Der Kampf der Frauen im Sudan zeigt auf, was alles möglich wäre, wenn sich ihr Mut mit einem solchen Programm verbindet.

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